• 26.10.2020, 12:55:32
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  • OTS0039

Bundespräsident Van der Bellen: TV-Ansprache zum Nationalfeiertag 2020 im Wortlaut

"Wir bekommen das Virus nur mit faktenbasiertem Handeln in den Griff. Und mit rechtzeitiger, verständlicher, nachvollziehbarer Kommunikation."

Utl.: "Wir bekommen das Virus nur mit faktenbasiertem Handeln in den
Griff. Und mit rechtzeitiger, verständlicher,
nachvollziehbarer Kommunikation." =

Wien (OTS) - Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle
Menschen, die hier leben.

Ich möchte heute ein paar Beobachtungen mit Ihnen teilen. Meine
Gedanken, Befürchtungen, meine Hoffnungen. Ich fühle, dass sich
vieles verändert. Einerseits ist es zu früh, um genau beurteilen zu
können, in welche Richtung die Reise geht. Andererseits können wir
das Ziel dieser Reise ja selber mitbestimmen. Wenn wir aufmerksam
bleiben.

Ja, wir befinden uns tief in einer weltweiten Pandemie, die direkt
eines der menschlichen Grundbedürfnisse angreift: Das Bedürfnis nach
Sicherheit und Nähe. Nach gegenseitigem Vertrauen. Nach sozialem
Austausch. Nach Gemeinschaft.

Gerade der Nationalfeiertag ist normalerweise ein Tag, an dem sich
viele Menschen in unserem Land treffen und miteinander freuen. Auch
ich vermisse heute diese Begegnungen, auch hier in der Hofburg.

Und ich spreche sicher für viele, wenn ich sage: Diese Pandemie geht
uns allen ordentlich auf die Nerven. Sie ist eine Belastung für uns
alle. Aber werden wir uns davon unterkriegen lassen? Nein, natürlich
nicht. Österreich wird das bewältigen. Miteinander.

Für den Augenblick ist es notwendig, die Situation zu akzeptieren,
wie sie ist. Damit wir frei sind, den nächsten Schritt zur
Bewältigung zu machen.

Meine Damen und Herren!
Viel wird im Augenblick über Sinn und Unsinn der Maßnahmen zur
Eindämmung des Virus gesprochen. Das ist gut, weil reden immer gut
ist. Aber bitte beachten Sie: Dieses Virus ist weder rot noch blau,
noch türkis oder grün oder pink oder welcher Farbe auch immer. Nein,
es ist einfach nur: ein Virus. Und wir bekommen es nur mit
faktenbasiertem Handeln in den Griff. Und mit rechtzeitiger,
verständlicher, nachvollziehbarer Kommunikation.

Es wird uns nicht helfen, wenn wir wechselseitig Schuldige suchen.
Bekämpfen wir diese Pandemie mit Wissenschaft, Vernunft und
Mitgefühl. Und bleiben wir in unserer Sprache respektvoll. Sprache
schafft Bewusstsein und Realität. Das Bewusstsein und die Realität
unserer Demokratie.

Und noch etwas: Es ist unübersehbar, dass gerade viel Wut entsteht.
Wut und auch Angst. Wut und Angst sind schlechte Ratgeber. Sie
vernebeln unser Denken und leiten unser Handeln in falsche
Richtungen. Wie wäre es, wenn wir die Wut einfach sein lassen würden?
Und zur Kenntnis nehmen, dass diese Pandemie nicht die Absicht von
irgendjemandem ist? Und dass wir trotz allem miteinander und nicht
gegeneinander handeln müssen.

Versuchen wir, unsere Ungeduld in etwas Positives umzuwandeln.
Versuchen wir, unsere Wut nicht an denen auszulassen, die uns
nahestehen. Versuchen wir, geduldig miteinander zu sein. Und mit uns
selber. Und bleiben wir aufmerksam, bleiben wir wachsam. Bleiben wir
menschlich.

Meine Damen und Herren!
Mir macht Hoffnung, wie viele von uns gut mit der Situation umgehen.
Ich danke allen, die sich an die Coronaregeln halten. Sie wissen
schon: Hände waschen, Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen,
Stopp-Corona App verwenden und die anderen wichtigen Massnahmen
einhalten.

Weiters danke ich allen, die unsere Gesellschaft in dieser
schwierigen Zeit am Laufen halten. In den Betrieben,
Pflegeeinrichtungen, Schulen, der Verwaltung, den Spitälern und
Arztpraxen, den vielen ehrenamtlichen Vereinen, und anderen wichtigen
Orten.

Es macht mich zuversichtlich, dass wir auch in Europa – nach
anfänglichen Schwierigkeiten – wieder mehr zueinander finden. Zum
Beispiel mit dem größten Investitionspaket in der Geschichte Europas:
750 Milliarden Euro. Das ist nicht nichts. Das ist die Basis für eine
Zukunft, in der unser Land, unser Kontinent, wieder aufblühen werden.
Davon bin ich felsenfest überzeugt.

Und wenn wir uns in einem Jahr, am 26. Oktober 2021, an dieser Stelle
wiedersehen, dann haben wir hoffentlich das Schlimmste hinter uns.
Dann werden wir zurückblicken auf diese unwirkliche Zeit und sagen
können: Wir haben niemals, auch in der schwierigsten Zeit nicht,
unsere Vernunft, unser Mitgefühl, unsere Gemeinschaft vergessen. Denn
darauf ist unsere wunderschöne Heimat gebaut. Und welcher Tag wäre
besser geeignet, sich daran zu erinnern als unser Nationalfeiertag?

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | BPK

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