Wien (OTS) - Er ist der Leiter der Abteilung für „Öffentliche
Gesundheit“ der AGES (Agentur für Gesundheit und
Ernährungssicherheit) und analysiert mit seinem Team täglich die
Corona-Fallzahlen für ganz Österreich. In Ö3-„Frühstück bei mir“
präsentierte Prof. Franz Allerberger heute die neuen Erkenntnisse
rund um das Corona-Virus: „Es ist eine viel harmlosere Krankheit, als
wir vor zehn Monaten gefürchtet haben, da dachten wir noch, die
Sterblichkeit liegt bei 30 Prozent der Infizierten.“ Im Gespräch mit
Ö3-Moderatorin Claudia Stöckl bestätigte Allerberger die neue Studie
der Universität Stanford, die eine Corona-Sterblichkeit von 0,23
Prozent ausweist. Allerberger dazu auf Ö3: „Der Wert passt haarscharf
zu unseren Daten.“ Allerdings, so der Salzburger weiter, auch wenn
derzeit nur sieben Prozent der Intensivbetten in österreichischen
Spitälern belegt sind, soll man sich vergegenwärtigen: „90 Prozent
der Österreicher sind voll empfänglich und der Anteil älterer
Menschen über 65 sollte nicht unterschätzt werden, weil dort der
Anteil der Sterblichkeit deutlich höher ist, als bei der saisonalen
Grippe.“
Besorgt blickt der Corona-Experte in den Winter: „Wir müssen
aufpassen, dass wir nicht unser blaues Wunder erleben.“ Allerberger
geht davon aus, dass „die Fallzahlen sich verdoppeln oder noch höher
gehen werden. Wenn wir einmal 4.000 oder 5.000 Neuinfektionen am Tag
haben, müssen wir damit rechnen, dass die medizinische Versorgung auf
Engpässe trifft, dass wir Todesfälle in Altersheimen sehen werden und
die Politiker dann massiv unter Druck kommen. Aber wir können im
Prinzip die einzelnen Todesfälle nicht verhindern, sondern wir können
nur den Ablauf ein bisschen nach hinten schieben – ‚Flatten the
curve‘ wie es heißt.“ Den eigentlichen Gipfel der Covid-Infektionen
sieht der Infektiologe „im Dezember oder Jänner“, und meint zur
derzeit herrschenden Diskussion über die Verschärfung der Maßnahmen
der Regierung: „Es ist nicht so, dass bei jeder Maßnahme
hundertprozentig belegt ist, dass sie die richtige Wirkung hat. Die
Sperrstunde vorverlegen ist ein gutes Beispiel. Viele sagen, das ist
ein Fehler, weil die Leute dann privat feiern. Aber es ist eine von
vielen Maßnahmen. Es signalisiert, dass wir eben soziale Kontakte
reduzieren müssen. Es geht darum, das Problembewusstsein zu
unterstreichen.“
Die anfänglichen Ankündigungen der WHO, dass das Virus ausgerottet
werden könne, sind für den Infektiologen überholt: „Das muss man
abhaken, das Virus wird bei uns bleiben. Die WHO wäre gut beraten,
diese Darstellung fallen zu lassen. Jeder von uns wird es früher oder
später kriegen, außer er stirbt vorher. Es wird keine einfache Lösung
geben.“ Einen Impfstoff prognostiziert Allerberger frühestens für
Juli 2021, außerdem meint er: „Ich wette mein letztes Hemd, dass auch
kein Medikament kommt, weil Medikamente gegen Viren kann man an einer
Hand abzählen. Also der Glaube stirbt zuletzt. Ich lasse mich
überraschen, aber wenn das nicht kommt, werden wir noch Monate, wenn
nicht ein, zwei Jahre mit Corona leben müssen.“
Franz Allerberger hat allerdings auch eine gute Nachricht. Einen
zweiten Lockdown erachtet er in keinem Fall für notwendig: „Ich
glaube, dass man mit Maßnahmen, die gelinder sind, das gleiche Ziel
erreichen kann.“ Neue Erkenntnisse in Sachen Herdenimmunität geben
auch Anlass zur Hoffnung, so der Epidemiologe: „Ursprünglich dachten
wir, wir brauchen eine Durchseuchung von 70 bis 80 Prozent der
Bevölkerung, um eine Herdenimmunität zu erreichen, also damit das
Ganze von selbst zum Stillstand kommt. Die Werte von zum Beispiel
Ischgl, Bergamo oder Wuhan zeigen, dass bereits eine Durchseuchung
von 42 Prozent dazu führen könnte, dass die Leute sich nicht mehr
gegenseitig anstecken. Daran wird weiter geforscht – stimmt es, würde
es zu einer früheren Entspannung führen, als wir ursprünglich
gerechnet haben.“
Ö3-„Frühstück bei mir“ – das große Interview der Woche,
Persönlichkeiten ganz persönlich – jeden Sonntag von 9.00 bis 11.00
Uhr im Hitradio Ö3 und zum Nachhören auf https://oe3.ORF.at.
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