• 23.09.2020, 19:30:08
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  • OTS0222

Nationalrat: Sonderbetreuungszeit wird bis Ende Februar 2021 verlängert

Sozialbericht 2019 einstimmig zur Kenntnis genommen

Utl.: Sozialbericht 2019 einstimmig zur Kenntnis genommen =

Wien (PK) - Das Instrument der Sonderbetreuungszeit wird bis Ende
Februar 2021 verlängert. Es ermöglicht ArbeitnehmerInnen, im
Bedarfsfall bis zu drei Wochen von der Arbeit fernzubleiben, um
minderjährige Kinder, Menschen mit Behinderung oder pflegebedürftige
Personen selbst zu betreuen, wenn die üblichen Betreuungsstrukturen
kurzfristig ausfallen, also etwa Schulen und Kindergärten geschlossen
werden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist eine entsprechende
Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, der künftig die Hälfte - und nicht
nur wie bisher ein Drittel - der Lohnkosten vom Staat ersetzt
bekommt.

Der Gesetzentwurf der Regierung wurde heute im Nationalrat einstimmig
verabschiedet. Anders als noch im Ausschuss stimmte auch die SPÖ der
Novelle zu. Es sei grundsätzlich positiv, dass die
Sonderbetreuungszeit ausgedehnt wird und dass auch Ferien und
schulfreie Tage erfasst seien, hielt SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum
fest.

Nach wie vor kritisch sieht die SPÖ allerdings, dass es keinen
Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit bei gleichzeitigem vollen
Lohnkostenersatz für die Arbeitgeber gibt. Das schaffe
Rechtsunsicherheit, machte neben Nussbaum auch ihr Fraktionskollege
Christian Drobits geltend. Ein von der SPÖ dazu eingebrachter
Abänderungsantrag blieb bei der Abstimmung allerdings in der
Minderheit. Auch ein eigenständiger Gesetzesantrag der SPÖ und ein
Entschließungsantrag der FPÖ zu dieser Frage fanden keine Mehrheit.
Damit sollte auch eine Ausweitung des Instruments auf
ArbeitnehmerInnen, die mit einem schwer erkrankten Angehörigen im
gemeinsamen Haushalt leben, erreicht werden.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger (ÖVP) hob im Zuge der Debatte hervor,
dass Eltern während des Lockdowns vor besonderen Herausforderungen
standen und dies auch weiterhin tun. Das System der
Sonderbetreuungszeit habe funktioniert und werde weiter
funktionieren, zeigte er sich überzeugt. In der ersten Geltungsphase
haben ihm zufolge 25.000 ArbeitnehmerInnen Sonderbetreuungszeit in
Anspruch genommen, wobei zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer
waren. Am häufigsten wurde das Instrument demnach in Wien genutzt.

Es seien vor allem Frauen, die "zum Handkuss kommen", wenn Schulen
oder Kindergärten geschlossen sind, hielt Barbara Neßler (Grüne)
fest. Ein Recht auf Sonderbetreuungszeit wäre ihr zufolge auch den
Grünen lieber gewesen, nichtsdestotrotz sieht sie dieses Instrument
als wichtige Unterstützung für Betroffene. Keine Notwendigkeit eines
Rechtsanspruchs erkennt hingegen Rebecca Kirchbaumer (ÖVP).

Vorrangig müsse es darum gehen, Schulen und Kindergärten
offenzuhalten, betonte NEOS-Abgeordnete Martina Künsberg Sarre. Es
brauche Klarheit für Eltern und kluge Maßnahmen. Ihrer Meinung hat es
die Regierung aber verabsäumt, über den Sommer kreative Ideen zu
entwickeln, was Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher
jedoch zurückwies. Man sei gut vorbereitet, versicherte sie.

Seitens der FPÖ wies Peter Wurm generell auf die schwierige Lage in
Österreich hin. Er fürchtet, dass die Wirtschaft weiter nicht in die
Gänge kommen wird, wenn Mut und Zuversicht fehlten. Das werde sich
auch auf die Arbeitslosigkeit niederschlagen. Man müsse endlich in
den Normalzustand übergehen, forderte er. Die vorgesehenen
Hilfsmaßnahmen würden zwar ein bisschen helfen, seien letztendlich
aber Stückwerk, so Wurm.

Nationalrat debattierte Sozialbericht 2019

Zuvor hat der Nationalrat über den schon im Dezember vergangenen
Jahres vorgelegten Sozialbericht 2019 debattiert und diesen
einstimmig zur Kenntnis genommen. Der Bericht informiert über die
Entwicklungen am Arbeitsmarkt, im Arbeitsrecht, in der
Sozialversicherung, im Bereich Behinderung und Pflege, in der
allgemeinen Sozialpolitik, in der Gesundheitsversorgung und im
Konsumentenschutz. So geht aus dem Bericht etwa hervor, dass die Zahl
der unselbständig Beschäftigten im Jahr 2018 mit 3,661.127 ein
Rekordniveau erreichte und die Arbeitslosenrate bei 7,7% lag (-0,8%
gegenüber 2017). Ebenso wird auf die im internationalen Vergleich
hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen und die enormen Unterschiede
bei der Pensionshöhe zwischen Männern und Frauen aufmerksam gemacht.
An gesetzlichen Änderungen stechen unter anderem die Ausdehnung der
zulässigen Höchstarbeitszeit - Stichwort 12-Stunden-Tag -, die
Neugestaltung der Mindestsicherung, Verbesserungen bei der
Notstandshilfe und die umfassende Sozialversicherungsreform hervor.

Die Gesamtausgaben für Pensionen im Bereich der gesetzlichen
Pensionsversicherung lagen 2018 bei 37,73 Mrd. €. Das
durchschnittliche Pensionsalter stieg um knapp vier Monate auf 60,4
Jahre. Für die Mindestsicherung wurden im selben Jahr Geldleistungen
in der Höhe von 889 Mio. € aufgewendet. Naturgemäß nicht
berücksichtigt sind im Bericht die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
auf den Arbeitsmarkt und die soziale Lage.

SPÖ und NEOS brachten zwei Entschließungsanträge betreffend der
Aufnahme von Flüchtlingskindern von Lagern auf griechischen Inseln
ein. Diese fanden allerdings keine Mehrheit.

Grüne Forderung nach Lohntransparenz und flächendeckender
Kinderbetreuung

Die Grünen wiesen in der Debatte auf eine Ungleichverteilung von
Löhnen und Pensionen zwischen Männern und Frauen hin. Armut in
Österreich sei weiblich, so die Mandatarin der Grünen Meri Disoski.
Mangelende Lohntransparenz führe zu einem Gender-Pay-Gap, dieser zu
einem Gender-Pension-Gap und dazu käme ein Mangel an Kinderbetreuung
und folglich Teilzeitarbeit bei Frauen, erklärte sie weiter. Disoski
wies auf Gespräche mit dem Koalitionspartner hin, die
Lohntransparenz, Eltern- und Partnerteilzeit, Pensionssplitting und
den flächendeckender Ausbau von Kinderbetreuung zum Thema hätten. Sie
freue sich außerdem, dass die Sozialpartner nun eine langjährige
Forderung der Grünen zum Ausbau der Kinderbetreuung forcieren würden,
so Disoski.

NEOS: Abschlagsfreie Frühpension ist "Männerfrühpension"

Das Thema Pensionen griffen auch die NEOS in der Debatte auf. Fiona
Fiedler (NEOS) übte Kritik an der abschlagsfreien Frühpension, die
sie als "Männerfrühpension" und als das teuerste Pensionsgeschenk vor
den Wahlen bezeichnete. Sie vergrößere nicht nur das Pensionsloch um
weitere drei Mrd. €, sondern auch den Gender-Pension-Gap, erklärte
Fiedler. Laut einer Anfragebeantwortung profitieren bis dato
hauptsächlich Männer mit ohnehin hohen Pensionen, erklärte die
NEOS-Mandatarin.

Sozialhilfegesetz neu und 12-Stunden-Tag unter Beschuss der SPÖ

Kritik an sozialpolitischen Beschlüssen vergangener Jahre kam von
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Er erinnerte an den unter
Schwarz-Blau beschlossenen 12-Stunden-Tag, der weder etwas mit
Gesundheit noch mit Sozialem zu tun habe, so Muchitsch. Außerdem
kritisierte er das Sozialhilfegesetz Neu. Der Verfassungsgerichtshof
habe wesentliche Teile aufgehoben und diese seien bis heute nicht
verbessert worden, betonte der SPÖ-Sozialsprecher.

Abseits des Sozialberichts kamen in der Debatte auch aktuelle
Maßnahmen im Zuge von COVID-19 zur Sprache. Muchitsch äußerte
Unverständnis dafür, dass der Bildungsbonus erst für jene gelten
solle, die mit Schulungen im Oktober starten und nicht für jene, die
sich bereits in solchen befänden. Außerdem forderte er, dass die
Regelung zu Leistungen für NotstandsbezieherInnen in der Höhe des
Arbeitslosengeldes in einer geplanten Verordnung nicht nur bis
Jahresende, sondern auch darüber hinaus gelten solle.

Freiheitliche für Erhalt des Bargelds

Die Freiheitlichen würdigten aus dem Bereich Konsumentenschutz die
Schlichtungsstellen sowie den Internet-Ombudsmann als gut
funktionierend. FPÖ-Konsumentenschutzsprecher Peter Wurm kritisierte
allerdings, dass im Bereich der Smart-Meter-Stromzähler die
KonsumentInnen auf der Strecke blieben, da es keine wirkliche
Opt-Out-Lösung gebe. Hinsichtlich des im Zuge der Corona-Krise
seltener angenommenen Bargeldes sehe er Alarmzeichen aus Brüssel. Es
gebe Anzeichen für ein Euro-Digitalgeld, so Wurm. Die Freiheitlichen
würden für den Erhalt des Bargeldes weiterkämpfen.

ÖVP sieht berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung gestärkt

Die ÖVP sieht im Bereich "Menschen mit Behinderung" Fortschritte. So
verwies Kira Grünberg (ÖVP) auf den Nationalen Aktionsplan, der nun
um ein Jahr verlängert würde und auf breiter Basis ein neuer Plan
erarbeitet werde. Außerdem betonte sie, dass die berufliche Teilhabe
durch eine Erhöhung des Budgets gestärkt würde. Dazu beitragen würden
auch die weiterentwickelten Angebote für Menschen mit Behinderungen
und ein ausgeweiteter Rechtsschutz, was durch ein Inklusionspaket
2017 möglich geworden sei, so Grünberg. (Fortsetzung Nationalrat)
gs/gun

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch
via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in
der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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