• 24.07.2020, 22:00:17
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Samstag, 25. Juli 2020, von Mario Zenhäusern: "Zu Tode gespart ist auch gestorben"

Innsbruck (OTS) - Statt endlich eine Entscheidung über die künftige
strategische Ausrichtung der heimischen Landesverteidigung zu
treffen, hungert die Bundesregierung das Bundesheer seit Jahren
finanziell aus. Jetzt wehren sich die Offiziere.

Seit Jahrzehnten steht die Bundesregierung in Sachen Budgetierung des
österreichischen Bundesheeres auf der Bremse. Der einzige ernst zu
nehmende Versuch, diese Abwärtsspirale aufzuhalten, datiert aus dem
Jahr 2002, als die „Kleine Koalition“ aus ÖVP und FPÖ sich zum Ankauf
der Eurofighter durchrang. Ein Entschluss, der für zahllose
politische und wirtschaftliche Verwicklungen sorgte und durch
Nachverhandlungen zur Absurdität verkam. Von einer
Luftraumüberwachung, die diesem Namen gerecht wird, kann heute nicht
mehr gesprochen werden.
Dem Kaputtsparen des Bundesheeres Einhalt gebieten wollte Thomas
Starlinger, Verteidigungsminister im Kabinett von
Übergangs-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Der Generalmajor listete
im Bericht „Unser Heer 2030“ auf, woran es im Heer in erster Linie
krankt: am Geld. Starlingers Fazit: Nur wenn die seit Jahren immer
größer werdende Lücke zwischen den Aufgaben des österreichischen
Bundesheeres und den dafür bereitgestellten Mitteln geschlossen
werde, könne der Schutz der Bevölkerung weiter gewährleistet werden.
Natürlich lässt sich über die Notwendigkeit eines Bundesheeres für
Österreich trefflich streiten. Es gibt gute Gründe, die für eine
strategische Neuausrichtung des Heeres sprechen – mit allen
Konsequenzen, z. B. was die immerwährende Neutralität anbelangt.
Nicht weniger gut argumentierbar ist das Festhalten an den aktuellen
Strukturen. Laut Statista-Umfrage im Herbst 2019 vertrauen 70 Prozent
der Menschen in Österreich dem Bundesheer. Die Bundesregierung indes
bleibt dieses klare Bekenntnis seit Jahren schuldig. Die für 2020
vorgesehenen Militärausgaben in Höhe von 2,546 Milliarden Euro sind
zum Sterben zu viel, aber zum Leben zu wenig. Zumal das Budget laut
Finanzrahmen bis 2023 auf 2,45 Mrd. Euro (0,54 Prozent des BIP)
sinken soll. Zum Vergleich: Italien gab im Vorjahr 1,4 Prozent des
BIP für das Heer aus, Deutschland 1,3 Prozent.
Die heftige Kritik ranghoher Militärs aus den Bundesländern belegt
die Unzufriedenheit der Truppe und ihrer Kommandanten mit dem
Ist-Zustand. Die Politik muss jetzt endlich entscheiden, wie die
Landesverteidigung der Zukunft ausschauen soll – konventionell wie
bisher, also mit Panzern, Abfangjägern etc., oder mit neuen
inhaltlichen Schwerpunkten (Cyber- beziehungsweise ABC-Abwehr,
Katastrophenschutz). Diese Entscheidung ist dann konsequent
umzusetzen. Dazu braucht es in erster Linie Geld. Sonst droht der
Patient zu sterben, bevor die Operation begonnen hat.

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