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Leitartikel "Unvermögen, Sündenböcke, Machtspiele" vom 9. Juli 2020 von Christian Jentsch
Innsbruck (OTS) - Während die USA rund 60.000 Corona-Neuinfektionen
am Tag verzeichnen, reicht die Trump-Regierung den Austritt aus der
Weltgesundheitsorganisation ein. Ein in der Corona-Krise
gescheiterter US-Präsident kämpft ums politische Überleben.
Von Christian Jentsch
In den USA grassiert die Corona-Pandemie, nach offiziellen Angaben
haben sich bisher bereits mehr als drei Millionen Menschen mit dem
Coronavirus infiziert – mehr als in jedem anderen Land weltweit.
Wobei die Dunkelziffer weit höher liegen dürfte. Und der Schrecken
ist noch nicht vorbei, ganz im Gegenteil: Mehrere US-Bundesstaaten –
besonders im Süden – meldeten zuletzt täglich neue Höchstwerte an
Neuinfektionen.
Mitten in der beispiellosen Notlage hat die Regierung von
US-Präsident Donald Trump nun offiziell ihre Austrittsankündigung aus
der Weltgesundheitsorganisation (WHO), einer Sonderorganisation der
Vereinten Nationen, eingereicht. Eine Entscheidung, die Trump nach
harscher Kritik an der WHO bereits im Mai angekündigt hatte.
Trump fuhr schwere Geschütze gegen die WHO auf: Sie habe viel zu spät
über die Verbreitung des neuartigen Virus in China berichtet und
stecke mit der Führung in Peking unter einer Decke. Er und die
Mitglieder seiner Regierung sprachen vom Wuhan-Virus und schoben die
Verantwortung für die vielen Toten – auch in den USA – Peking und der
Weltgesundheitsorganisation zu. Peking hätte die Epidemie stoppen
können, die WHO habe durch ihr Missmanagement und ihre Hörigkeit
gegenüber Peking die Krise weiter dramatisch verschlimmert.
Trumps harsche Kritik an der Politik Pekings, das den Ausbruch der
Epidemie lange vertuschen wollte und dann auf brachiale Methoden zur
Eindämmung des Virus setzte, hat ihre Berechtigung. Auch die
Behauptung, dass China großen Einfluss auf die WHO habe und der
äthiopische Generaldirektor Tedros ein Kandidat Chinas sei, ist nicht
von der Hand zu weisen.
Nur: Auch die USA als bisher größter Geldgeber haben die Geschicke
der UNO-Organisation wesentlich mitbestimmt. Und der offensichtlich
überforderte US-Präsident hat in der Corona-Pandemie als
Krisenmanager komplett versagt. Bei der Bekämpfung des Virus
verspielte er wertvolle Zeit – obwohl die Pandemie die USA erst nach
Asien und Europa traf. Trump übte sich lieber im Verharmlosen und
Schönreden. Und als das Desaster seiner Politik offensichtlich wurde,
musste er Sündenböcke finden. Schließlich steht in den USA eine
Präsidentenwahl bevor und er liegt in Umfragen hinter seinem
demokratischen Konkurrenten Joe Biden.
Und: Trump ist das Gesicht einer schwächelnden Weltmacht, die im
Begriff ist, ihre weltweite Führungsrolle Stück für Stück aufzugeben.
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