- 09.06.2020, 22:00:01
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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Schwarz-Grün muss sich neu erfinden", von Peter Nindler
Ausgabe vom Mittwoch, 10. Juni 2020
Utl.: Ausgabe vom Mittwoch, 10. Juni 2020 =
Innsbruck (OTS) - Die Grünen stecken als Koalitionspartner ebenfalls
in der Krise der Tiroler ÖVP. Deshalb befindet sich die schwarz-grüne
Landesregierung in einer schwierigen Phase. Ob ein Neuanfang ohne
personelle Veränderungen gelingt, ist fraglich.
Es ist das politische Schlamassel der Tiroler Grünen, dass sie
stets in die Schwierigkeiten ihres Koalitionspartners mit
hineingezogen werden. Plötzlich stehen sie ebenfalls mittendrinnen,
wenn sich die Tiroler Volkspartei wie jetzt mit der verbalen
Entgleisung von Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler
(„widerwärtiges Luder“) herumschlägt. Oder seit Wochen mit dem „Wir
haben alles richtig gemacht“-Corona-Krisenmanagement von
Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (VP). Von den Grünen wird Haltung
gefordert, die allerdings nur schwer auszumachen ist.
Die Ökopartei kritisiert zwar einen Schritt vorwärts, um dann wieder
um zwei Schritte zum Koalitionsfrieden zurückzurudern. Es werden
sichtbare Konsequenzen verlangt, aber keine Rücktritte. Wer kennt
sich da noch aus? Wahrscheinlich nicht einmal die Grünen selbst. Was
bei der „Luder“-Affäre verschärfend hinzukommt, sind die
Reibungsflächen im Natur- und Umweltschutz. Da hat Umweltreferentin
LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) ohnehin ein seit Jahren durchaus
konfliktgeladenes Verhältnis zu den Umweltorganisationen.
2014 sah sich die Umweltreferentin in der Tiroler
Kraftwerksdebatte mit Rücktrittsaufforderungen des WWF konfrontiert.
Dass NGOs mehr fordern, als für die Grünen politisch in einer
Koalition mit der Tiroler ÖVP möglich ist, liegt auf der Hand. Doch
Felipe kann damit nur schwer umgehen, weil sie sich stets
missverstanden fühlt. Und in der Überzeugung handelt, ihr Bestes zu
geben, was offensichtlich als nicht gut genug empfunden wird. Aber
wie geht es jetzt weiter?
Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) will endlich Ruhe haben und
stabile Verhältnisse in der Koalition, um die wirtschaftlichen und
sozialen Folgen der Corona-Krise zu überwinden. Nach dem
selbstverschuldeten Querlauf in der ÖVP wächst zugleich der Druck auf
die Grünen, endlich auf Veränderungen in der Regierung zu drängen.
Schließlich wird ihnen immer wieder vorgeworfen, ihre Grundsätze zu
verraten und Sesselkleber zu sein. Deshalb befindet sich Schwarz-Grün
in einer angespannten Phase. Wohl auch deshalb, weil Günther Platter
mehr denn je einen politischen Befreiungsschlag benötigt. Denn
Geisler ist zu nahe am Landeshauptmann.
Schlussendlich muss sich die schwarz-grüne Regierung rasch neu
erfinden. Ob das nur mit Inhalten und ohne neue Köpfe geht, ist
derzeit die zentrale Frage. ÖVP und Grüne werden die Koalition nicht
so einfach aufs Spiel setzen. Mittlerweile geht es jedoch um mehr und
bei Platter um Führungsstärke in der Regierung. Und in der Tiroler
ÖVP.
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