- 05.05.2020, 22:00:32
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Mittwoch, 6. Mai 2020, von Markus Schramek: "Die Kultur, ein politisches Leichtgewicht"
Innsbruck (OTS) - Österreich kehrt unter den Vorzeichen von Corona in
den neuen Alltag zurück. Kunst und Kultur finden sich am Rand wieder
und warten noch immer auf eine Zukunftsperspektive. Es fehlt eine
Lobby, eine Stimme von Gewicht.
Koste es, was es wolle! So lautete fast schon euphorisch das Motto zu
Beginn der Corona-Krise, ausgerufen vom Finanzminister der Republik.
Die Milliarden begannen zu rollen, immer heftiger, doch die
schleunigst geschnürten Hilfspakete (= Steuergeld, das der
Steuerzahler einst wieder zurückzahlen muss) erreichten nicht alle
Betroffenen.
Zwei Monate nach der wundersamen Geldvermehrung tingelt Österreich
wieder zurück in Richtung normal bzw. eben in Richtung dessen, was
pro futuro unter „normal“ zu verstehen ist. Fast jeder hat nun so
etwas wie den weiteren Fahrplan vor sich. Vom Kindergartenkind bis
zum Großunternehmer hat der Staat den Rahmen für den Neustart
abgesteckt.
Ein großer Teil der Kreativszene tappt dagegen immer noch im
Dunkeln: Musikerinnen und Musiker, Sängerinnen und Sänger des ernsten
und unterhaltenden Fachs, Schauspieler, Bühnenarbeiter und
-techniker, all jene freiberuflichen Kräfte also, die auf Engagements
und Aufträge angewiesen sind und sich nach bald acht Wochen
verordneter Zwangspause am Rand ihrer Existenz wiederfinden.
Der Kulturbereich ist beim Wiederhochfahren der Republik vollends
ins Hintertreffen geraten. Die Frage, ob und unter welchen Auflagen
heuer noch Veranstaltungen möglich sein werden, taugt bestenfalls als
Ratespiel. Die Zeit für ernsthafte Planungen ist längst abgelaufen.
Erst Mitte Mai werden neue Veranstaltungsregeln verkündet. Man
darf gespannt sein, ob diese auch noch letzte Reste von Klarheit
beseitigen oder tatsächlich so etwas wie eine Handlungsanleitung
darstellen. Immerhin, die Supertanker des sommerlichen
Festivalreigens in Bregenz und Salzburg (wo just heuer das
100-Jahr-Jubiläum auf dem Programm steht) dürfen noch auf Rettung
hoffen. Unter welchen Verrenkungen, das wird sich zeigen.
So torkelt Österreichs Kulturleben dem Abgrund entgegen. Es fehlen
klare Ansagen von oben. Es fehlt eine anerkannte politische Stimme,
die gehört wird und deren Wort Gewicht hat. Es zeigt sich einmal
mehr, dass Kultur im Machtgefüge der Bundesregierung bestenfalls ein
Anhängsel ist, federleicht und angenehm zu tragen, wenn es gilt,
Förderungen zu verteilen oder Ausstellungen zu eröffnen. Ein
Anhängsel, das flugs zur Seite bugsiert wird, sobald die Zeiten
härter werden.
Eine Kulturnation – als solche titulieren führende Repräsentanten
des Landes Österreich gerne. Die nächsten Wochen werden offenbaren,
wie viel von dieser Kulturnation noch übrig bleibt.
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