- 20.03.2020, 12:45:58
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- OTS0096
AK Chefökonom Marterbauer: Hohes Budgetdefizit ist ökonomisch notwendig und sozial sinnvoll
Eine rasche Umsetzung gemeinsamer Finanzierungs- und Investitionsmaßnahmen auf EU-Ebene ist ebenfalls notwendig.
Utl.: Eine rasche Umsetzung gemeinsamer Finanzierungs- und
Investitionsmaßnahmen auf EU-Ebene ist ebenfalls notwendig. =
Wien (OTS) - Für das Corona-Jahr 2020 ist in jedem Fall mit einem
hohen Budgetdefizit im Ausmaß von mehreren Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu rechnen, sagt AK Chefökonom Markus
Marterbauer. Doch dieses Defizit ist ökonomisch notwendig und sozial
sinnvoll.
Erstens steht die österreichische (wie die europäische) Wirtschaft
vor einer schweren Rezession, die im Budget nicht abgebildet ist. Die
volle Wirksamkeit der automatischen Stabilisatoren vor allem bei den
Staatseinnahmen (Lohn- und Einkommensteuer,
Sozialversicherungsbeiträge ua) und den Ausgaben für Arbeitslosigkeit
ist ein wichtiges Instrument, um Wirtschaft und Arbeitsmarkt zu
stabilisieren.
Zweitens werden die direkt mit der Bekämpfung der Covid19-Krise und
ihrer Folgen in Verbindung stehenden Maßnahmen sehr teuer. Das von
der Bundesregierung angekündigte 38 Mrd-Paket setzt sich aus dem
bereits bekannten 4 Mrd-Krisenbewältigungsfonds sowie drei neuen
Komponenten zusammen: 10 Mrd Steuerstundungen für Unternehmen mit
Umsatzeinbußen, 9 Mrd Haftungen und Garantien und 15 Mrd Notfallhilfe
für besonders betroffene Branchen. Was davon im Budget 2020 schlagend
wird, ist nicht genau abschätzbar, weil etwa die Inanspruchnahme der
Haftungen und Garantien von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung
abhängt. „Es wäre sinnvoll, die Haftungen und Notfallhilfen an
Kriterien zu binden: Etwa an die Inanspruchnahme von Kurzarbeit statt
Kündigungen, den Verzicht auf Dividendenausschüttung und die
Begrenzung von Managergehältern“, sagt AK Chefökonom Markus
Marterbauer.
Auch für 2021 wird das Defizit voraussichtlich hoch sein, vor allem,
wenn sich die hohe Zahl an Arbeitslosen verfestigt. „Es ist
ökonomisch unvernünftig und gefährlich für 2021 wieder ein
Nulldefizit als Ziel vorzugeben. Die vordringliche Aufgabe der
Budgetpolitik ist es jetzt, die Finanzierung der zusätzlich
notwendigen Ausgaben für die Funktionsfähigkeit des
Gesundheitssystems, die Stabilisierung von Unternehmen, Beschäftigung
und Einkommen bereitzustellen und die Überwindung der Krise zu
betreiben, kurzum, den Wohlstand der Menschen zu sichern“, sagt AK
Chefökonom Markus Marterbauer.
Wenn die Maßnahmen der Bundesregierung und der Sozialpartner Erfolg
haben sollen, gibt es eine unabdingbare Voraussetzung: Eine rasche
Umsetzung gemeinsamer Finanzierungs- und Investitionsmaßnahmen auf
EU-Ebene. Nur so kann es gelingen, dass aus der Wirtschaftskrise
keine Finanz- und Eurokrise wird, von der Österreich wirtschaftlich
und sozial massiv negativ betroffen wäre.
Europäische Zentralbank und Europäische Kommission sind bereit,
pragmatisch zu handeln. Das neue 750 Mrd € Pandemic Emergency
Purchase Programme (PEPP) im Ausmaß von etwa 6% des BIP der Eurozone
belegt dies in eindrucksvoller Weise und wird wesentlich zur
Stabilisierung beitragen. Für die Funktionsfähigkeit der Eurozone
sollte der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB möglichst flexibel
erfolgen (keine Beschränkung auf 1/3 der nationalen Staatsanleihen;
keine Verknüpfung mit Austeritätsvorgaben; ideal wäre ein
vollständiger Aufkauf der durch Corona entstehenden Staatsschulden).
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) sollte ausgeweitet
werden, sowohl was sein Finanzierungsvolumen, als auch die
Verwendungsmöglichkeiten betrifft. Das Auflegen von gemeinsamen
Eurobonds der Euroländer („Corona-Bonds“) wäre ein weiteres
Instrument, um nationalstaatliche Verschuldungs-und Bankenkrisen zu
vermeiden. Die EZB hat die Eigenkapitalanforderungen für Banken
gelockert, dennoch kann die Wirtschaftskrise leicht zu einer
neuerlichen Bankenkrise mutieren. Um dies zu verhindern, wäre es
sinnvoll, die europäischen Banken unter strengen Auflagen
(Beschränkung von Dividendenzahlungen und Boni) mit EU-Mitteln zu
rekapitalisieren.
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