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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Freitag, 20. März 2020, von Peter Nindler: "Im getriebenen Krisenmodus"

Innsbruck (OTS) - Die Zahnräder für die Bewältigung der Corona-Krise
bewegen sich zwischen Bund und dem Land Tirol nicht immer wie
ge­schmiert. Das liegt nicht nur daran, dass Tirol im
Krisenmanagement zuletzt auch in einen Rechtfertigungsmodus geraten
ist.

Das heimische Krisenmanagement gegen das Coronavirus ist irgendwie an
einem toten Punkt angekommen. Es bewegt sich zwischen hintennach oder
zu schnell vorneweg. Gegen die katastrophalen ökonomischen Folgen
hilft hauptsächlich Geld, weil die Wirtschaft nahezu zum Erliegen
gekommen ist. Um die rasante Ausbreitung der Krankheit zu verhindern,
wird hingegen tagtäglich eine neue Einschränkung verkündet.
Offensichtlich ein wenig unkoordiniert oder spätabends wie die
Quarantäne für alle 279 Tiroler Gemeinden. Ein durchaus notwendiger
Schritt, aber er zeigt, wie getrieben die Einsatzstäbe derzeit
agieren (müssen).
Es sei auch keine Schande, zu sagen, dass man mit den
Erkenntnissen von heute durchaus noch früher Entscheidungen getroffen
hätte, meinte LH Günther Platter (VP) am Mittwochabend. Zu diesem
Zeitpunkt gab es zur landesweiten Isolation keine Alternative mehr,
denn zu viele Tiroler Ski-Hochburgen vermeldeten bereits
Corona-Fälle. Einen Fleckerlteppich von Quarantäne-Gebieten hätte das
Land nicht mehr rechtfertigen können, schon das Isolieren von Sölden
vom übrigen Ötztal war ein Grenzgang. Was im Paznaun oder St. Anton
zu spät erfolgte, verordnete die Landesregierung vor zwei Tagen
allerdings überfallsartig.
Das führt erneut zu einer gewissen Verunsicherung, weil die
„Ausgangssperren“ doch einigen Interpretationsspielraum zulassen. Was
ist erlaubt und was nicht? Wo der Bund noch leicht die Handbremse
zieht, lässt sie Tirol bereits los. Hier wäre eine bessere Abstimmung
zwischen der Bundesregierung und im speziellen Fall dem Land Tirol
nicht nur notwendig, sondern unabdingbar. Schon am Sonntag hat das
nicht funktioniert, als Tirol mit viel strengeren, aber von einigen
doch als lebensfremd bezeichneten Schritten wie dem Verbot von
Spaziergängen im Freien vorgeprescht ist. Wien hat Innsbruck dann
„zurückverordnet“, jetzt gibt es erneut unterschiedliche Regelungen.
In Notsituationen benötigt es vor allem Transparenz, eine klare
Sprachregelung und nachvollziehbare Entscheidungen. Aber keinen
überzogenen Föderalismus, der plötzlich in einen Rechtfertigungsmodus
gerät, der das Krisenmanagement unnötig überlagert. Weil es vor Ort
auch zu viel Nähe zwischen den Entscheidungsträgern und den örtlichen
Interessenvertretern gibt.
Das alles muss kritisch hinterfragt werden und die
Oppositionsparteien in Tirol pflocken diese Fragen naturgemäß bereits
jetzt ein. Damit sie nach der Krisenbewältigung nicht vergessen
werden. Das gilt sowohl für das Land als auch die Bundesregierung.

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