• 15.12.2019, 11:00:17
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Erste-Group-Chef Andreas Treichl auf Ö3: über sein neues Gehalt, die Position als Finanzminister und den Tod seines Bruders

Wien (OTS) - Die Übersiedlungskartons sind bereits fertig gepackt –
in den nächsten Tagen bezieht Andreas Treichl, Noch-Generaldirektor
der Erste Group, sein neues Büro als Aufsichtsratschef der Erste
Stiftung. Im großen Abschiedsinterview in Ö3-„Frühstück bei mir“
zieht der Manager nach 22 Jahren an der Spitze der Bank Bilanz:
„Eigentlich sollte niemand so lange ein Unternehmen führen, sonst
denkt man noch, man ist unverwüstlich. Es war aber eine unfassbar
tolle Zeit, weil sie so unterschiedlich war.“

Wehmut ist bei dem 67-jährigen Bankenchef nicht zu spüren, im
Gegenteil, er bestätigt Aufbruchsstimmung zu haben: „Ich freue mich
auf die neue Tätigkeit, weil sich mein Leben verändern wird“, meinte
er im Gespräch mit Ö3-Moderatorin Claudia Stöckl. „Ich nehme mir
sicher mehr Zeit, um über die Zukunft nachzudenken. Ich habe in den
letzten Jahren starke Meinungen zu vielen Themen entwickelt und da
möchte ich auch in die Tiefe gehen. Ich möchte mit vielen Menschen
auch außerhalb des Bankbereichs reden, Leuten von NGOs oder
Wissenschaftlern. Es wird schon ein anderes Leben werden.“ Denn, das
Wichtigste für einen guten Manager ist, laut Treichl: „Man muss immer
die Kraft haben sich zu überlegen, was muss ich heute machen, damit
wir in der fernen Zukunft erfolgreich sind. Das heißt nicht im
nächsten oder übernächsten Jahr, sondern in zehn Jahren.“ Was er, der
in manchen Jahren mit 4,4 Millionen Euro Jahresgehalt Österreichs
bestverdienender Manager war, ab 2020 verdienen wird? Treichl lacht
im Ö3-Gespräch: „Als Aufsichtsrat der Stiftung verdiene ich gar
nichts, vielleicht ein paar tausend Euro im Jahr, ich weiß das nicht
einmal. Aber ich bekomme dann Pension, die wird wohl ziemlich gut
sein und ich habe ja auch angespart. Mein Vermögen steckt in meinem
Haus in Leogang und in Erste-Bank-Aktien.“ Den Plan einer
dreimonatigen Weltreise „mit dem Rucksack nach Bhutan, Neuseeland,
Australien, Fidschi, Papua-Neuguinea“ hat er vertagt, „denn unser
18-jähriger Sohn hat im Mai Matura. Damit ist vor allem meine Frau
noch sehr beschäftigt.“ Er selber habe viele Angebote von
Gastprofessuren, auch in Los Angeles oder San Francisco: „Jetzt ist
es noch zu früh dafür, aber ich könnte mir schon vorstellen für
einige Monate ins Ausland zu gehen.“

Ob er sich vorstellen kann Finanzminister der neuen Regierung zu
werden, sollte ihn Sebastian Kurz fragen? Treichl dazu auf Ö3: „Er
wird mich mit 100%iger Sicherheit nicht fragen. Wir kennen uns gut
und schätzen einander sehr. Dieses Verhältnis sollte man nicht
riskieren, indem ich ihm als Finanzminister dienen würde, weil da die
Wahrscheinlichkeit relativ hoch wäre, dass wir uns nicht verstehen
würden. Ich habe mich 22 Jahre lang daran gewöhnt keinen Chef zu
haben – abseits meines Aufsichtsrates – da möchte ich mich nicht mehr
umstellen.“ Zu einer aktuellen Frage rund um eine mögliche
Investition der Republik Österreich, nämlich weitere Anteile an den
Casinos Austria zu kaufen, um eine ausländische Mehrheit zu
verhindern, hat Treichl allerdings eine klare Meinung: „Warum muss
ein Staat an Casinos beteiligt sein? Wenn ich Lotterie oder
Glücksspiel regulieren will, dann regulier ich das so, dass möglichst
wenig Unglück dadurch entsteht, aber dazu muss ich nicht daran
beteiligt sein. Die zweite Frage ist das Steueraufkommen: Und da
würde ich sicherstellen, dass – wem auch immer das österreichische
Glücksspiel gehört, ob Lotterien oder Casinos – der aber hier in
diesem Land dafür ordentlich Steuern zahlen muss. Aber auch dazu muss
ich nicht beteiligt sein, sondern das kann ich auch gesetzlich
festlegen.“ Für die Zukunft der Sparer/innen sieht Treichl jedenfalls
„dass wir viele Jahre mit diesen niedrigen Zinsen leben müssen.“ Und
er beruhigt: „Ich glaube nicht, dass wir in eine katastrophale Krise
kommen in den nächsten Jahren.“

Im Ö3-Interview äußerte sich Treichl auch zum ersten Mal zum
Suizid seines älteren Bruders Michael am 16. Juni 2017, dem 65.
Geburtstag von Andreas Treichl: „Ich muss jeden Tag daran denken, so
etwas ist sehr schwer zu verarbeiten und damit lebe ich. Aber ich
lebe in Frieden damit. Man denkt natürlich immer darüber nach: ‚Wie
konnte sowas passieren?‘ Und man fragt sich auch selber: ‚Hab ich was
falsch gemacht? Hab ich was dazu beigetragen?‘ Aber man findet die
Antwort nicht.“ Zwei Monate vor dem Tod des Bruders war dessen Schloß
Parnham in der südenglischen Grafschaft Dorset abgebrannt – ob
Andreas Treichl diese Tragödie im Leben seines Bruder als Grund für
die Verzweiflungstat sieht? Treichl dazu: „Man weiß nicht, was
passiert ist und ich bin ehrlich gestanden auch nicht sicher, ob ich
es wissen will.“ Auch Depressionen wurden in den vielen Berichten der
britischen Presse über den Tod von Top-Banker Michael Treichl als
mögliche Ursache gehandelt. Treichl erklärt dazu: „Kann auch sein.
Dann muss man sich natürlich wirklich Vorwürfe machen. Wenn das ein
Krankheitsbild war, muss man sich dann selber auch fragen: ‚Du kennst
ihn jetzt 65 Jahre und hast dir das nie überlegt.‘ Damit umzugehen
ist jedenfalls nicht einfach.“

Ö3-„Frühstück bei mir“ – das große Interview der Woche,
Persönlichkeiten ganz persönlich – jeden Sonntag von 9.00 bis 11.00
Uhr im Hitradio Ö3 und zum Nachhören auf der Ö3-Homepage.

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