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Neuer Nachname eines Straftäters darf nicht veröffentlicht werden

Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit dem Artikel „Pediküre für Schwerverbrecher“, erschienen in der „Kronen Zeitung“ vom 23. Juli 2019. Der Artikel verstößt nach Meinung des Senats gegen Punkt 5 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Persönlichkeitsschutz).

Im Artikel wird über den „Häfen-Alltag“ in der Justizanstalt Stein in Krems berichtet. Dem Artikel zufolge würden dort raue Sitten herrschen, vor allem da sich die Justizwachebeamten mit „Kalibern“ wie dem 83-jährigen „Inzest-Vater“ Josef F. herumschlagen müssen. In dem Zusammenhang wird berichtet, dass Josef F. sich um 545,60 Euro einen neuen Nachnamen gekauft habe. Sowohl der alte als auch der neue Nachname werden dabei genannt. Ein Leser kritisiert, dass die Namensänderung von Josef F. für die Öffentlichkeit nicht relevant sei, und der Mann das Recht habe, dass nicht alles aus seinem Leben veröffentlicht werde. Die Medieninhaberin nahm am Verfahren nicht teil.

Der Senat hält fest, dass auch rechtskräftig verurteilte Straftäter über schutzwürdige Anonymitätsinteressen verfügen und die Medien deshalb nicht in jedem Fall den vollständigen Namen eines Straftäters veröffentlichen dürfen. Die Preisgabe der Identität verurteilter Straftäter in den Medien kann nämlich zu einer – aus medienethischer Sicht problematischen – Prangerwirkung führen. Ob die Anonymitätsinteressen eines verurteilten Straftäters gegenüber den Veröffentlichungsinteressen des Mediums überwiegen, ist im Einzelfall zu prüfen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei Josef F. um einen der bekanntesten Straftäter Österreichs, die von ihm begangenen Straftaten sind als außergewöhnlich und schwerwiegend zu qualifizieren; er wurde u.a. wegen Mordes verurteilt. Bei solchen schwerwiegenden Straftaten ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit entsprechend groß, sodass die Nennung des vollen Namens des Täters grundsätzlich möglich erscheint.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch darum, ob der neue Name des Täters, den dieser zehn Jahre nach der Entdeckung der Straftat angenommen hat, genannt werden darf. Dem Senat scheint es naheliegend, dass die Namensänderung Josef F. dazu diente, gegenüber neu ankommenden Strafgefangenen in der Justizanstalt anonym zu bleiben; er war wiederkehrend körperlichen Angriffen ausgesetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Nennung des neuen Namens die körperliche Sicherheit von Josef F. innerhalb der Justizanstalt gefährdet. Nach Auffassung des Senats wurde der Name in erster Linie deshalb veröffentlicht, um die Neugierde gewisser Leserinnen und Leser zu befriedigen. Der Senat gelangt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall die Anonymitätsinteressen gegenüber den Informationsinteressen der Allgemeinheit überwiegen und geht daher von einer Persönlichkeitsverletzung aus.

Der Senat fordert die Medieninhaberin auf, die Entscheidung freiwillig in der „Kronen Zeitung“ zu veröffentlichen oder bekanntzugeben.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Rückfragen & Kontakt:

Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830

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