• 05.12.2019, 10:42:00
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  • OTS0085

Demographische Entwicklung verschärft Ärztemangel in Wien

WIFO-Studie geht von einer zunehmenden ärztlichen Versorgungslücke aus – Erhöhtes Maß an Multimorbidität bedingt auch ein erhöhtes Maß an Versorgungsbedarf

Utl.: WIFO-Studie geht von einer zunehmenden ärztlichen
Versorgungslücke aus – Erhöhtes Maß an Multimorbidität bedingt
auch ein erhöhtes Maß an Versorgungsbedarf =

Wien (OTS) - Wien wird in den kommenden Jahrzehnten mit einem
deutlichen demographischen Wandel konfrontiert sein. Während 2018 der
Anteil der über 80-Jährigen 5 Prozent der Bevölkerung ausmachte, wird
er bis 2050 auf 11 Prozent zulegen. In absoluten Zahlen ausgedrückt
bedeutet das einen Anstieg der über 80-Jährigen von derzeit knapp
500.000 Österreicherinnen und Österreichern auf mehr als eine
Million. ****

Diese Veränderung wird in vielen Bereichen zu Herausforderungen
führen, die verstärkt im Gesundheitswesen spürbar sein werden, da mit
der Alterung der Bevölkerung auch der medizinische Versorgungsbedarf
einer Gesellschaft steigt. „Damit Hand in Hand geht ein zusätzlicher
Bedarf an Ärztinnen und Ärzten für die Versorgung dieser
Bevölkerungsteile, der aber den Projektionen zufolge nicht
ausreichend gedeckt werden wird“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der
Ärztekammer für Wien, anlässlich der Präsentation einer Studie des
Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zur
„Geriatrischen Versorgung in Wien im Kontext des demographischen
Wandels“.

Bezugnehmend auf die zu erwartende demographische Entwicklung geht
das WIFO von einem Anstieg des gesamten Ärztebedarfs von 18 Prozent
bis zum Jahr 2030 beziehungsweise von knapp 47 Prozent bis zum Jahr
2050 aus. Der geringste Bedarfsanstieg wird bei niedergelassenen
Fachärzten, der höchste bei Spitalsärzten erwartet.

Gleichzeitig wird der ärztliche Zeitaufwand auf Basis der
Bevölkerungsprognose für die Betreuung geriatrischer Patientinnen und
Patienten steigen. „Während heute 22 Prozent des ärztlichen
Zeitaufwands in Krankenanstalten auf die Gruppe der Über-85-Jährigen
entfallen, wird dieser Anteil bis 2050 auf 34 Prozent zunehmen“,
betont Ulrike Famira-Mühlberger, Co-Autorin der Studie und
stellvertretende Leiterin des WIFO.

Ein Kernthema der WIFO-Studie ist die zu erwartende Lücke zwischen
künftigem Ärzteangebot und Ärztenachfrage. Diese sei durchaus markant
und werde auch bei optimistischen Annahmen bis 2050 auf mehr als ein
Zehntel der Nachfrage geschätzt, so Co-Autor Gerhard Streicher. In
der niedergelassenen Allgemeinmedizin sei sie laut dem WIFO-Ökonomen
mit einem Drittel am höchsten.

Michael Junker, Arzt in der Abteilung Akutgeriatrie und
Remobilisation im SMZ-Süd, sieht „aufgrund der Studienergebnisse
sowie meiner langjährigen Erfahrungen aus der Praxis und den
aktuellen Ist-Zustand der Wiener geriatrischen Patientenbetreuung
kennend, einen Ausbau der Akutgeriatrie in allen Wiener Spitälern als
dringend erforderlich.“

Für Ärztekammerpräsident Szekeres sind die Studienergebnisse ein
Wegweiser der künftigen Entwicklung der ärztlichen
Versorgungsstruktur in Wien: „Daraus erkennen wir den künftigen
Bedarf an Ärztinnen und Ärzten für Wien im Zusammenhang mit einer
älter werdenden Bevölkerung, die aufgrund von Multimorbidität auch
ein erhöhtes Maß an Versorgung benötigen wird. Schon jetzt fehlen in
Wien in etwa 300 Spitalsärzte und 300 Kassenplanstellen, um den noch
hervorragenden Status quo unseres Gesundheitssystems aufrechterhalten
zu können.“

Gesundheitsausgaben auf 12 Prozent des BIP anheben

Allein in den letzten zehn Jahren ist die Wiener Bevölkerung um
200.000 Personen gewachsen, die Zahl der Kassenärzte aber um mehr als
100 zurückgegangen, und die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in den
Gemeindespitälern stagniert. Szekeres: „Deswegen kommt es zu
überfüllten Ambulanzen sowie langen Wartezeiten in den Spitälern und
Kassenordinationen.“ Dem müsse entgegengesteuert werden, sowohl
seitens der Landespolitik als auch seitens der Bundespolitik durch
die künftige Bundesregierung. Die von der ehemaligen Regierung
versprochene Gesundheitsmilliarde im Zuge der Kassenfusion müsse
endlich kommen, gleichzeitig müssten Maßnahmen getroffen werden,
damit in Österreich Studierende auch nach Abschluss des
Medizinstudiums im Land blieben und nicht abwanderten.

Und auch hinsichtlich der öffentlichen Gesundheitsausgaben hat
Österreich – im Vergleich mit Ländern wie Deutschland oder der
Schweiz – Aufholbedarf. Denn die Gesundheitsausgaben sind im
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in Österreich mit 10,3 Prozent im
Vergleich zu Deutschland (11,2 Prozent) und der Schweiz (12,2
Prozent) die niedrigsten. In den vergangenen 20 Jahren verzeichnete
Österreich zudem im Verhältnis zur Wirtschaftskraft im Vergleich mit
den beiden Nachbarländern den geringsten Anstieg bei den
Gesundheitsausgaben. Szekeres: „Somit stelle ich die Forderung an die
künftige Bundesregierung, die öffentlichen Gesundheitsausgaben auf
zumindest 12 Prozent des BIP anzuheben.“ (bs)

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