• 20.11.2019, 22:00:02
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  • OTS0224

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 21. November 2019. Von MANFRED MITTERWACHAUER. "Brüchig wie das ewige Eis".

Innsbruck (OTS) - Im Kampf für bzw. gegen die Gletscherehe
Pitztal/Ötztal offenbaren sich gleich mehrere Bruchlinien in der
Haltung der Tiroler zum Tourismus. Die Hoffnung der Politik, diese
mannigfachen Spaltungen kitten zu können, ist trügerisch.

Ein Aus für den Skigebietszusammenschluss von Ötztaler mit Pitztaler
Gletscher wird das Weltklima nicht retten. Da hat Bergbahnenchef
Jakob Falkner Recht. Aber ebenso wenig wird das Pitztal im Fall einer
Genehmigung mit einem Schlag aller (wirtschaftlichen)
Entwicklungssorgen ledig sein. Die von Gegnern wie Befürwortern ohne
erkennbares Zeichen auf Versöhnung geführte Debatte zeigt
schonungslos auf, wie gespalten die Bevölkerung in Fragen des
Tourismus bereits ist.
Bis zu einem rechtskräftigen Behörden-Entscheid dürften noch viele
Jahre ins Land ziehen. Das hat uns das Skischaukelprojekt Kappl-St.
Anton gelehrt. Allein fünf Jahre hatte es von der
Umweltverträglichkeitsprüfung bis hin zum Erkenntnis des
Bundesverwaltungsgerichts gedauert. Und das Gericht gab der
Skiverbindung einen Korb. Und was für einen. Gegner prophezeien der
Gletscherehe ein ähnliches Schicksal. Ein „Plan B“ ist im Pitztal
vorerst nicht in Sicht. Ob es überhaupt einen gibt? Zumindest wird er
nicht öffentlich kommuniziert. Stattdessen wird auf
Generationenverantwortung gepocht, um Druck aufzubauen. Überzeugende
Alternativen können aber auch die Gegner keine bringen – ihre
Folgegenerationen sind anderweitig versorgt.
Bereits die negative Volksbefragung zu Olympischen Winterspielen 2026
hat gezeigt, dass Fragen nach der touristischen Entwicklung des
Landes trefflich polarisieren. Hier die Täler, deren Lebensadern über
Jahrzehnte fast ausschließlich über den Massentourismus gespeist
wurden. Dort die transitgeplagte Inntalfurche. Die einen wollen nicht
länger „der Auspuff“ der Gästehochburgen sein, die anderen wehren
sich gegen die wirtschaftliche Bevormundung aus dem Ballungsraum.
Schuldig bleiben sich beide Seiten vieles.
Neben der Generationenfrage und dem Stadt-Land-Graben stellt die
Klimafrage den dritten gesellschaftlichen Spalter im Tourismus dar.
Eine Debatte, die derzeit in Tirol allzu oft nur eine Richtung nimmt:
Wer wird verlieren und wer gewinnen?
Im Falle von Pitztal/Ötztal ist der verfahrensrechtliche Zug in
voller Fahrt. Doch die Polarisierung tut weder dem Tourismus noch dem
gesellschaftlichen Klima in Tirol gut. Sowohl ÖVP als auch Grüne
haben ihrer Klientel viel versprochen. Vieles, das jetzt eingefordert
wird, aber kaum eingehalten werden kann. Die Fortschreibung des
Seilbahn- und Skigebietsprogramms zeugt davon. Es schürt weiter
Hoffnungen, Ängste und Spekulationen. Auf beiden Seiten. Dies ist ein
idealer Nährboden
für weitere Graben-
kämpfe.

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