Innsbruck (OTS) - Schneller als erwartet sind die Grünen in der
Casinos-Affäre mit dem Problem konfrontiert, die eigenen Werte nicht
zu verraten und gleichzeitig die ÖVP nicht vor den Kopf zu stoßen.
Wie beide diese Frage lösen, wird richtungsweisend.
Die SPÖ hat es vorige Woche im Nationalrat nicht geschafft, den
Grünen Verrat an deren eigenen Werten vorzuwerfen. Zu durchsichtig
war der Versuch, Ideen der Grünen als eigenen Antrag einzubringen und
dann zu kritisieren, dass die Ökopartei nicht mitstimmt. Diese Taktik
aus dem kleinen Einmaleins der Oppositionsarbeit ist zu bekannt, um
damit jemanden überraschen zu können.
Wesentlich unangenehmer ist angesichts der Koalitionsverhandlungen
die Casinos-Affäre. Die Grünen haben einen Ruf als Kontrollpartei zu
verteidigen. Gleichzeitig dürfen sie die ÖVP nicht vor den Kopf
stoßen, sollen die Gespräche nicht schon in einer frühen Phase zum
Scheitern verurteilt sein.
Fürs Erste gelingt die Gratwanderung. Die Sondersitzung des
Nationalrats zur Casinos-Affäre haben die Grünen gemeinsam mit SPÖ
und NEOS beantragt. Die (frühere) Opposition steht gegen die Partner
ÖVP und FPÖ zusammen.
Noch ist das Risiko überschaubar. Schwieriger wird es mit der Frage
des Untersuchungsausschusses. Der wäre nicht in einem Tag
abgehandelt, sondern würde sich über Wochen und Monate ziehen,
jedenfalls weit in die Zeit einer möglichen türkis-grünen Koalition.
Die Sprengkraft wäre nicht zu unterschätzen.
Früher als erwartet stehen die Grünen vor der Probe aufs Exempel, wie
sie es mit der Aufklärung der türkis-schwarzen Vergangenheit halten
wollen. Der Umgang, den Grüne – und ÖVP – damit finden, wird auch
eine Ahnung davon geben, wie die Grünen den Wechsel von der Rolle des
scharfen Kritikers in die der Mit-Regierenden schaffen.
Parteichef Werner Kogler betont, dass er sich Kontrolle nicht
verbieten lassen will. Wie denn auch? Die ÖVP war seit 1986 ohne
Pause an der Regierung. Und mehr als 30 Jahre der nachprüfenden
Kontrolle zu entziehen, wäre nicht denkbar.
Fürs Erste versucht es Kogler mit breiter Brust. Er treibt selbst die
Einsetzung eines U-Ausschusses an. Gleichzeitig will er der ÖVP ein
Transparenzpaket abringen. Wir erinnern uns: Fortschritte in dieser
Hinsicht gab es immer dann, wenn eine Affäre zu verarbeiten war. Die
Chancen dafür stehen also gut.
Kogler muss so agieren, um die eigenen Werte nicht zu verraten.
Früher als von ihr selbst erhofft steht damit aber auch die ÖVP vor
der Probe aufs Exempel, wie sie mit einem selbstbewussten
Juniorpartner umgeht, der als langjährige Oppositionspartei die
Kontrolle in den Genen trägt.
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