• 09.10.2019, 10:00:17
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  • OTS0046

DACH-Studie belegt eklatanten Ärztemangel in Österreich

Weitere Verschärfung durch Pensionierungswelle – Österreich hinkt bei Gesundheitsausgaben hinter Deutschland und Schweiz zurück

Utl.: Weitere Verschärfung durch Pensionierungswelle – Österreich
hinkt bei Gesundheitsausgaben hinter Deutschland und Schweiz
zurück =

Wien (OTS) - Die heute, Mittwoch, präsentierten Ergebnisse einer
DACH-Studie zu den Gesundheitsausgaben in Österreich, Deutschland und
der Schweiz des Berliner IGES Instituts und des Forschungsinstituts
für Freie Berufe der Wirtschaftsuniversität Wien belegen einmal mehr
die Warnungen der Ärztekammer: Es gibt zu wenig Ärztinnen und Ärzte
in Österreich sowohl im niedergelassenen Bereich als auch in den
Spitälern, der durch die kommende Pensionierungswelle noch weiter
verschärft werden wird. ****

Die Studienergebnisse ermöglichen eine präzise Standortbestimmung
und das Identifizieren von Verbesserungspotenzialen. „Insbesondere im
Hinblick auf die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen und die
Gesundheitspolitik der künftigen Bundesregierung liefert die Studie
wertvolle Grundlagen zu den Fragen, wo Österreich im internationalen
Vergleich steht und was wir brauchen“, betont dazu der Vizepräsident
der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer, Johannes Steinhart.
Gerade in der Diskussion über den Ärztemangel wurde über viele Jahre
in den OECD-Statistiken mit Zahlen operiert, die keinen tragfähigen
internationalen Vergleich ermöglichten. Steinhart: „Das führte zu dem
weit verbreiteten Fehlurteil, Österreich hätte – trotz aller von den
Patienten erlebbaren Versorgungengpässen – keine Ärzteknappheit,
sondern bloß ein Verteilungsproblem. Dieser Irrtum ist eine der
Ursachen von vielen gesundheitspolitischen Versäumnissen der
vergangenen Jahrzehnte.“

In zehn Jahren werden mehr als ein Drittel aller Ärztinnen und
Ärzte im pensionsfähigen Alter sein, bei niedergelassenen Ärztinnen
und Ärzten sogar fast 50 Prozent. Somit gehen jedes Jahr Stellen
verloren, die bei Weitem nicht mit jungen Medizinerinnen und
Medizinern nachbesetzt werden können. Der mittelfristige jährliche
Nachbesetzungsbedarf liegt bei mindestens 1.450 Ärztinnen und Ärzten
pro Jahr, um zumindest den Status quo zu erhalten. „Allerdings sind
wir weit davon entfernt, diesen Bedarf decken zu können. An den
öffentlichen und privaten Universitäten gibt es jährlich etwa 1.400
Medizinabsolventen, aber nur 60 Prozent davon nehmen ärztliche
Tätigkeiten in Österreich auf. Es gibt also ein reales Potenzial von
nur 840 Absolventen pro Jahr, und das sind um 610 zu wenig, um den
tatsächlichen Bedarf zu decken“, warnt Steinhart.

Rezepte gegen den Ärztemangel gäbe es genügend. In der Schweiz und
in Deutschland werden etwa Stipendien vergeben, wenn sich der oder
die Studierende verpflichtet, nach Abschluss des Studiums einige
Jahre in einer bestimmten Region oder einem Spital zu arbeiten. Ein
Modell, dass etwa schon in Niederösterreich Nachahmung fand: ein
Kreditzuschuss für Studierende an der Universität Krems, verbunden
mit der Verpflichtung, nach Studienende in einer Krankenanstalt des
Landes Niederösterreich oder als niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
für die Dauer der Kreditrückzahlung in Niederösterreich tätig zu
sein.

Falsche Entscheidungen durch unrealistische Daten

Co-Studienautor Leo Chini, Leiter des Forschungsinstituts für
Freie Berufe an der WU Wien, wies in seiner Präsentation unter
anderem darauf hin, dass ein Problem der österreichischen
Gesundheitspolitik darin liege, dass oft mit unrealistischen Daten
operiert werde: „Gerade aufgrund falscher Ärztezahlen wurden viele
falsche Entscheidungen getroffen und es wurden die Weichen falsch
gestellt. Die Politik ging aufgrund der OECD-Berichte von eine
besonders hohen österreichischen Ärztedichte und von einer
Überversorgung aus, von der jedoch in der Realität nicht die Rede
sein kann.“

Martin Albrecht, Studienleiter und Geschäftsführer
Gesundheitspolitik des IGES Instituts Berlin, zeigte auf, dass
Österreich im Dreiländervergleich in puncto Gesundheitsausgaben im
Verhältnis zum BIP mit 10,3 Prozent hinter Deutschland (11,2 Prozent)
und der Schweiz (12,2 Prozent) nachhinke: „In den vergangenen 20
Jahren verzeichnete Österreich im Verhältnis zur Wirtschaftskraft
zudem den geringsten Anstieg der Gesundheitsausgaben.“

Auch die öffentlichen Gesundheitsausgaben pro Kopf sind im letzten
Jahr in Österreich gemäß DACH-Studie mit 4.033 US-Dollar die
niedrigsten der drei Länder (Schweiz 4.600 USD, Deutschland 5.056
USD). Auf der anderen Seite zeigen die Studienergebnisse, dass der
Anteil stationärer Leistungen (inklusive Rehabilitation, ohne Pflege)
an den gesamten Gesundheitsausgaben in Österreich im
Dreiländervergleich mit 44 Prozent am höchsten ist. In Deutschland
liegt dieser Anteil bei 39 Prozent, in der Schweiz bei 36 Prozent.
Sehr hoch ist in Österreich die Zahl der Krankenhausaufenthalte mit
23.067 pro 100.000 Einwohner. In Deutschland ist diese Häufigkeit mit
23.455 noch etwas höher, in der Schweiz mit etwas mehr als 15.000
aber deutlich niedriger.

Zu den Berechnungsmethoden der Ärztedichte merkte Albrecht an,
„dass die Grundlagen der OECD-Berechnungen von Land zu Land sehr
unterschiedlich sind“. In Österreich wurden in der Vergangenheit
Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung stets als gleichwertig mitgezählt,
obwohl sie noch nicht voll versorgungswirksam sind, bei der
Berechnung der Ärztedichte anderer Länder werden Ärztinnen und Ärzte
in Ausbildung aber nicht mitgezählt. Daraus resultierte die
Behauptung, dass Österreich in Europa die zweithöchste Ärztedichte
habe. Albrecht: „Erhebt man die Zahlen der zur selbstständigen
Berufsausbildung berechtigten Ärztinnen und Ärzte auf Basis eines
Vollzeitäquivalents, so liegen Österreich und Deutschland mit 3,56
bzw. 3,55 pro 1.000 Einwohner gleichauf und im europäischen
Mittelfeld. In der Schweiz ist diese Zahl mit 3,31 etwas niedriger.“

Ein weiterer für die Beurteilung des künftigen Ärztebedarfs
maßgeblicher Faktor ist laut Albrecht die Altersstruktur: „Der Anteil
der Ärztinnen und Ärzte im Alter von mehr als 65 Jahren hat seit dem
Jahr 2010 in allen drei Ländern klar zugenommen und beträgt
inzwischen in Deutschland 54,1 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte und
in der Schweiz 54,8 Prozent. In Österreich ist er mit 55,9 Prozent am
höchsten. Das bedeutet einen von Jahr zu Jahr zunehmenden Bedarf an
zusätzlichen Ärzten, wenn das heutige Versorgungsniveau
aufrechterhalten werden soll. Vor dieser Herausforderung stehen alle
drei untersuchten Länder.“ (bs)

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