• 28.05.2019, 13:11:46
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  • OTS0146

Parlamentarisches Gebetsfrühstück im Zeichen der Regierungskrise

Fraktionsübergreifende Gebetsveranstaltung auf Einladung von Nationalratspräsident Sobotka mit zahlreichen Politikern und Vertretern von 18 christlichen Konfessionen sowie aus Judentum und Islam - Referenten plädieren für Feindesliebe, Demut und Mäßigung als politische Tugenden

Utl.: Fraktionsübergreifende Gebetsveranstaltung auf Einladung von
Nationalratspräsident Sobotka mit zahlreichen Politikern und
Vertretern von 18 christlichen Konfessionen sowie aus Judentum
und Islam - Referenten plädieren für Feindesliebe, Demut und
Mäßigung als politische Tugenden =

Wien (KAP) - Es war schon lange geplant und bekam aufgrund der
Regierungskrise den Charakter eines fraktionsübergreifenden Gebets
für Österreich: das dritte parlamentarische Gebetsfrühstück, das auf
Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) im
Ausweichquartier des Hohen Hauses am Dienstagmorgen in der Hofburg
stattfand. Vertreter von 18 christlichen Kirchen sowie von Judentum
und Islam waren der Initiative Sobotkas und des
parteienübergreifenden Komitees des Gebetsfrühstücks gefolgt. Gäste
aus 25 Nationen waren gekommen, unter ihnen der EU-Sonderbeauftragte
für Religionsfreiheit und stellvertretende Vorsitzende des
slowakischen Nationalrats, Jan Figel.

Österreich befinde sich "in bewegten Zeiten, aber nicht in einer
Staatskrise" hielt Sobotka eingangs fest. Aufgrund der Vorgänge der
letzten Tage habe die Politik "großen Erklärungsbedarf". Nach dem
gestrigen Tag, der durch ein Misstrauenvotum das Ende für die
amtierende Regierung brachte, gelte es innezuhalten und "auch an den
zu denken, der alles lenkt und uns jeden Tag zum Geschenk macht".
Politik dürfe sich nicht über einen Machtanspruch definieren, sondern
habe einen Gestaltungsauftrag, so der Nationalratspräsident, der mit
Psalm 23 ("Der Herr ist mein Hirte") schloss.

Seitens der katholischen Kirche waren der neue Nuntius in Österreich,
Erzbischof Pedro Lopez Quintana, der St. Pöltner Diözesanbischof
Alois Schwarz, die Wiener Weihbischöfe Franz Scharl und Stephan
Turnpvszky, Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schika und der
bisherige Geschäftsträger der Nuntiatur, Msgr. George George
Panamthundil, gekommen. An der Spitze der orthodoxen und
altorientalischen Kirchen standen der griechisch-orthodoxe Metropolit
Arsenios (Kardamakis) sowie der der neue armenisch-apostolische
Erzbischof Tiran Petrosyan. Die Freikirchen in Österreich waren durch
ihren Präsidenten Reinhold Eichinger vertreten.

Für politische Gegner beten

Anstelle von Kardinal Christoph Schönborn, der wegen Rekonvaleszenz
nicht teilnehmen konnte, hielt Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck die
Bibellesung. Als "Geheimwaffe zur Überwindung von Konflikten"
beschrieb der frühere Abt von Stift Heiligenkreuz die von Christus im
Lukasevangelium (Lk 6,27-28) geforderte Feindesliebe. Zu ihr gehöre
ganz wesentlich auch das Gebet für den politischen Gegner: "Aber
nicht als Gebt, dass er so wird, wie ich will", sondern dass man ihn
in seinem Anderssein annimmt.

Sehr persönliche Worte fand der deutsche Bundestagsabgeordnete Bernd
Rützel. Als einer der drei Moderatoren des fraktionsübergreifenden
Gebetskreises im Deutschen Bundestag führte er aus, dass sich die
Gruppe jede Woche am Freitag für eine Stunde zum Gebet trifft. "Man
betet und tauscht sich aus, die Kirche spielen dabei keine Rolle, in
der Mitte steht Jesus Christus." Oft stelle er, Rützel, sich in
wichtigen Situationen dabei die Frage, wie sich Jesus Christus wohl
entschieden hätte. Dieser Perspektivenwechsel und der Halt in Gott
lasse einen aufleben und mache frei auch von politischen Zwängen,
bekannte der SPD-Politiker.

Glaube öffentlich zeigen

"Beeindruckt von der großen Gelassenheit, wie man in Österreich mit
der gegenwärtigen politischen Situation umgeht", zeigte sich der
deutsche Sachbuchautor Manfred Lütz. Unter Bezugnahme auf sein im
Vorjahr erschienenes Buch ("Der Skandal der Skandale. Die geheime
Geschichte des Christentums") plädierte der Theologe und Psychiater
für mehr Sachwissen und Bekennermut: "Wir müssen uns öffentlich
bekennen und auch die Leistungen des Christentums benennen." Dies
entspreche durchaus einer aufgeklärten Haltung, so Lütz unter Verweis
auf Jürgen Habermas. Dieser sei bei seiner Rede 2001 in der
Frankfurter Pauluskirche nach den 9/11-Anschlägen dafür eingetreten,
dass der säkulare Staat seine religiösen Bürger gerade auch als
religiöse Menschen wieder ernst nehmen müsse. Dafür stehe das
parlamentarische Gebetsfrühstück.

"Das Christentum taugt als geistiges Fundament Europas mehr denn je",
zeigte sich der langjährige Vatikan-Berater überzeugt. So sei etwa
der Toleranzbegriff eine sprachgeschichtliche Erfindung des
Christentums. Die dem Christentum eingeschriebene Internationalität
und Feindesliebe seien völlig neu im Vergleich zu den damaligen
religiösen Vorstellungen und Stammesmentalitäten gewesen. Erst vor
dem Hintergrund der christlichen Feindesliebe und Gewaltlosigkeit
seien dann gewalttätige Handlungen wie die Kreuzzüge als echter
Skandal zu brandmarken. Weil Christen im Fremden, im Leidenden, im
Behinderten und Kranken Jesus selbst begegnen, seien Gastfreundschaft
und die Erfindung von Krankenhäusern ein Wesenszug des Christentums.
Dies sollte den Christen wieder mehr bewusst werden, "die sich oft
ihrer Geschichte schämen, ohne sie wirklich zu kennen".

Für Demut und Mäßigung als wichtige christliche Haltungen für
Menschen mit großer Verantwortung plädierte Veit
Schmid-Schmidsfelden. Der Präsident des Forums christlicher
Führungskräfte und Chefverhandler beim Metaller-Kollektivvertrag auf
Arbeitgeberseite mahnte die Bereitschaft zum Kompromiss ein. Aus
langjähriger Erfahrung bei schwierigen Verhandlungen komme man immer
zu einem verantwortungsvollen Ergebnis, "wenn man das Gegenüber als
Menschen annimmt". Der Grund der großen wirtschaftlichen Krisen der
letzten Zeit - von der Finanzkrise bis zur Krise der
Automobilindustrie - seien Hybris und fehlende Demut gewesen.
Christsein heißt, an Jesus Maß zu nehmen und vieles im Leben als
Geschenk anzunehmen, empfahl der Industrielle.

Das Gebetsfrühstück endete mit Fürbitten, die Politiker verschiedener
Parteien und unterschiedlicher christlicher und religiöser
Bekenntnisse sprachen. Neben Sobotka und Figel waren das die
Nationalratsabgeordneten Elisabeth Feichtinger (SPÖ), Martin
Engelberg (ÖVP) und Efgani Dönmez, die EU-Abgeordnete Barbara Kappel
(SPÖ) sowie die OSZE-Beauftragte für Religionsfreiheit, Prof.
Ingeborg Gabriel. Moderiert und maßgeblich vorbereitet wurde das
Gebetsfrühstück von der ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler
und vom FPÖ-Abgeordneten Christian Ragger. Für die musikalische
Gestaltung sorgte die ökumenische Initiative KISI - "God's singing
Kids".

Im Parlament in Wien gibt es seit 1981 regelmäßige kleinere Treffen
von Abgeordneten zum Austausch und Gebet, an denen seit 2016 alle
Fraktionen vertreten sind. Sie treffen sich dazu in der Regel
monatlich vor den Plenarversammlungen des Nationalrats. Bekanntheit
erlangte diese interreligiöse und fraktionsübergreifende Initiative
in Österreich, die seit über 60 Jahren in den USA praktiziert wird,
durch das erste nationale und öffentliche Gebetsfrühstück 2017 im
Parlament in Wien.

((ende)) PWU/GPU
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