Innsbruck (OTS) - Das Innsbrucker Stadtrecht verkommt zur beliebigen
Spielwiese der Politik. Unter dem Deckmantel von Regierbarkeit und
Beteiligungsausbau errichten die Viererkoalition plus die
oppositionelle FPÖ neue demokratische Hürden.
Dass Georg Willi der erste grüne Bürgermeister einer Landeshauptstadt
ist, hat auch damit zu tun, dass in Innsbruck das politische
Oberhaupt direkt vom Volk gewählt wird. Eine große Stadtrechtsreform
ermöglichte diese demokratische Weiterentwicklung 2012. Die
Bürgermeisterdirektwahl war Kern und Anlass dieser Reform zugleich.
Eine Novelle, die an Kinderkrankheiten nicht arm war. Ein
Reparaturversuch scheiterte 2016 nicht an der hierfür nötigen
Zweidrittelmehrheit im Gemeinderat, sondern am Paragrafen-Kleinkrieg
zwischen Land- und Rathaus.
2018 warf die Gemeinderatswahl die Machtverhältnisse in Innsbruck
über den Haufen. Jetzt, ein Jahr später, legen Grüne, FI, SPÖ, ÖVP
und die oppositionelle FPÖ einen neuen Stadtrechtsentwurf vor: die
Evolution des 2016er-Entwurfs. Einer, der in der politischen
Blindverkostung kaum je den Grünen zugeschrieben würde.
Bis dato nie Thema, wird jetzt eine Vier-Prozent-Hürde für den Einzug
in den Gemeinderat eingebaut. Derzufolge hätten bei der Wahl 2018
Liste Fritz, ALI und Gerechtes Innsbruck den Einzug nicht geschafft.
Den Seniorenbund hätte nur die Koppelung an das Mutterschiff ÖVP
gerettet. Solche Hürden gibt es auch auf Landes- wie Bundesebene, sie
sind also per se nichts Ungewöhnliches. Und doch wird sie kleineren
Wahlgruppierungen jetzt das Leben schwerer machen. Zehn Fraktionen
sitzen derzeit im Gemeinderat, so viele wie nie. Handlungsfähig ist
er trotz allem – das „Regierbarkeits“-Argument der Reformbefürworter
also durchschaubar.
Innsbruck ist für „Schattenregierungen“ zu klein. Dass den
Stadtteilausschüssen jetzt aber ein grüner Bürgermeister den
Todesstoß gibt, gleicht einem politischen Treppenwitz.
Niederschwelligere Petitionen sollen das Fehlen ausgleichen – diese
fanden sich jedoch bereits im 2016er-Entwurf. Damals aber zusammen
mit der möglichen Bildung von 19 Stadtteilausschüssen! Der Blick auf
die Genese der Novelle entzaubert in diesem Punkt den
Beteiligungsausbau als Mär.
Die Senatsgröße ist weiter flexibel, das Koppeln bleibt – auch hier
waren Grüne, SPÖ und FI schon anderer Meinung. Dass die Umsetzung
einer Bürgerinitiative realpolitisch chancenlos ist, hat die
Patscherkofel-Abstimmung gezeigt. Jetzt sollen auch noch deren
Einstiegshürden steigen.
Das Innsbrucker Stadtrecht ist zur beliebigen Spielwiese der Politik
verkommen. Man dreht und wendet dieses demokratische Fundament, wie
man es gerade braucht. Davor schützt offenbar auch die nötige
Zweidrittelmehrheit nicht mehr.
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