• 08.04.2019, 22:00:01
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 9. April 2019. Von WOLFGANG SABLATNIG. "Neue Zeiten für den Föderalismus".

Innsbruck (OTS) - Das gestrige Treffen der Länder-Sozialreferenten
mit Ministerin Hartinger-Klein macht deutlich, wie sich unter
Türkis-Blau zusehends auch die Verhältnisse zwischen Bund und Ländern
ändern.

Das eigentliche Machtzentrum der Republik? Lange Zeit gab es auf
diese Frage nur eine Antwort: die Landeshauptleute – und die
Landeshauptleutekonferenz, die – auch das ein Kalauer unter
Politikbeobachtern – nicht einmal in der Verfassung verankert ist.
Solange die Mehrheiten in den Ländern denen in der Bundesregierung
glichen, war die Welt des rot-weiß-roten Föderalismus in Ordnung: SPÖ
und ÖVP teilten sich die Bundesländer auf. Und über weite Strecken
gaben diese Landesparteien und ihre mächtigen Chefs auch die Linie
der Bundesparteien vor. Die Ausnahme Kärnten änderte am Grundprinzip
nichts.
Bund gegen Länder also – oder Länder gegen Bund, je nach Standort:
Viel deutet darauf hin, dass die Zeiten dieser einfachen Einordnung
vorbei sind. Der erste große Knackpunkt ist die Mindestsicherung, wo
die Bundesregierung ihr endgültiges Modell beschlossen hat, ohne auf
die Länder zu warten. Plötzlich verlaufen die Fronten des Pro und
Contra ganz anders, entlang der Parteilinien von Türkis (bzw.
Schwarz) und Rot nämlich.
Noch einmal komplizierter wird die Sache dadurch, dass in den
ÖVP-dominierten Landesregierungen der Westachse die Sozialressorts in
grüner Hand sind.
Aber woher dieser Wandel? ÖVP-Chef Sebastian Kurz ist es gelungen,
die alte Frontstellung aufzubrechen. Im Gegensatz zu seinen
unmittelbaren Vorgängern an der Parteispitze binde er die
Landeshauptleute ein, erzählen diese in Hintergrundgesprächen. Er sei
erreichbar und bei Problemen ansprechbar, so wie dies zuletzt unter
Wolfgang Schüssel und Josef Pröll der Fall gewesen sei.
Die mächtigen Granden in den Ländern danken es Kurz mit Loyalität und
Unterstützung. Als Blitzableiter für Unmut über Wien muss der
freiheitliche Innenminister Herbert Kickl herhalten.
Bei der SPÖ wiederum müssen oder wollen die Landeshauptleute jenes
Vakuum ausfüllen, das die rote Bundespartei in der Opposition
hinterlässt.
Für die Bundesregierung wird das Regieren leichter, wenn der
Sozialhilfe weitere Brüche folgen und sich die Länder
auseinanderdividieren lassen.
Für die Bundesländer kommt die große Bewährungsprobe aber noch: Im
türkis-blauen Regierungsprogramm steht – wie in vielen zuvor – eine
„umfassende Staats- und Verwaltungsreform“. Wenn die Länder dabei
nicht zusammenhalten, drohen die neuen Zeiten schlechte Zeiten für
den Föderalismus zu werden.

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