• 01.03.2019, 22:00:01
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 2. März 2019 von Peter Nindler "Wenn der Mut nach hinten galoppiert"

Innsbruck (OTS) - Der Fernpass erstickt im Verkehr, von Lösungen ist
die schwarz-grüne Landesregierung wegen ideologischer Scheu-klappen
noch weit entfernt. Eine Mautpflicht wäre zumindest naheliegend, doch
die ÖVP agiert plötzlich kurzsichtig.

Die Verkehrspolitik ist politisch ein weites Feld. So prallen das
Recht auf freien Warenverkehr und auf die leistbare Freiheit hinter
dem Lenkrad – obwohl die Autofahrer immer häufiger im Stau stehen –
auf das Grundrecht der Gesundheit und auf EU-Schadstoffricht­linien
entlang der Verkehrsrouten. Am Fernpass spielt noch dazu die lokale
Betroffenheit eine große Rolle.
Auf der eigentlichen Staustrecke Nummer eins in Tirol kommt der
Verkehr regelmäßig zum Erliegen, die Leidtragenden dieser Situation
sind die Einheimischen. Weil sie wie die Bevölkerung im Wipptal durch
allwöchentliche Staus in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt
werden. Denn ihr Alltag staut sich selbst – vom Nahversorger bis zum
Arzt.
Über eine Lösung wird beinahe schon seit Jahrzehnten gerungen, bisher
haben ideologische Scheuklappen eine nachhaltige Erleichterung
verhindert. Ein Tunnel ist sicher kein Schreckgespenst, nur muss er
in eine Gesamtstrategie eingebettet werden. Schließlich zieht neue
Straßeninfrastruktur meist zusätzlichen Verkehr an, statt
Hauptverkehrsadern davon zu entlasten. Das sollte nämlich vorrangiges
Ziel sein und nicht noch mehr Stau wegen eines teuren Straßentunnels.
Und was nützt eine noch kostspieligere Bahntrasse, wenn sie keiner
benützt und die Verlagerung von der Straße auf die Schiene von Mensch
und Gütern lediglich eine politische Sonntagspredigt bleibt?
Straßenmauten sind naturgemäß Reibebäume, doch sie tragen zur
notwendigen Kostenwahrheit im Straßenverkehr bei. Dass sich die ÖVP
vorerst von der Mautpflicht am Fernpass verabschiedet, passt deshalb
so ganz und gar nicht zur seit Monaten vorherrschenden politischen
Zielsetzung. Denn nicht nur der Schwerverkehr belastet, sondern auch
die Millionen (Urlauber-)Pkw auf dem Weg in den Süden und zurück.
Zumindest könnten die geschätzten Einnahmen von jährlich rund 50
Millionen Euro für wichtige Umwelt- und Lärmschutzmaßnahmen verwendet
werden. Und überdies für die Querfinanzierung von Straßen- oder
Bahntunnels. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen wäre das eine
nicht unwesentliche Finanzierungsquelle.
Doch anstatt die Maut am Fernpass voranzutreiben, galoppiert die ÖVP
mit dem Mut in der Satteltasche wieder zurück. Zuerst der Tunnel,
dann die Maut, heißt ihre Devise. Angesichts des Rumorens in der
Wirtschaft eine nachvollziehbare Strategie. Aber keine, die von
visionärem Reformeifer in der Verkehrspolitik zeugt.

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