• 08.02.2019, 11:37:45
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Schönborn nach TV-Gespräch: "Das Opfer bin nicht ich"

Kardinal nach Aufsehen erregendem Gespräch mit Vergewaltigungsopfer und Ex-Nonne Doris Wagner in Bayerischem Rundfunk: Berichterstattung über vermeintliches "Outing" als Missbrauchsopfer "hat mich nicht wenig geärgert"

Utl.: Kardinal nach Aufsehen erregendem Gespräch mit
Vergewaltigungsopfer und Ex-Nonne Doris Wagner in Bayerischem
Rundfunk: Berichterstattung über vermeintliches "Outing" als
Missbrauchsopfer "hat mich nicht wenig geärgert" =

Wien (KAP) - Kardinal Christoph Schönborn hat nach seinem Aufsehen
erregenden Gespräch im Bayerischen Rundfunk (BR) mit der ehemaligen
Nonne Doris Wagner, die über ihre Vergewaltigung durch einen Priester
ein Buch schrieb, eine Klarstellung veröffentlicht: Der in eine
45-Minuten-TV-Sendung komprimierte, nicht moderierte vierstündige
Austausch sei ein "für uns beide intensives, respektvolles und
wirklich in die Tiefe gehendes Gespräch" und für ihn "eine kostbare
Erfahrung" gewesen, sagte Schönborn in einem auf der Website der
Erzdiözese Wien veröffentlichten Interview mit dem Titel "Das Opfer
bin nicht ich". Die Berichterstattung über die BR-Sendung jedoch "hat
mich nicht wenig geärgert", so Schönborn. "Manche Schlagzeilen haben
so getan, als hätte ich mich als Missbrauchsopfer geoutet."

Der Wiener Erzbischof nahm dabei Bezug auf eine Episode aus seiner
Jugend, die er Doris Wagner in dem Gespräch (und in der am 6. Februar
ausgestrahlten TV-Sendung) erzählte: Ein Priester habe ihm verbal
einen Kuss angetragen. Dies sei "sicher eine Grenzverletzung"
gewesen, "und so etwas kann der Ausgangspunkt von Missbrauch sein".
Aber ihn deswegen ein Opfer zu nennen, wie dies in manchen
Schlagzeilen über sein vermeintliches "Outing" zu lesen war, sei
bloße "Sensationshascherei", wie Schönborn anmerkte. Er selber könne
sich wegen dieser Begebenheit nicht als Opfer bezeichnen. "Das ist
den wirklichen Opfern gegenüber ungerecht." Den vielen, denen
wirklich Leid angetan wurde, "muss man zuhören, sie ernst nehmen",
betonte der Kardinal.

Er habe diese Grenzüberschreitung des sonst von ihm "sehr geschätzten
Priesters" im Kontext eines Blickes in die Vergangenheit erzählt, so
Schönborn, "als Illustration für den in den 50er Jahren noch viel
verkrampfteren Umgang mit der Sexualität". Damals habe es eine
"exzessive Konzentration der kirchlichen Morallehre und der Seelsorge
auf Sexualität" gegeben - unter Vernachlässigung etwa der sozialen
Gebote des Evangeliums. "Die Fixierung auf sexuelle Themen betrachte
ich als missbrauchsfördernd", erklärte der Kardinal im Interview mit
dem Webportal der Erzdiözese Wien.

Schönborn berichtete dabei auch, wie das nun in vielen Medien
rezipierte Gespräch zustandekam: Er hatte schon vor mehreren Jahren
von Doris Wagner gehört und "mit großer Anteilnahme" ihr Buch über
ihre Missbrauchserlebnisse ("Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte
einer jungen Ordensfrau", edition a, Wien 2014) gelesen, und er kenne
auch ihre frühere Ordensgemeinschaft "Das Werk" seit Jahrzehnten. Er
habe von sich aus die heute 34-jährige deutsche Theologin kontaktiert
und gefragt, "ob sie es für sinnvoll hielte, dass wir einmal auch
öffentlich miteinander sprechen". Wagner stimmte zu und schlug den
Bayerischen Rundfunk als Setting für ein solches Gespräch vor, "das
zugleich sehr persönlich und sehr grundsätzlich sein sollte". Dort
seien alle Beteiligten sensibel mit diesem Versuch umgegangen, auch
der davor vereinbarte Zusammenschnitt auf eine 45-Minuten-Sendung sei
für ihn gelungen gewesen, lobte Schönborn: "Von meiner Seite kann ich
mich ganz in der Sendung wiederfinden."

Auf die Frage, ob es angesichts der absehbaren "medialen Zuspitzung"
nicht angebrachter gewesen wäre, das Gespräch abseits von TV-Kameras
zu führen, antwortete der Kardinal: "Ich denke, es geht hier um eine
Kulturveränderung." Die Menschen müssten sehen: "Wenn Personen wie
Frau Wagner den Mut finden, über Missbrauch zu sprechen, der ihnen
widerfahren ist, werden sie gehört und es wird ihnen geglaubt." Und
sie müssten erfahren, "dass daraufhin auch etwas geschieht, dass es
Konsequenzen gibt", ergänzte Schönborn. Doch der "Kulturwandel des
Hinhörens und der Konsequenz" sei noch nicht abgeschlossen,
"vielleicht ist unser Gespräch ein kleiner Anstoß in diese Richtung".

((ende)) RME/HKL
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