Kardinal im TV-Gepräch mit ehemaliger Ordensfrau - Machtungleichheit ist "Uraltsünde" in der Kirche
Utl.: Kardinal im TV-Gepräch mit ehemaliger Ordensfrau -
Machtungleichheit ist "Uraltsünde" in der Kirche =
Wien-München (KAP) - Die katholische Kirche hat in der Frage des
Missbrauchs noch viel Arbeit vor sich. Es braucht noch mehr
entsprechendes Bewusstsein bei den Verantwortungsträgern und
strukturelle Reformen. Das hat Kardinal Christoph Schönborn am
Mittwochabend in einer TV-Dokumentation im Bayerischen Rundfunk (BR)
betont. Schönborn unterstrich, dass es Strukturen und Systeme in der
Kirche gibt, die Missbrauch begünstigten. Dabei gehe es vor allem um
ein Machtungleichgewicht, eine "Dynamik des Schweigens" und nicht
selten ein übersteigertes Priesterbild, welches die Gefahr des
"Autoritarismus" berge.
Im Mittelpunkt der TV-Dokumentation "Missbrauch in der katholischen
Kirche: Eine Frau kämpft um Aufklärung" stand ein Zusammentreffen
zwischen Kardinal Schönborn und der ehemaligen Ordensfrau Doris
Wagner. Der Kardinal hatte Wagner in den Studios des BR zu einem
mehrstündigen Gespräch getroffen.
Kritisch äußerte sich Schönborn in dem Gespräch über eine kirchliche
"Dynamik des Schweigens" und ein übersteigertes Priesterbild, in dem
der Priester als "sakral, unberührbar, der Herr Pfarrer" erscheine.
"Wenn dieses Priesterbild vorherrscht, ist natürlich Autoritarismus
die ständige Gefahr. Der Pfarrer bestimmt alles. Es ist die Gefahr,
dass der Pfarrer sich mehr leisten darf als die anderen", erklärte
Schönborn. Diese Machtungleichheit sei eine "Uraltsünde" in der
Kirche. Der Kardinal berichtete zudem, in seiner Jugend selbst einen
sexuellen Übergriff erlebt zu haben: Ein Priester, den er
grundsätzlich sehr schätzte, habe versucht, ihn zu küssen.
In ihrem Buch "Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte einer jungen
Ordensfrau" hatte Doris Wagner 2014 über Missbrauchserfahrungen in
der Gemeinschaft "Das Werk" berichtet. Wagner war Mitglied der
Gemeinschaft. Sie berichtet, wie sie als Ordensfrau spirituell und
sexuell missbraucht und belästigt wurde. In der Kirche stieß sie
lange Zeit auf taube Ohren. Besonders schmerzhaft sei es gewesen, so
Wagner im Gespräch mit Schönborn, dass ihr so lange niemand glauben
wollte.
Der Kardinal räumte ein, dass er oft abfällige oder ironische
Bemerkungen von Geistlichen gegenüber Ordensfrauen vernommen habe,
denen nur die Funktion des Dienens zugestanden wurde. Doch das sei
sicher nicht das Zukunftsmodell, so der Wiener Erzbischof. Die
Missbrauchskrise werde auch die Frage nach der Rolle der Frau in der
Kirche in ein neues Licht rücken, zeigte sich der Kardinal überzeugt.
Schönborn räumte weiters ein, dass in der katholischen Kirche in der
Vergangenheit viel zu sehr die Moraltheologie mit ihrer Fixiertheit
auf Sexualität im Mittelpunkt gestanden sei. Andere Themen wie die
Soziallehre seien demgegenüber in den Hintergrund getreten.
Einmal mehr warnte der Kardinal indes vor allzu großen Erwartungen im
Hinblick auf die anstehende Bischofsversammlung zum Thema Missbrauch
Ende Februar im Vatikan. Schönborn bedauerte, dass es in der Kirche,
weltweit gesehen, immer noch kein gemeinsames Bewusstsein in dieser
Frage gebe. Nicht alle Bischöfe und Kardinäle würden das
Missbrauchsthema gleich bewerten. Er könne nur hoffen, dass sich alle
Teilnehmer aufrütteln und auch erschüttern ließen und dass ein
"Heilungsprozess" die Kirche wirklich erneuere.
Doris Wagner äußerte in dem Kontext die Erwartung, dass sich die
Bischöfe in Rom auch mit Missbrauchsopfern treffen und ihnen zuhören.
Das Gespräch von Kardinal Schönborn mit Doris Wagner ist über die
Mediathek des BR-Fernsehens abrufbar. (Infos: www.br.de/mediathek)
((ende)) GPU
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