- 18.12.2018, 11:08:06
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- OTS0088
Neue Zahlen: Ärztemangel verschärft sich in Österreich rapide
Aktuelle Auswertung der Altersstatistik von 18.287 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zeigt Ist-, Prognose und Nachbesetzungsbedarf.
Utl.: Aktuelle Auswertung der Altersstatistik von 18.287
niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zeigt Ist-, Prognose und
Nachbesetzungsbedarf. =
Wien (OTS) - „Der Ärztemangel in Österreich verschärft sich spürbar
und messbar von Jahr zu Jahr“, sagte Johannes Steinhart, Obmann der
Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der ÖÄK, bei
einem Pressegespräch in Wien. „Die Auswertung der aktuellen
Altersstatistik der 18.287 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten mit
Stand Dezember 2018 zeigt: Es drohen in den kommenden Jahren
dramatische zahlenmäßige Einbrüche in der ärztlichen
Gesundheitsversorgung. Und es ist aus heutiger Sicht aussichtslos,
diesen Bedarf auch nur annähernd zu decken, wenn nicht rasch und
entschlossen gehandelt wird. Das gilt sowohl für Allgemeinmediziner
als auch für Fachärzte, sowohl für Kassenärzte als auch für
Wahlärzte.“
Heute gibt es die höchste Alters-Konzentration bei niedergelassenen
Ärztinnen und Ärzten mit einem Lebensalter um die 56-58. In 10 Jahren
werden die meisten aus dieser Gruppe bereits in Pension sein. Konkret
werden dann 48 Prozent aller niedergelassenen Ärzte, also fast die
Hälfte, das Pensionsantrittsalter erreicht haben. „Verschiebt sich
die Altersverteilung in Richtung Pensionsalter, so gehen jedes Jahr
Stellen verloren, die aber bei weitem nicht mit jungen Ärzten
nachbesetzt werden können, weil die Entwicklung insgesamt deutlich
rückläufig ist“, so Steinhart. „Die gegenwärtigen Zahlen bei den
niedergelassenen Ärzten, die schon jetzt nicht mehr für alle nötigen
Nachbesetzungen ausreichen, werden wir aus heutiger Sicht nie wieder
erreichen.“
Die Altersverteilung der niedergelassenen Ärzteschaft hat sich
zwischen 1998 und 2018 dramatisch verschoben. 1998 lag die höchste
Alters-Konzentration bei etwa 45 Jahren, heute bei etwa 60.
„Den mittelfristigen jährlichen Nachbesetzungsbedarf haben wir mit
938 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten errechnet“, so Steinhart.
Das ist die Anzahl zusätzlicher niedergelassener Ärzte, die zur
Aufrechterhaltung des Status quo in 5 Jahren benötigt werden, um die
pensionsbedingten Abgänge zu kompensieren. „Allerdings sind wir weit
davon entfernt, diesen Bedarf decken zu können. 2017 gab es an den
öffentlichen Universitäten 1.665 Absolventen eines Medizinstudiums,
und wir wissen, dass um die 40 Prozent davon nicht in Österreich als
Ärzte arbeiten werden“, sagte Steinhart. Rein rechnerisch müssten
also alle in Österreich verbleibenden Absolventen niedergelassene
Ärzte werden, um den Bedarf zu decken.
Verschärfend kommt zu diesen Berechnungen noch dazu, dass der
Ärztebedarf in Zukunft steigen wird, weil die Bevölkerung wächst und
älter und somit betreuungsintensiver wird.
Dramatische Situation bei Ärzten mit GKK-Vertrag
Dramatisch ist die Situation bei den 7.099 Ärztinnen und Ärzte mit
einem GKK-Vertrag. In 10 Jahren haben 55 Prozent aller Ärzte mit
GKK-Vertrag das Pensionsalter erreicht. Von den Allgemeinmedizinern
mit GKK-Vertrag wird jeder 2. in 10 Jahren das Pensionsalter erreicht
haben, von den Fachärzten 60 Prozent. Steinhart: „Besonders
alarmierend ist hier das sukzessive Ausbleiben des Nachwuchses. Das
steht in einem scharfen Kontrast zum mittelfristigen
Nachbesetzungsbedarf von 434 GKK-Ärzten pro Jahr.“
Einige konkrete Beispiele: Von den heute 239 praktizierenden
Orthopäden mit GKK-Vertrag werden in 10 Jahren 64 Prozent das
Pensionsalter erreichen. Bei den 394 Frauenärzten sind es über 65
Prozent, bei den 166 Urologen 58 Prozent, und bei den heute
praktizierenden 390 Fachärzten für Innere Medizin 61 Prozent. Der
zahlenmäßige Nachwuchs lässt in allen 4 Fächern zu wünschen übrig.
Steinhart: „Diese düstere Perspektive bekräftigt einmal mehr unsere
Forderungen, dass die Rahmenbedingungen der kassenärztlichen
Tätigkeit deutlich attraktiver werden müssen, damit sich junge Ärzte
wieder für einen Kassenvertrag entscheiden.“
Situation bei Wahlärzten bietet wenig Anlass zu Optimismus
„Auch die Entwicklung bei den Wahlärzten bietet wenig Anlass zu
Optimismus“, so Steinhart. Von den heute praktizierenden 10.099
Wahlärzten erreichen in den nächsten 10 Jahren fast 42 Prozent das
Pensionseintrittsalter, und bei den Jüngeren sind die Zahlen
rückläufig.
Alarmierende Fakten als Grundlage für wirksame Gegenmaßnahmen
„Diese alarmierenden Fakten sollen der Politik eine konkrete
Grundlage für wirksame Gegenmaßnahmen bieten und gewinnen vor dem
Hintergrund der ‚Kassenreform‘ und der zu gründenden
‚Österreichischen Gesundheitskasse‘ zusätzliche Aktualität“, sagte
Steinhart. „Ich hoffe sehr,
dass sich die amtierende Bundesregierung von der sorglosen
Verweigerungs-Haltung ihrer Vorgängerinnen verabschiedet und endlich
in der Bekämpfung des Ärztemangels aktiv wird.“
Mögliche Gegenmaßnahmen zeige das Beispiel Deutschland, wo das
Problem Ärztemangel politisch weitgehend unbestritten ist:
· Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ sieht dort eine Erhöhung
der Zahl der Medizinstudenten vor.
· Zahlreiche deutsche Bundesländer vergeben Landarztstipendien
bzw. planen das – wer eines bekommt, verpflichtet sich, einige Jahre
in der jeweiligen Region zu arbeiten.
· Jungärzte werden von ländlichen Regionen mit Geld und
sonstigen attraktiven Zusatzleistungen geködert.
· Immer mehr deutsche Ärztekammern – zuletzt in Niedersachsen –
befürworten als Reaktion auf den Ärztemangel die Online-Betreuungen
von Patienten auch ohne vorangegangenen persönlichen Kontakt.
„Wie immer man zu solchen Maßnahmen auch stehen mag: In Deutschland
ist jedenfalls auf breiter Basis Bewegung in die Sache gekommen“, so
Steinhart. Auch in Österreich seien einige Bundesländer bereits aktiv
geworden, für einen nachhaltigen Erfolg bedürfe es allerdings auch
wirksamer Aktivtäten auf Bundesebene. „Entscheidend wird sein, dass
die Arbeitsbedingungen von Ärzten in Österreich nicht weniger
attraktiv sind als im Ausland, insbesondere im deutschsprachigen,
sondern möglichst noch besser. Und hier besteht noch Nachholbedarf,
will man die ärztliche Abwanderung erfolgreich stoppen. Das ist nicht
nur eine Frage der angemessenen Honorierung ärztlicher Leistungen,
sondern auch von flexiblen Arbeitsmöglichkeiten und weniger
Bürokratie.“
Zu überlegen sei auch, wie sinnvoll Altersbegrenzungen für
niedergelassene Kassenärzte angesichts der Ärzte-Altersstatistik noch
sind.
Lösungsorientierter politischer Gipfel zur Behebung des
Ärztemangels
„Dringend nötig sind gemeinsame Anstrengungen aller betroffenen
Ministerien und Interessensvertretungen: Es muss ein Paket geschnürt
werden, das dafür sorgt, dass nicht nur ausreichen viele Ärzte
ausgebildet werden, sondern dass diese auch in Österreich bleiben“,
fordert Steinhart. „Wir brauchen dringend einen lösungsorientierten
politischen Gipfel zur Behebung des Ärztemangels und seiner
dramatischen Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Die
Ärztekammer ist dabei sehr gerne ein Teil der Lösung.“ (sb)
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