- 11.12.2018, 15:18:37
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CICERO, Papst Gregor und die Mindestsicherung (neu)
Ein Denkanstoß für das österreichische Bildungsbürgertum. Von Erich Holfeld

Im österreichischen Bildungsbürgertum gibt es, vereinfacht gesagt, vier politisch zuordenbare Gruppen: Die bürgerlich-konservative (ÖVP-nahe), die deutschnationale (arminische und germanische Burschenschafter, FPÖ-nahe), die sozialdemokratisch geprägte und, als jüngste Gruppe, die grün-alternative. Darüber hinaus auch viele, die sich nicht parteipolitisch einordnen lassen (würden).
Ich wollte nun wissen, was eine Frau, die man ob ihrer Lebensumstände eher im bürgerlich-konservativen Lager verorten würde, zu den von Türkis/Blau beabsichtigten Änderungen bei der Mindestsicherung sagt. Diese äußerst gebildete Dame ist Germanistin und Altphilologin. Mit Sicherheit keine „Links-linke“ oder „Links-grüne“. Sie schrieb mir:
„In meiner Wahrnehmung verfehlen die aktuellen Mindestsicherungsvorhaben gleich drei der von Cicero als für einen Menschen wie für eine Gesellschaft als unabdingbar genannten vier Kardinal-(=“Türangel“-)Tugenden. Ich sehe da weit und breit weder
IUSTITIA=Gerechtigkeit, noch
TEMPERANTIA=das Maß Halten, noch
SAPIENTIA/PRUDENTIA=Weisheit/Klugheit. Zur vierten Tugend,
FORTITUDO=Tapferkeit: Besonders mutig ist es nicht, z. B. ausgerechnet gegen die Zielgruppe der Mindestsicherungsempfänger Stimmung zu machen…
(Anm.: Cicero erfindet diese Tugend-Liste übrigens nicht, er tradiert vielmehr Aischylos [Vers 610 aus „Sieben gegen Theben“], Plato und Aristoteles).
Das frühe Christentum hat die vier von Cicero genannten Tugenden einfach übernommen (so zum Beispiel Ambrosius im 4. Jahrhundert n. Chr. Auf seine Schrift DE OFFICIIS MINISTRORUM geht auch der Begriff VIRTUTES CARDINALES=Kardinaltugenden zurück, den er synonym mit VIRTUTES PRINCIPALES=Haupttugenden verwendet). Papst Gregor I (540-604) hat den vier Kardinaltugenden die drei gottbezogenen Tugenden hinzugefügt:
FIDES=Glaube,
CARITAS=Liebe und
SPES=Hoffnung.“ Ende des Zitats.
Was hindert die Bildungsbürger*innen daran, die Regierenden an diesen (Kardinal-)Tugenden zu messen? Und wenn die Kluft zur Realität zu groß ist, dagegen aufzustehen? Eine Zivilgesellschaft braucht Zivilcourage, vor allem jene der Bildungseliten. Wenn sie die nicht hat, wird sie schon bald in einer Staatsform aufwachen, die CICERO verachtet hätte.
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Erich Holfeld
Freier Journalist,
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