Offener Brief des Beirats der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt
Der Beirat der AUVA wendet sich mit einem offenen Brief an die Regierungsverhandler.
Wien (OTS) - An
den Bundeskanzler der Republik Österreich Sebastian Kurz,
den Vizekanzler der Republik Österreich Heinz Christian Strache,
die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Konsumentenschutz Mag.a Beate Hartinger-Klein,
den Klubobmann der Österreichischen Volkspartei August Wöginger,
die design. Klubobfrau der Sozialdemokratischen Partei Österreichs Priv. Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner,
den Klubobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs Dr. Walter Rosenkranz,
die Klubobfrau von NEOS Mag.a Beate Meinl-Reisinger, MES,
den Klubobmann der Liste Pilz Dr. Bruno Rossmann,
die Präsidentin der Bundesarbeitskammer Renate Anderl,
den Präsidenten der Landwirtschaftskammer Österreich Josef Moosbrugger,
den Präsidenten der Wirtschaftskammer Österreich Dr. Harald Mahrer,
den Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbunds Wolfgang Katzian
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir, die Mitglieder des Beirates der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, haben die Regierungsvorlage zur Neugestaltung der Sozialversicherung eingehend studiert und möchten auf folgende Punkte hinweisen, die aus unserer Sicht bedenklich sind:
Die Bundesregierung betont zwar, dass es „nur“ zu Einsparungen in der Verwaltung kommt, tatsächlich wird in der AUVA aber kein Stein auf dem anderen bleiben.
Die Überführung der Unfallkrankenhäuser und Rehabilitationszentren in eine GmbH – auch wenn es sich um eine 100%-Tochter handelt – birgt die Gefahr, dass künftig rein wirtschaftliche Überlegungen in den Vordergrund rücken und es dadurch zu Verschlechterungen für die Patientinnen und Patienten kommt. Akutspitäler, die Unfallopfer behandeln, und Rehabilitationszentren, die Schwerstverletzte versorgen, können nicht mit privaten Krankenanstalten verglichen werden, die ihre Klientel nach der jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit auswählen. Wir möchten nochmals darauf hinweisen, dass die AUVA jahrzehntelange Erfahrung in der Akutbehandlung und Rehabilitation von Schwerstverletzten hat. Diese Expertise aus dem öffentlichen Bereich herauszulösen und in eine Betriebsform überzuführen, die nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen organisiert wird, ist aus unserer Sicht höchst problematisch. Kostenwahrheit ließe sich dadurch herstellen, dass die anderen Träger angemessene Kostenersätze für die Versorgung ihrer Versicherten an die AUVA leisten.
Ebenso sehen wir die Verschiebung von Versichertengruppen der AUVA an andere Träger kritisch. Die Übertragung der Beschäftigten im Bergbau ist sachlich nicht nachvollziehbar, da es sich hierbei um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer handelt, die nach dem ASVG versichert sind und für die daher die AUVA zuständig ist. Bei der Verschiebung der Selbständigen in den neuen Träger fragt sich, wieso die Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung nicht ebenso an diesen übertragen werden. Wir betonen ausdrücklich, dass es sich bei dieser Leistung um eine Unterstützung der Dienstgeber und Dienstgeberinnen handelt: Die Entgeltfortzahlung muss nämlich unabhängig davon erbracht werden, ob es einen Zuschuss der AUVA gibt oder nicht. Bezüglich der Neugestaltung der Gremien bedauern wir die Abschaffung der Kontrollversammlung und des Beirates und die ungeklärte Situation der Landesstellen.
Die Kontrollversammlung ist eine wichtige Instanz, die nicht nur Entscheidungen des Vorstandes, sondern auch die Abläufe in den Trägern kontrolliert.
Durch die massive Ausweitung der Kompetenzen des Büros verlieren die Landesstellen einen wichtigen Aufgabenbereich. Es ist nicht klar, welche Gestaltungsmöglichkeiten ihnen in Zukunft überhaupt noch bleiben. Da keine Unterausschüsse des Vorstandes mehr geschaffen werden können, wird die Versichertennähe, die ein Wesensmerkmal der Selbstverwaltung ist, massiv eingeschränkt. Dies zeigt sich besonders in der Übertragung der gesamten Leistungsangelegenheiten (vor allem die Zuerkennung von Leistungen an die Versicherten) an die Büros der Sozialversicherungsträger.
Gerade vor diesem Hintergrund bedauern wir die Abschaffung des Beirates. Wir Beiratsmitglieder vertreten die Anliegen der Versicherten und schaffen ein Verständnis dafür, was LeistungsbezieherInnen brauchen. Wir erleben die Probleme von Schwerstverletzten, PflegegeldbezieherInnen und PensionistInnen nicht nur über Gespräche mit Betroffenen. Viele von uns kennen die praktischen Auswirkungen von körperlichen Einschränkungen aus eigener Erfahrung und wir können deshalb besonders gut darauf hinweisen, wie den Versicherten bestmöglich geholfen werden kann. Wir Beiratsmitglieder weisen in den Sozialversicherungsträgern z.B. darauf hin, dass bei Neubauten besonderer Bedacht auf die Bedürfnisse von Menschen genommen wird, die mit Einschränkungen leben müssen. Personen, die die praktischen Auswirkungen von Querschnittverletzungen, Amputationen oder z.B. auch Gehörlosigkeit nicht kennen, bedenken viele Aspekte nicht, die für uns und die von uns vertretenen Menschen relevant sind.
Die Bundesregierung hat versprochen, die Leistungen für die Menschen nicht zu verschlechtern oder sogar zu verbessern.
Wir stellen die Frage, wie das gehen soll, wenn alle Gremien, die bisher für die Versichertennähe zuständig waren, beschnitten oder überhaupt abgeschafft werden.
Vor diesem Hintergrund appellieren wir an Sie, nochmals zu überdenken, ob der jetzige Gesetzesentwurf wirklich eine Verbesserung für die Versicherten mit sich bringt.
Die Bundesregierung hat selbstverständlich das Recht, Systeme zu verändern, sie hat aber auch die Pflicht, die Interessen der Bevölkerung bestmöglich zu wahren.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Klaus Voget, Vorsitzender
Hans Feizlmayr, Vorsitzender-Stellvertreter
Rückfragen & Kontakt:
Dr. Klaus Voget
Vorsitzender des Beirats der AUVA
Mobil: 0664 2637669