- 09.09.2018, 22:00:01
- /
- OTS0033
TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Montag, 10. September 2018, von Florian Madl: "Wenn Vorbilder zu Vorkämpfern werden"
Innsbruck (OTS) - Beim Skandal-Endspiel der US Open gerierte sich
Tennisstar Serena Williams als Vorkämpferin für Frauenrechte, um ihr
Fehlverhalten zu rechtfertigen. Der Fall erinnert an Mesut Özils
Rassismus-Vorwurf, von dem nichts als Scherben zurückblieben.
Serena Williams schwingt nicht nur den Tennisschläger, sondern gerne
auch die Verbalkeule. Auf Letzteres versteht sich die 36-Jährige
allerdings weniger gut, ihr am Samstag im Finale der US Open
geäußerter Sexismus-Vorwurf nach einem Strafpunkt durch den
Schiedsrichter reiht sich nahtlos in eine Serie früherer Ausrutscher
ein. Ob sie damit ihrer selbst auferlegten Mission, für Frauenrechte
einzutreten, einen guten Dienst erwiesen hat?
Doch die Unsitte, Entgleisungen mit dem Verweis auf das
vermeintlich große Ganze zu rechtfertigen, erlebt mittlerweile eine
Hochkonjunktur im Sport. Deutschlands ehemaliger
Fußball-Nationalspieler Mesut Özil posierte ungeniert mit dem
demokratiepolitisch untragbaren türkischen Präsidenten Erdogan für
ein Foto, auf Kritik reagierte er mit dem hemdsärmelig formulierten
Vorwurf des Alltagsrassismus im Nationalteam.
Doch in den Fällen Williams/Özil beschämt weniger die Aussage
offensichtlich fehlgeleiteter Sportler, sondern die daraufhin
einsetzende Lagerbildung in der öffentlichen Diskussion. Plötzlich
geht es nicht mehr darum, dass im Team von Frau Williams gegen eine
Tennisregel verstoßen wurde (Coaching) oder dass Herr Özil seinen
WM-Einsatz für einen politischen Zweck missbrauchen ließ. Plötzlich
geht es darum, sich als Kämpfer für Gerechtigkeit zu profilieren, um
damit eigene Fehltritte zu erklären. Sexismus im Tennissport? Wie
sonst kaum wo wird bei Grand-Slam-Turnieren darauf geachtet, dass
Frauen bis hin zum Preisgeld derselbe Stellenwert eingeräumt wird.
Dabei benötigen Herren drei Gewinnsätze zum Sieg und die
Öffentlichkeit nimmt ungleich mehr Notiz davon (Sponsoring!).
Und Rassismus im deutschen Nationalteam? Bereits 2007 wurde vom
Deutschen Fußballbund (DFB) eines von zahlreichen
Integrationsprojekten forciert, das Weltmeisterteam von 2014 in
Brasilien stand stellvertretend für das gelungene Miteinander von
Spielern mit unterschiedlichen Herkunftsländern. So wie in der
Schweiz, in Frankreich, in den Niederlanden, in Schweden...
Sportstars müssen in Zeiten sozialer Medien eine Sensibilität für
Meinungsbildung entwickeln, das scheint nicht überall angekommen zu
sein. Sonst entgleisen öffentliche Diskussionen wie jene im Fall
Serena Williams, wo sogar Ex-Größen und der US-Verband den Fehltritt
der Ausnahmesportlerin rechtfertigen. Die Zustimmung der Wutbürger
ist ihnen gewiss – das fassungslose Kopfschütteln der
Vernunftsfraktion ebenso.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PTT






