• 11.07.2018, 12:47:24
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  • OTS0105

Muchitsch/Todt: Offener Brief und Apell an ÖVP und FPÖ-Bundesräte 12-Stunden-Tag im Bundesrat aufzuhalten!

DIESE AUSSENDUNG WURDE KORRIGIERT
NEUFASSUNG IN AUSSENDUNG OTS_20180711_OTS0111

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       --    Neufassung in Meldung OTS0111 vom 11.07.2018     --
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Wien (OTS/SK) - „Leider ist es im Nationalrat nicht gelungen, der
Vernunft zum Sieg zu verhelfen und den 12-Stunden-Tag zu verhindern.
Daher übermitteln wir Ihnen den Offenen Brief, der an alle
Nationalratsabgeordneten gegangen ist, auch an Sie und appellieren,
dass Sie von ihrem Einspruchsrecht im Bundesrat Gebrauch machen und
diesen Anschlag auf die Rechte der ArbeitnehmerInnen verhindern“, so
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch und Fraktionsführer der
SPÖ-BundesrätInnen, Reinhard Todt, gemeinsam am Mittwoch gegenüber
dem SPÖ-Pressedienst. Im Folgenden der offene Brief im Wortlaut: ****

„Sehr geschätzte Damen und Herren BunderätInnen!

Sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz, wie auch der neue
Generalsekretär der WKÖ Karlheinz Kopf rufen zur Sachlichkeit in der
Arbeitszeitdebatte auf. Ich habe mich bemüht, in der
Nationalrats-Sondersitzung am letzten Freitag sachlich, offen und
kritisch jene Punkte aufzuzeigen, wo es noch zu einer Abänderung in
Ihrem Initiativantrag kommen soll.

Ich bin nicht gegen eine moderne Arbeitszeitflexibilisierung, aber es
geht mir um klare Spielregeln zwischen ArbeitgeberInnen und
ArbeitnehmerInnen. Dabei ist stets auf eine Ausgewogenheit zwischen
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen zu achten. Wichtig ist mir
dabei, das gesamte Lebensumfeld aller Beteiligten zu betrachten. Von
der Gesundheit, Freizeit, Familie und Kinderbetreuung bis hin zum
Einkommen.

Ich möchte daher nachfolgend noch einmal jene Punkte aufzeigen, bei
denen Änderungen nötig sind, mit dem Ersuchen und der Einladung, die
bestehenden gesetzlichen Formulierungen zu überdenken.

• Ausweitung auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden pro Woche: Mit dem
vorliegenden Entwurf bleibt einzig die in der
EU-Arbeitszeitrichtlinie angeführte Grenze von durchschnittlich 48
Stunden innerhalb von 17 Wochen als Schutzmechanismus bestehen. Das
bedeutet die Einführung einer dauerhaften 48-Stunden-Woche mit
wochenlangen Spitzenzeiten von 60 Stunden pro Woche. Auch Lehrlinge
über 18 Jahre werden davon betroffen sein. Dazu kommt, dass sogar von
SchwerarbeiterInnen dauerhaft 12-Stunden-Tage verlangt werden können.
Diese sind mit höchsten gesundheitlichen Risiken verbunden. Außerdem
erhöhen sich die tatsächlichen Einsatzzeiten bei PendlerInnen durch
unbezahlte Pausen und An- und Abreise zum Arbeits-/Dienstort auf bis
zu 15 Stunden pro Tag, im Tourismus auf Grund der Teildienstregelung
sogar auf bis zu 18 Stunden.

• Ausweitung der höchstzulässigen Jahresarbeitszeit:
Bei erhöhtem Arbeitsbedarf darf nun die durchschnittliche
Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17
Wochen 48 Stunden nicht überschreiten. Wöchentlich sind nicht mehr
als 20 Überstunden zulässig. Somit ist eine Wochenarbeitszeit von 60
Stunden zulässig. Die Tagesarbeitszeit darf künftig 12 Stunden nicht
überschreiten. Nicht eingerechnet sind hier Pausen und Fahrtzeiten
von und zur Arbeit. Das bedeutet, dass bisher bis zu 320 Überstunden
pro Jahr zulässig waren (52 x 5 + 60). Hinkünftig erhöht sich diese
Zahl auf 416 (52 x 8, da im Durchschnitt 48 Stunden zulässig). Das
widerlegt somit auch die Behauptung, dass „niemand mehr arbeiten
muss.“

• Bestehende Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen: Schon
jetzt ist es über kollektivvertragliche Regelungen und
Betriebsvereinbarungen möglich, bei Vorliegen eines erhöhten
Arbeitsbedarfes die Arbeitszeit zu erhöhen. Mit den derzeit geltenden
Regelungen ist es noch nie dazu gekommen, dass ein Auftrag nicht
hätte abgearbeitet werden können. Sowohl auf KV-, wie auch auf
Betriebsebene kam es zu sozialpartnerschaftlichen Lösungen. Dennoch
wird nun massiv in dieses ArbeitnehmerInnenrecht eingegriffen.
Betriebsvereinbarungen und arbeitsmedizinische Überprüfungen werden
nicht mehr möglich sein. Damit kommt es zu Kürzungen von Zuschlägen,
zu gesundheitlichen Risiken und es gibt keine Mitbestimmung der
ArbeitnehmervertreterInnen. Bestehende Betriebsvereinbarungen und
Kollektivverträge, in denen die Mitbestimmung bei Arbeitszeit,
Zuschlägen und Zeitverbrauch geregelt sind, werden in Zukunft nicht
mehr möglich sein. Mit der Streichung des § 7 Abs. 4 im
Arbeitszeitgesetz sind Betriebsvereinbarungen für den 12-Stunden-Tag
nicht mehr möglich. Hier wird per Gesetz der Schutz für
ArbeitnehmerInnen durch die Betriebsräte im Betrieb und durch die
KV-Partner abgeschafft. In bisherigen Kollektivverträgen und
Betriebsvereinbarungen wurden die Zuschläge, der Freizeitverbrauch
und der Zeitraum geregelt. Dies in der Praxis immer zu für die
jeweilige Branche besseren Bedingungen, als es nun im Gesetz von
Ihnen vorgeschlagen wird.

• ‚Freiwilligkeitsgarantie‘:
In der Praxis gibt es keine Freiwilligkeit für ArbeitnehmerInnen,
zusätzliche Überstunden abzulehnen. Ebenso wenig gibt es die freie
Entscheidung, geleistete Überstunden abzubauen, wenn der Arbeitnehmer
dies möchte. Darüber hinaus sind auch „freiwillig“ geleistete
überlange Arbeitszeiten auf Dauer gesundheitsschädlich. Das
Arbeitszeitgesetz wurde bisher nicht umsonst auch als
ArbeitnehmerInnenschutzgesetz gewertet.

• Übertragung von Zeitguthaben/mehrere Durchrechnungszeiträume: Der
Gesetzesvorschlag sieht nicht vor, wie lange Zeitguthaben mitgenommen
werden können. Das bedeutet, dass die Zeitguthaben nicht am Ende des
Durchrechnungszeitraumes ausbezahlt werden müssen. Die Regelung sieht
auch keine Möglichkeit für den/die Beschäftigte/n vor, ein
erarbeitetes Zeitguthaben nach eigenen Bedürfnissen einseitig zu
konsumieren.

• Gleitzeit:
Bei „freiwilligen“ Überstunden (ohne Anordnung des Arbeitgebers) –
und diese werden die Praxis sein – fallen bei Gleitzeitvereinbarungen
die Überstundenzuschläge für die elfte und zwölfte Stunde weg.
Darüber hinaus sieht der Entwurf keinerlei Rechte auf einseitigen
Verbrauch ganzer Zeitausgleichstage oder Freizeitblöcke durch den/die
ArbeitnehmerIn vor.

• Verkürzung der Ruhezeit in der Gastronomie:
Auch im Tourismus gab es bisher – aber mit Kollektivvertrag zum
Schutz der ArbeitnehmerInnen - schon die Möglichkeit, die Ruhezeit in
Saisonbetrieben zu verkürzen und Zeitguthaben anzusparen. Nun soll
dies generell möglich werden. Gerade in einer auch körperlich
anstrengenden Branche ist eine derartige Verkürzung der Ruhezeiten in
Verbindung mit der Erhöhung auf 12 Stunden, Teildiensten und dem
täglichen Pendeln von und zur Arbeit eine massive Verschlechterung
für die Beschäftigten.

• Möglichkeit der Arbeit an vier Sonn- und Feiertagen: Diese
Ausnahmeregelung soll nicht pro Betrieb, sondern pro Beschäftigtem/r
gelten. Somit ist es bei einer entsprechenden Belegschaftsgröße
möglich, das ganze Jahr über durchgehend den Betrieb an Sonn- und
Feiertagen offen zu halten.

• Leitende Angestellte:
Die bisher geltenden Ausnahmeregelungen für leitende Angestellte
sollen nun deutlich ausgeweitet werden. Nunmehr soll bei bestimmten
Voraussetzungen auch die 3. Führungsebene einbezogen werden. Dies
stellt in jedem Fall eine deutliche Ausweitung der vom gesamten
Arbeitszeitrecht ausgenommenen Personen dar, gerade auch, weil die
Bestimmung unkonkret bleibt und damit eine Rechtsunsicherheit
auslöst. Dies wird zu Streitfällen führen, welche vor dem Arbeits-und
Sozialgericht landen werden.

Wenn Ihnen die arbeitenden Menschen und ihre Familien wichtig sind,
nehmen Sie diesen Initiativantrag zurück. Weisen Sie Ihre
Gesetzesvorlage dem Sozialausschuss zu. Ich garantiere Ihnen, dass
noch zum Sommerstart eine Sozialausschuss-Sitzung zustande kommt, mit
dem Auftrag, eine Begutachtung von 6 Wochen bis Ende August/Anfang
September für dieses so wichtige Gesetz zu ermöglichen. Als
Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales erkläre ich mich
bereit, Ende August / Anfang September in Absprache mit der
Parlamentsdirektion und allen Parteien eine Sondersitzung des
Sozialausschusses einzuberufen, damit ein neues, gerechtes und faires
Arbeitszeitgesetz in der ersten Herbstsitzung des Nationalrates
beschlossen werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Abg.z.NR Josef Muchitsch, Bundesrat Reinhard Todt

(Schluss) up/sl/mp

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | SPK

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