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Parlament: TOP im Nationalrat am 5. Juli 2018

Arbeitszeitflexibilisierung, Fremdenrecht, Heimopferrenten, Fluggastdaten, Strafen für Schaulustige, Cannabis-Liberalisierung

Wien (PK) - Arbeitszeitflexibilisierung, Verschärfung des Fremdenrechts, Speicherung von Fluggastdaten - all diese Themen werden am zweiten Plenartag für heftige Diskussionen sorgen. Mit den Stimmen aller Parlamentsfraktionen wird voraussichtlich der Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem Heimopferrentengesetz ausgeweitet. Uneinsichtigen Schaulustigen droht künftig außerdem eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro. Die Liberalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke soll geprüft werden. Am Beginn der Sitzung diskutiert Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit den Abgeordneten in der Fragestunde.

Fragestunde

Die Sitzung beginnt um 09.00 Uhr mit einer Fragestunde, in der Vizekanzler und Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, Heinz-Christian Strache, den Abgeordneten Rede und Antwort steht.

Koalitionsantrag zur Arbeitszeitflexibilisierung inklusive 12-Stunden-Tag und 60-Stunden Woche

Der Antrag der Koalitionsparteien zur Arbeitszeitflexibilisierung inklusive Ermöglichung des 12-Stunden-Tages und der 60-Stunden Woche wird auch an diesem Sitzungstag für heftige Auseinandersetzungen sorgen. In der Nationalratssitzung vom 14. Juni 2018 haben ÖVP und FPÖ mit ihrer Mehrheit durchgesetzt, dass der Wirtschaftsausschuss seine Beratungen über den von ihnen eingebrachten diesbezüglichen Initiativantrag bis 4. Juli 2018 abschließen muss. Schon der Zuweisungsvorschlag an den Wirtschaftsausschuss führte damals zu Turbulenzen, da die Opposition den Standpunkt vertrat, diese Frage sei im Sozialausschuss zu beraten. Auch über eine zweieinhalbwöchige Ausschussbegutachtung konnte keine Einigung erzielt werden.

Da der Ausschuss bislang nicht zusammengetreten ist, steht der Antrag somit ohne Ausschussberatungen auf der Tagesordnung des Plenums. Die Koalition hat Änderungen angekündigt, vor allem soll die Freiwilligkeit für die ArbeitnehmerInnen gesetzlich fixiert werden, an den grundsätzlichen Positionen wird dies wahrscheinlich wenig ändern. Das zeigte auch die Sondersitzung vom vergangenen Freitag, dem 29. Juni, auf Verlangen der SPÖ, in der es zu keiner Annäherung der Standpunkte kam.

Konkret sieht der Antrag selbst vor, dass es zwar grundsätzlich beim 8-Stunden-Tag und der 40-Stunden Woche bleiben soll, ab 2019 soll aber im Bedarfsfall die tägliche Arbeitshöchstzeit auf 12 Stunden und die wöchentliche Arbeitshöchstzeit auf 60 Stunden angehoben werden können. Den Beschäftigten steht für die 11. und 12. Stunde bei überwiegenden persönlichen Interessen ein Ablehnungsrecht zu. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf jedenfalls 48 Stunden nicht überschreiten. Kollektivvertragliche Regelungen der Normarbeitszeit sollen unberührt bleiben.

Vorgesehen sind weiters eine mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben auf den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum durch Kollektivvertrag sowie die Anhebung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze auf 12 Stunden auch bei Gleitzeit. Vereinbarte Überstunden - die 11. und die 12. Stunde - sind überdies zumindest mit den gesetzlichen Überstundenzuschlägen zu vergüten, sofern die jeweiligen Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen keine günstigeren Regelungen vorsehen. Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe soll es höchstens vier Mal pro Jahr, nicht allerdings an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden geben können.

Im Tourismus wiederum besteht die Möglichkeit, die tägliche Ruhezeit von 11 auf maximal 8 Stunden für alle Betriebe mit geteilten Diensten zu verkürzen.

Anträge von SPÖ und NEOS zur Arbeitszeitflexibilisierung

Mitverhandelt in diesem Block werden eigene Anträge von SPÖ und NEOS zur Arbeitszeitflexibilisierung, die im Sozialausschuss diskutiert wurden.

Die SPÖ plädiert dafür, die geltenden Arbeitszeit-Regelungen beizubehalten und die erlaubte Höchstarbeitszeit nicht generell auf 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche auszuweiten. Schon jetzt können Beschäftigte in bestimmten Fällen 12 Stunden pro Tag arbeiten, etwa bei erhöhtem Arbeitsbedarf, argumentiert die Oppositionsfraktion. Eine Ausweitung der bestehenden Möglichkeiten ohne Einbindung der Gewerkschaft würde die Rechte von ArbeitnehmerInnen schwächen.

Die SPÖ befürchtet, dass die Pläne der Regierung zum Entfall von Überstundenzuschlägen führen könnten. 12-stündige Arbeitstage seien überdies familienfeindlich, auch die Gefahr von Unfällen steige. Arbeitszeitflexibilisierungen dürften nur in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Interessen von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen erfolgen.

Für mehr Flexibilität treten wiederum die NEOS ein, wobei sie kein Verständnis dafür haben, wie die Koalition an die Frage herangeht. Der Koalitionsantrag schaffe neue begriffliche Unschärfen, die langwierige Klärungen vor Arbeitsgerichten nach sich ziehen würden, meinen die NEOS und schlagen ihrerseits vor, dass künftig eine tägliche Normalarbeitszeit von 12 Stunden möglich sein soll, wenn es zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite eine Gleitzeitvereinbarung gibt und diese die Möglichkeit bietet, Zeitguthaben ganztägig zu verbrauchen. Eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit komme nicht nur den Bedürfnissen von Betrieben entgegen, sondern biete auch mehr Möglichkeiten, Beruf, Freizeit und Familie unter einen Hut zu bringen, meinen die Pinken.

Fremdenrecht wird neuerlich verschärft

Auch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 wird zu kontroversen Debatten führen. Mit dieser Vorlage will die Regierung nicht nur die Effizienz von asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren steigern und Vollzugsdefizite beheben, sondern auch ein Signal an Schlepper senden, wie Innenminister Herbert Kickl bei den Ausschussberatungen betonte.

Zu den geplanten Maßnahmen gehören unter anderem die Sicherstellung von bis zu 840 € Bargeld pro Person im Zuge der Einbringung von Asylanträgen, die Auswertung von Handydaten und eine Verlängerung der Mindestwartefrist auf die Staatsbürgerschaft für anerkannte Flüchtlinge von sechs auf zehn Jahre. Zudem können Flüchtlinge bereits im Zulassungsverfahren verpflichtet werden, in einer bestimmten Betreuungseinrichtung des Bundes Unterkunft zu beziehen. Auch verkürzte Beschwerdefristen sowie die automatische Erstreckung von eingebrachten Asylanträgen auf erst später in Österreich geborene bzw. etwaige ledige Kinder sollen der Verfahrensbeschleunigung dienen.

Um ein etwaiges Untertauchen von AsylwerberInnen zu verhindern, sind Krankenanstalten in Hinkunft verpflichtet, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über deren bevorstehende Entlassung zu informieren. Anerkannten Flüchtlingen, die in ihr Heimatland reisen bzw. einen Reisepass ihres Herkunftslandes beantragen, droht künftig ein beschleunigtes Asylaberkennungsverfahren. AsylwerberInnen mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit erhalten nur noch nach Maßgabe vorhandener finanzieller Mittel und organisatorischer Ressourcen Zugang zu Deutschkursen.

Die Opposition hat erhebliche Zweifel daran, dass die geplanten Maßnahmen grundrechtskonform sind. Die Liste Pilz hegt außerdem schwere Bedenken gegen einen im Zuge der Ausschussberatungen eingebrachten Abänderungsantrag. Demnach droht Fremden, die trotz eines rechtskräftigen Einreise- oder Aufenthaltsverbots in Österreich aufgegriffen werden, nicht nur wie bisher eine Geldstrafe von 5.000 € bis 15.000 €, sie können alternativ auch für bis zu sechs Wochen in Haft genommen werden. Seiner Meinung nach verstößt man damit gegen ein ganz grundsätzliches rechtsstaatliches Paradigma des 20. Jahrhunderts.

Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 werden darüber hinaus neue EU-Vorgaben in Bezug auf die Mobilität von ForscherInnen, Studierenden und Freiwilligen umgesetzt sowie Vorkehrungen im Universitätsgesetz getroffen, um die missbräuchliche Verwendung eines Aufenthaltstitels als Studierender zu unterbinden. So wird die Gewährung eines Aufenthaltstitels künftig an ein Vollzeitstudium gekoppelt, zudem werden schon vor Einreise Deutschkenntnisse auf A2-Niveau verlangt. Erleichterungen gibt es in Bezug auf die innereuropäische Mobilität von StudentInnen und ForscherInnen, zudem werden Verfahrensfristen verkürzt.

NEOS für Befolgung von Verfügungen des UN-Menschenrechtsausschusses

Wenig Aussicht auf Erfolg hat die von den NEOS beantragte Änderung des Fremdenpolizeigesetzes, die mit der Regierungsvorlage unter einem diskutiert wird. Sie wollen erreichen, dass Zwangsmaßnahmen gegenüber Fremden wie Abschiebungen ausgesetzt werden müssen, wenn entsprechende Verfügungen des UN-Menschenrechtsausschusses (HRC) vorliegen. "Empfehlungen einer vorläufigen Maßnahme" durch den HRC sollten demnach die gleiche Bindungswirkung entfalten wie Empfehlungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), meinen die NEOS. Die Regierungsparteien sahen im Ausschuss allerdings keine Notwendigkeit für gesetzliche Änderungen und verwiesen auf den hohen Stellenwert, den der Schutz der Menschenrechte in Österreich bereits jetzt hat.

Fluggastdaten werden künftig auch in Österreich gesammelt und verarbeitet

Zustimmung der Opposition wird es auch kaum zur Sammlung und Verarbeitung von Fluggastdaten geben. Die EU-Länder haben sich im Jahr 2016 darauf verständigt, Daten von Flugreisenden systematisch zu sammeln und den Sicherheitsbehörden zum Zweck der Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung terroristischer und anderer schwerer Strafdaten zugänglich zu machen. In Umsetzung der entsprechenden PNR-Richtlinie hat die Regierung dem Nationalrat ein eigenes Bundesgesetz (PNR-Gesetz) vorgelegt.

Zuständig für die Verarbeitung der von den Fluglinien zu übermittelnden Daten sowie ihre Abgleichung mit Fahndungsevidenzen und Polizei-Datenbanken wird demnach eine beim Bundeskriminalamt eingerichtete Fluggastdatenzentrale (PIU) sein. Sie kann die Daten u.a. Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften, Gerichten, Zollbehörden, den Heeres-Nachrichtendiensten, Europol und den Fluggastdatenstellen der anderen EU-Länder zur Verfügung stellen. Verwendet werden können die Daten nicht nur zur Abwehr und Aufklärung terroristischer Aktivitäten, sondern auch zur Bekämpfung schwerer - mit mehr als drei Jahren Haft bedrohter - Straftaten wie Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Kindern, Waffen- und Drogenhandel, Korruption, Cyberkriminalität, Schlepperei, Organhandel, Umweltkriminalität, Produktpiraterie, organisierte Kfz-Diebstähle und Wirtschaftsspionage.

Erfasst werden sollen nicht nur Name, Geburtsdatum, Adresse und Kontaktangaben der Flugpassagiere, sondern auch andere Daten, über die die Fluglinien verfügen, wie Reiseverlauf, Zahlungsinformationen, Gepäckangaben, Namen von Mitreisenden und Passnummer. Zur Sicherstellung des Datenschutzes sind unter anderem Depersonalisierungs- und Löschungsverpflichtungen sowie Auskunftsrechte vorgesehen. Außerdem unterliegt die Datenverarbeitung der Kontrolle durch einen weisungsfreien Datenschutzbeauftragten des Innenministeriums.

Fluglinien, die sich weigern, Daten zu liefern bzw. diese unvollständig oder verspätet übermitteln, droht eine Geldstrafe zwischen 5.000 € und 15.000 € bzw. im Wiederholungsfall 30.000 €.

Die Opposition bemängelt insbesondere, dass Innenminister Herbert Kickl die Pflicht zur Datenübermittlung, die grundsätzlich nur für Flüge aus Drittstaaten gilt, per Verordnung auf innereuropäische Flüge ausdehnen kann. Außerdem vermisst sie die von der EU geforderte unabhängige Kontrollstelle. Der Vorwurf des "Gold Plating" wird von den Regierungsparteien allerdings mit Hinweis auf ähnliche Regelungen in anderen EU-Staaten zurückgewiesen.

Uneinsichtigen Schaulustigen droht künftig Geldstrafe von bis zu 500 Euro

Einig sind sich die Fraktionen allerdings, was die geplanten Maßnahmen im Sicherheitspolizeigesetz gegen Schaulustige betrifft. Demnach müssen Schaulustige, die Rettungseinsätze behindern oder Handyfotos von Unfallopfern schießen, künftig mit einer Geldstrafe von bis zu 500 € rechnen. Bei besonders erschwerenden Umständen droht Gaffern sogar eine einwöchige Haft. Sanktionen sind allerdings erst vorgesehen, wenn man sich trotz Abmahnung nicht an Anordnungen der Exekutive hält.

Immer wieder komme es vor, dass Schaulustige bei Verkehrsunfällen oder anderen Unglücksfällen Einsatzkräfte behindern, wird die Gesetzesinitiative begründet. Bei Unfällen zähle aber oft jede Sekunde. Zudem gelte es, die Privatsphäre der Unglücksopfer und anderer Beteiligter zu schützen. In diesem Sinn werden der Exekutive mit der SPG-Novelle ausdrücklich Wegweisebefugnisse eingeräumt. Wer sich zum wiederholten Mal Anordnungen widersetzt, riskiert gar zwei Wochen Arrest.

Dass die SPG-Novelle im Nationalrat aller Voraussicht nach dennoch nicht einstimmig beschlossen wird, liegt daran, dass im Zuge der Ausschussberatungen von den Koalitionsparteien per Abänderungsantrag noch weitere Bestimmungen eingebaut wurden. Konkret geht es um die Ermächtigung der Exekutive, den öffentlichen Raum rund um Botschaftsgebäude und andere völkerrechtlich unter besonderem Schutz stehende Objekte wie Kriegsdenkmäler per Video zu überwachen, wenn das aufgrund einer besonderen Gefährdungslage geboten erscheint. Als Beispiel für einen Anwendungsbereich der neuen Bestimmungen nannte Innenminister Kickl das Russen-Denkmal am Schwarzenbergplatz, das in den vergangenen Jahren mehrfach beschädigt wurde. Die Videokameras sollen ihm zufolge nicht nur die Aufklärung von Straftaten erleichtern, sondern auch präventiven Charakter haben.

Die Liste Pilz stößt sich allerdings daran, dass die Videoaufzeichnungen über den Schutz der Objekte hinaus auch für andere Zwecke wie Fahndungsabgleiche verwendet werden können. Auch SPÖ und NEOS zeigten sich vorerst einmal skeptisch und wollen die vorgeschlagenen Bestimmungen noch prüfen.

Abkommen mit Ungarn über polizeiliche Zusammenarbeit

Unumstritten im Innenausschuss war ein bilaterales Abkommen zwischen Österreich und Ungarn, das eine Verbesserung der polizeilichen Zusammenarbeit zum Ziel hat. Im Konkreten soll der seit Juni 2006 geltende Vertrag zwischen den beiden Ländern über die Zusammenarbeit bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität adaptiert und an neue rechtliche Entwicklungen sowie aktuelle Anforderungen an die Polizeiarbeit angepasst werden. Die Regierung erwartet sich davon eine weitere Steigerung der Effizienz bei der Vorbeugung, Verhinderung und Aufklärung strafbarer Handlungen.

Unter anderem geht es im vorgelegten Protokoll um die Frage der grenzüberschreitenden Nacheile bei der Verfolgung einer Person, die Erleichterung gemischter Streifendienste, grenzüberschreitende Kontrollen in Zügen und Schiffen, die Bereitstellung von Deckkennzeichen und die Durchbeförderung abgeschobener Personen über das Hoheitsgebiet des jeweils anderen Staates. Außerdem werden neue Bestimmungen zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr, zur Korruptionsbekämpfung und betreffend die Zusammenarbeit zur Verhinderung und Aufklärung von Finanzvergehen in den Vertrag aufgenommen. Präzisiert werden überdies die Bestimmungen zur Löschung und Richtigstellung von Daten.

Da durch den Vertrag auch Länderkompetenzen berührt werden, benötigt er auch die Zustimmung des Bundesrats.

Heimopferrenten: Kreis der Anspruchsberechtigten wird ausgeweitet

Weiter geht es in der Tagesordnung mit Materien aus dem Sozialausschuss. Die Novelle zum Heimopferrentengesetz wird aller Voraussicht nach konsensual über die Bühne gehen, liegt ihr doch ein Vorschlag aller fünf Parlamentsparteien zugrunde. Der Kreis jener Personen, die Anspruch auf eine Zusatzrente nach dem Heimopferrentengesetz haben, wird ausgeweitet. Das Parlament trägt damit nicht zuletzt Anregungen der Volksanwaltschaft Rechnung. Der Beschluss erfolgte im Ausschuss dafür einstimmig, die Bestimmungen sollen rückwirkend ab Juli 2017 gelten.

Gemäß der Novelle sind nun auch Personen, die als Kinder oder Jugendliche in Krankenanstalten, Psychiatrieeinrichtungen, in städtischen Kinderheimen oder Einrichtungen privater Träger misshandelt bzw. missbraucht wurden, vom Gesetz erfasst. Damit können etwa auch Personen, die als Kinder mit der so genannten "Malariatherapie" behandelt wurden, oder Gewaltopfer in SOS-Kinderdörfern mit einer monatlichen Rentenleistung von 300 € rechnen. Ausgezahlt wird die Zusatzrente grundsätzlich ab Erreichen des Pensionsalters bzw. ab Bezug einer Pension. Der Anspruch kann - bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit - aber auch schon früher entstehen.

Per Abänderungsantrag wurde außerdem sichergestellt, dass sich Betroffene künftig in jedem Fall direkt an die Rentenkommission der Volksanwaltschaft wenden können, auch wenn sie zuvor nicht beim zuständigen Heim- oder Jugendwohlfahrtsträger um Entschädigung angesucht haben.

Wiedereingliederungsteilzeit bis zu einem Monat nach dem Krankenstand möglich

Mit einem einstimmigen Beschluss im Nationalrat kann auch eine neue Regelung, mit der die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Wiedereingliederungsteilzeit anzutreten ist, rechnen.

Um ArbeitnehmerInnen nach schweren Erkrankungen oder Unfällen den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern, hat das Parlament im vergangenen Jahr die Wiedereingliederungsteilzeit beschlossen. Dieses Instrument ermöglicht es Betroffenen, ihre Arbeitszeit vorübergehend zu reduzieren, wobei daraus resultierende Gehaltseinbußen durch ein aliquotes Krankengeld (Wiedereingliederungsgeld) ausgeglichen werden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme ist u.a. eine vorangegangene mindestens sechswöchige Arbeitsunfähigkeit und eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Zweifel gab es bislang darüber, zu welchem Zeitpunkt die Wiedereingliederungsteilzeit anzutreten ist, nun soll diese Frage zugunsten der ArbeitnehmerInnen geregelt werden. Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf sieht außerdem vor, das Betriebspensionsgesetz an EU-Vorgaben anzupassen.

Konkret will die Regierung betroffenen ArbeitnehmerInnen ab Juli dieses Jahres die Möglichkeit einräumen, Wiedereingliederungsteilzeit bis zu einem Monat nach Beendigung des Krankenstandes anzutreten. Die derzeitige Interpretation des Gesetzes, wonach dies nur in direktem Anschluss an den Krankenstand möglich ist, habe zu Rechtsunsicherheit geführt, heißt es dazu in den Erläuterungen. Die Novelle wird außerdem für einige weitere Klarstellungen genutzt, die sich nach ersten Erfahrungen in der Praxis ergeben haben. Dabei geht es etwa um die Frage des Bezugs von Krankengeld bei neuerlicher Arbeitsunfähigkeit, den Verlust von Wiedereingliederungsgeld bei Erwerb eines Pensionsanspruchs und die Auszahlungsmodalitäten.

Die Änderungen im Betriebspensionsgesetz betreffen in erster Linie die Frist für die Unverfallbarkeit von Ansprüchen auf eine Alters- bzw. Hinterbliebenenpension aus direkten Leistungszusagen von ArbeitgeberInnen. Demnach dürfen Unverfallbarkeitsfristen bzw. Wartefristen auf eine Anwartschaft künftig auch im Falle einer Selbstkündigung drei Jahre nicht überschreiten. Derzeit sind Fristen bis zu zehn Jahre erlaubt. Die neuen Regelungen sollen für Beschäftigungszeiten nach dem 21. Mai 2018 - dem vorgesehenen Inkrafttreten der Bestimmungen - gelten.

Anpassungen an das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz im Gesundheits- und Sozialbereich

Die Reform des Vertretungsrechts für Personen mit psychischen Beeinträchtigungen, die der Nationalrat 2017 mit dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz beschlossen hat, soll nun auch Niederschlag in den Materiengesetzen für das Gesundheits- und Sozialwesen finden. An die neuen Vertretungsmodelle, die anstelle der Sachwalterschaft zum Tragen kommen, und an die veränderte Terminologie will man insgesamt 35 Gesetze anpassen.

Vorgesehen sind adaptierte Bestimmungen in Gesetzen für Gesundheitsberufe und Sozialversicherungen, auch das Bundesbehindertengesetz, das Heimopferrentengesetz und das Bundespflegegeldgesetz sind umfasst. So wird beispielsweise beim Pflegegeld klargestellt, dass die Leistung nur dann der gesetzlichen Vertretung auszuzahlen ist, wenn der oder die Anspruchsberechtigte nicht geschäftsfähig ist. Eine beschränkte Geschäftsfähigkeit soll demnach nicht mehr geltend gemacht werden können.

Mit einem im Zuge der Beratungen eingebrachten Abänderungsantrag wollen die Koalitionsparteien unter anderem eine mit dem Budgetbegleitgesetz beschlossene Bestimmung in Bezug auf die von Unternehmen zu zahlenden Säumniszuschläge für verspätete Meldungen an die Sozialversicherung korrigieren. Demnach wird der eingezogene Zuschlags-Deckel nicht für Säumigkeiten bei der Anmeldung zur Pflichtversicherung gelten. Die unbegrenzte Ahndung dieser Verstöße sei für die Bekämpfung von Sozialbetrug bedeutsam, heißt es dazu in den Erläuterungen. Außerdem wird mit dem Abänderungsantrag einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Rechnung getragen. Demnach gelten künftig nicht nur für Minderjährige, sondern auch für wegen einer geistigen Behinderung geschäftsunfähige Personen längere Fristen für die Geltendmachung einer Hinterbliebenenpension.

SPÖ will mehr Planstellen für das AMS

Eine effizientere und effektivere Arbeitsmarktpolitik verspricht sich die SPÖ von ihrem Antrag nach einer Ausweitung des Personalstands im Arbeitsmarktservice (AMS). Derzeit sei das Betreuungsverhältnis zwischen BetreuerIn und Arbeitssuchender/m zu hoch. Eine Verbesserung des Verhältnisses auf 1:100 und einer damit einhergehenden verbesserten Vermittlungsquote würde eine Einsparung beim Arbeitslosengeld mit sich führen.

Liste Pilz fordert Staatsziel "soziale Gerechtigkeit"

Die Liste Pilz nimmt die von der Regierung ausgelöste Diskussion über die verfassungsrechtliche Verankerung eines Staatsziels "Wirtschaftswachstum" zum Anlass, um eine Erweiterung des Staatszielekatalogs zu fordern. "Die Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden) bekennt sich zur umfassenden Förderung eines größtmöglichen Maßes an sozialer Gerechtigkeit", soll es künftig im einschlägigen Bundesverfassungsgesetz heißen. Die Forderung wird im Verfassungsausschuss weiter verhandelt.

NEOS: Asylwerbende Lehrlinge sollen nicht abgeschoben werden

Die Einschränkungen im österreichischen Ausländerbeschäftigungsgesetz für Asylwerbende wirken nach Ansicht der NEOS einer gelingenden Integration entgegen. Bei asylwerbenden Lehrlingen führen Abschiebungen außerdem zu wirtschaftlichen Schäden für die Ausbildungsbetriebe, moniert die Oppositionspartei, da die Unternehmen die Arbeitskraft der von ihnen ausgebildeten Personen nicht nutzen können. Nicht nur Flüchtlingen fehle aufgrund der geltenden Rechtslage die Planungssicherheit, sondern auch der Wirtschaft. Als Vorbild könnte Deutschland dienen, das eine praxisnahe Lösung anbietet. Dort können Lehrlinge noch zwei Jahre nach ihrem Abschluss bleiben. Unterstützung kam im Ausschuss von SPÖ sowie der Liste Pilz.

Ministerin soll mögliche Aufnahme schulärztlicher Daten ins ELGA-System prüfen

Aus dem Gesundheitsausschuss liegt der Wunsch vor, die Aufnahme schulärztlicher Daten in das ELGA-System zu prüfen. Ministerin Beate Hartinger-Klein soll einen diesbezüglichen Bericht bis zum 1. September 2019 vorlegen. Darin sollen auch die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Den Anstoß dazu gab ein Antrag der NEOS, zu dem im Ausschuss ein gesamtändernder Antrag eingebracht und auch angenommen wurde.

Der im Antrag genannte Zeithorizont ergibt sich zum einen daraus, dass derzeit im Rahmen des Finanzausgleichs eine Arbeitsgruppe Schulgesundheit tagt, die sich auch mit der Aufnahme schulärztlicher Daten in ELGA beschäftigen wird. Ergebnisse sollen bis Ende 2018 vorliegen. Darüber hinaus tritt Anfang September eine Neufassung des Schulunterrichtsgesetzes in Kraft, die u.a. auch die Stellung und Tätigkeit von SchulärztInnen betrifft. Vor diesem Hintergrund sollen nicht nur die zum NEOS-Antrag im Begutachtungsverfahren eingelangten Stellungnahmen, sondern auch die Ergebnisse der Arbeitsgruppe und die Erfahrungen mit dem Vollzug der neuen Bestimmungen in den Bericht einfließen.

Abgeordnete verlangen Bericht über therapeutischen Einsatz von Cannabis

Der Nationalrat will nun auch die Liberalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Österreich eingehender prüfen. Darüber wird seit längerem diskutiert, da Cannabisblüten bei SchmerzpatientInnen effektiv wirken und nicht süchtig machen, wie die Liste Pilz in ihrem Antrag betont.

Diese ursprüngliche Initiative ging zwar im Gesundheitsausschuss nicht durch, man hat sich aber in einem gemeinsamen Abänderungsantrag aller Fraktionen darauf geeinigt, den therapeutischen Einsatz von "Medizinalhanf" zu prüfen und bis zum 1. Jänner 2019 einen Bericht über zukünftige medizinische, rechtliche, organisatorische und ökonomische Rahmenbedingungen zum Einsatz von cannabishaltigen Arzneimitteln vorzulegen. Dabei sollen auch die Ergebnisse des vom Ausschuss durchgeführten Begutachtungsverfahrens sowie die Erfahrungen in Deutschland berücksichtigt werden. Die Österreichische Ärztekammer, die Österreichische Apothekerkammer, der Österreichische Schmerzverband, die Gesundheit Österreich GmbH, die AGES, der Hauptverband der Sozialversicherungsträger und - in Hinblick auf die Vermeidung von Missbrauch - auch das Innenministerium werden dabei eingebunden. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein kündigte im Ausschuss zudem an, auch den Obersten Sanitätsrat mit der Ausarbeitung von Empfehlungen zu beauftragen.

Neuerungen im Universitätsgesetz

Drei Anträge - von der Koalition einerseits und von SPÖ und Liste Pilz andererseits - hat der Wissenschaftsausschuss dem Plenum vorgelegt.

Mit dem Antrag der Koalition zur Änderung des Universitätsgesetzes wollen ÖVP und FPÖ einige Klarstellungen vornehmen. Sie betreffen das Recht von Nichtklinischen Organisationseinheiten von Medizinischen Universitäten bzw. Medizinischen Fakultäten, im Rahmen von Forschung und Lehre für PatientInnen mittelbar Untersuchungen und Befundungen durchzuführen. Weiters wird eine Regelung aufgrund der Tatsache geschaffen, dass die allgemeinmedizinische Ausbildung beim Studium der Human- bzw. Zahnmedizin immer öfter im niedergelassenen Bereich - sogenannten "Lehrordinationen" - stattfinden. Der Antrag sieht zudem vor, dass Zahnmedizinisch-Klinische Praktika künftig nicht mehr in Form einer Anstellung, sondern als Teil des Studiums absolviert werden sollen.

Für Oppositionskritik sorgte vor allem, dass die Universitäten für Pensionsbeiträge ihres beamteten Personals Mittel aus dem Globalbudget verwenden müssen und dass durch die Form eines Initiativantrags ein Begutachtungsverfahren umgangen worden sei. Die Novelle wird aller Voraussicht nach nur mehrheitlich mit den Stimmen der Koalition den Nationalrat passieren.

SPÖ fordert Studiengebührenbefreiung für Berufstätige

Die SPÖ erneuert ihrerseits die Forderung nach einer Reparatur der gesetzlichen Regelung für die Erlassung des Studienbeitrags für berufstätige Studierende. Die vorgeschlagene Formulierung des Gesetzes würde die vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) geforderte Reparatur des Universitätsgesetzes ermöglichen, heißt es darin. Man müsse das Zeitfenster jetzt noch nutzen, damit berufstätige Studierende nicht schon im Herbst mit Gebühren konfrontiert sind, so die Argumentation. Der Antrag hat jedoch wenig Aussicht auf Erfolg, da die Koalition, wie sie sagt, kein Stückwerk machen, sondern eine Gesamtlösung erarbeiten will.

Liste Pilz: Universitätsräte sollen durch Hochschulen selbst besetzt werden

Sorge um das Image der Universitäten und letztlich Österreichs veranlasste die Liste Pilz zu diesem Antrag. Sie will im Universitätsgesetz eine Möglichkeit für den Senat verankern, die Bestellung von Mitgliedern des Universitätsrats aus triftigen Gründen mit Zweidrittelmehrheit ablehnen zu können. Die Gefahr eines Imageschadens sieht die Liste Pilz insbesondere bei der Bestellung von Personen gegeben, die durch einschlägig rechtsextreme Haltungen aufgefallen sind. Im Ausschuss erhielt der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit.

NEOS-Initiative zur rascheren Zulassung von FH-Studiengängen führt zu einstimmiger Abänderung

Mehr Erfolg hatten die NEOS im Wissenschaftsausschuss mit ihrer Initiative gegen zu hohe bürokratische Hürden bei der Zulassung neuer Studiengänge an Fachhochschulen. Sie beklagen, dass es aufgrund von Überschneidungen der Prüfbereiche bei Audits und Akkreditierungen bis zu zwei Jahre dauert, bis ein Studiengang tatsächlich angeboten werden kann. Ihr ursprünglicher Antrag wurde zwar nicht angenommen, im Wissenschaftsausschuss einigte man sich jedoch auf eine Änderung, die von allen mitgetragen wurde. Konkret fordern die AntragstellerInnen von Wissenschaftsminister Heinz Faßmann, die Rahmenbedingungen für die Anpassung bzw. den Ausbau des FH-Studienangebots zu optimieren. Dies soll erreicht werden, indem die Akkreditierungsverfahren von FH-Studiengängen sowie das Auditverfahren zur Zertifizierung des hochschulischen Qualitätsmanagements an Fachhochschulen evaluiert und reformiert werden.

Petitionen und Bürgerinitiativen

Mit fünf Petitionen und Bürgerinitiativen wird sich der Nationalrat kurz vor Ende der Sitzung beschäftigen. Auf der Tagesordnung steht u.a. die "DON´T SMOKE"-Initiative, sie wird dem Gesundheitsausschuss zugewiesen. In den anderen Bürgeranliegen geht es um den Schutz der europäischen Stahlindustrie, "genderfreies" wissenschaftliches Arbeiten sowie Forderungen nach strengeren Auflagen für Betriebsanlagen von Postdienstleistern und deren Einbeziehung in das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz.

Mindestpension: SPÖ beantragt Änderung des ASVG

Den Abschluss an diesem Plenartag bilden Erste Lesungen. So zielt die Initiative der SPÖ zur Änderung des ASVG auf eine Erhöhung der Mindestpension für Personen mit langer Versicherungsdauer ab. Konkret geht darum, den Ausgleichszulagenrichtsatz für Personen mit mindestens 40 Versicherungsjahren auf 1.200 € zu erhöhen. Von dieser Maßnahme würden hauptsächlich Frauen und Mütter profitieren, die aufgrund von Kindererziehung ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben bzw. längere Zeit nur teilzeitbeschäftigt waren, machen die AntragstellerInnen geltend.

SPÖ beantragt Änderung des Abzeichengesetzes

In Reaktion auf die Diskussion um das jährliche Ustascha-Treffen in Bleiburg schlägt die SPÖ weiters eine Änderung des Abzeichengesetzes vor. Künftig soll nicht nur das Tragen von Abzeichen und Uniformen einer in Österreich verbotenen Organisation untersagt sein, sondern auch einschlägige Symbole, Embleme und Uniformteile ausländischer Organisationen, die mit in Österreich verbotenen Organisationen kollaboriert, zusammengearbeitet oder kooperiert haben. Derzeit stoßen die gesetzlichen Bestimmungen an ihre Grenzen, wenn es um faschistische Symbole geht, die ihren Ursprung im Ausland haben, geben die InitiatorInnen zu bedenken.

Gleichzeitig will die SPÖ die Höchststrafe für etwaige Verstöße gegen das Abzeichengesetz anheben. Künftig sollen Verwaltungsstrafen bis zu 5.000 € - statt wie derzeit 4.000 € - verhängt werden können, dazu soll weiterhin ein bis zu einmonatiger Arrest möglich sein. (Schluss) jan/keg

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