• 16.05.2018, 14:12:40
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EU-Budget: Blümel hält an Beitragshöhe von 1% des BNP fest

NEOS verlangen im Nationalrat Klarheit über EU-Politik der Regierung

Utl.: NEOS verlangen im Nationalrat Klarheit über EU-Politik der
Regierung =

Wien (PK) - "Ein zukunftsfittes Budget für die EU: visionär,
nachhaltig, fair und ohne Märchen, Herr Bundeskanzler!". Diesen
Appell richteten die NEOS heute früh in einer von ihnen verlangten
Aktuellen Stunde im Nationalrat an Kanzler Sebastian Kurz. Weil der
Adressat zu einer Tagung des Europäischen Rats in Bulgarien gereist
war, stellte sich EU-Minister Gernot Blümel der Plenardebatte über
die Zukunft der Europäischen Union. Wie viel Geld Österreich nach dem
bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, dem
Brexit, nach Brüssel schicken wird, konnte Blümel noch nicht genau
sagen. Er betonte jedoch, die Beiträge der Nettozahlerländer dürften
auch künftig nicht mehr als 1% des Bruttonationalprodukts betragen.
Einsparungen in der EU-Verwaltung würden für einen schlankeren und
effizienteren Haushalt der Union sorgen. Überdies erwarte man von der
EU eine Wirtschaftspolitik, die zu BIP-Steigerungen der
Mitgliedsländer führt, wodurch sich wiederum die tatsächlichen
Beitragssummen erhöhen würden, so der Kanzleramtsminister.

Die NEOS, aber auch SPÖ und Liste Pilz, lehnen die Festlegung der
österreichischen Beitragshöhe auf nicht mehr als 1% der
Wirtschaftsleistung als kurzsichtig ab. Anstelle von Kürzungen
sprechen sich die Pinken für eine Neuverteilung der EU-Fördermittel
aus, wodurch Bereiche wie Forschung und Entwicklung gestärkt werden
sollten. Die SozialdemokratInnen erwarten von der Regierung mehr
Einsatz im Kampf gegen Steuerumgehungen von Konzernen. Unrealistisch
ist die Regierungspolitik aus Sicht der Liste Pilz: Einerseits
verlange man mehr Ausgaben seitens der Union, etwa beim
Außengrenzschutz, andererseits weigere man sich, die nötigen
Mehraufwendungen dafür zu leisten. Grundsätzlich kritisierten alle
Oppositionsparteien, die Regierung liefere keine konkreten Vorschläge
für Reformen in der EU.

Vor Debattenbeginn stieß NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak zur
Abwesenheit von Kanzler Kurz eine Geschäftsordnungsdebatte an.
Wiederholt habe sich Kurz bei wichtigen Parlamentssitzungen wie der
aktuellen zum Thema EU-Budget von anderen Regierungsmitgliedern
vertreten lassen, prangerte Scherak an und erhielt Schützenhilfe von
Andreas Schieder (SPÖ). Immerhin habe der Bundeskanzler in der Früh
noch dem Ministerrat beigewohnt, so Schieder und wie Scherak verwies
er auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die heute sehr
wohl im Bundestag anwesend sei, zumal die Ratstagung in Sofia erst am
Abend beginne. ÖVP-Klubobmann August Wöginger verteidigte daraufhin
den Kanzler. Dieser habe im Vorfeld des österreichischen
Ratsvorsitzes anders als Merkel zahlreiche Treffen mit
AmtskollegInnen zu absolvieren. Schieders "Herbeischaffungsantrag",
den er gemäß Geschäftsordnung stellte, lehnte die Regierungsmehrheit
ab.

EU-Minister Blümel setzt auf Einsparungen und Wirtschaftswachstum

Ein "Mammutprojekt, das wir jetzt angehen wollen", so beschrieb EU-
Minister Blümel den künftigen auf sieben Jahre ausgelegten
Finanzrahmen der EU. "Die Gespräche beginnen", verwies er auf die
anstehenden Verhandlungsrunden zum EU-Budget. Österreich habe dabei
eine klare Verhandlungsposition, nämlich wie bisher 1% des
Bruttonationalprodukts in das Gemeinschaftsbudget einzuzahlen. Bei
einer gesteigerten Wirtschaftsleistung werde der EU-Haushalt auch
damit anwachsen. Die Strategie der Regierung, durch Einsparungen im
System zusätzliche Mittel freizuspielen, sei bereits in der jüngsten
Ratssitzung auf viel Zustimmung bei anderen Nettozahlerländern wie
Schweden gestoßen: "Es war die richtige Position." Dezidiert lehnte
Blümel eine 20%ige Steigerung der Verwaltungsausgaben in der EU auf
85 Mrd. € ab, die ihm zufolge im Budgetvorschlag der EU-Kommission
vorgesehen ist. Vielmehr gelte es, im Lichte der Digitalisierung
durch Nichtnachbesetzungen von Planstellen im Verwaltungssystem zu
sparen. Eine Reduktion kann er sich auch bei der Anzahl der
Kommissare vorstellen, nicht mehr jedes EU-Land müsse einen Kommissar
oder eine Kommissarin stellen.

Positiv wertete er die geplante Aufwertung des Außengrenzschutzes,
auch für die gemeinsame Migrationspolitik und Austauschprogramme wie
Erasmus solle mehr Geld zur Verfügung stehen. Die Vorschläge für die
37 Programme im Budget würden bis Mitte Juni konkretisiert,
erläuterte der Minister das weitere Vorgehen, danach werde im Rat der
Zeitplan festgelegt. Österreich wolle als Ratsvorsitzland möglichst
rasch und ambitioniert die Verhandlungen gestalten. Für ein
effizienteres Vorgehen warb er hinsichtlich der EU-Kohäsionspolitik,
etwa durch eine Steigerung der Co-Finanzierungsbeiträge. Zum
Agrarbereich sagte er, im Sinne des gesellschaftlichen Mehrwerts
sollten Förderungen nicht an große internationale Agrarkonzerne
fließen, sondern bäuerliche Familienbetriebe unterstützen.

NEOS vermissen proeuropäische Haltung der Regierung

Eine EU-Ratspräsidentschaft bedeute Verantwortung für ganz Europa,
verdeutlichte Claudia Gamon. Die NEOS würden aufgrund der Haltung der
Regierung zum EU-Budget dieses proeuropäische
Verantwortungsbewusstsein vermissen. Regionalen Zurufen werde etwa in
Sachen Agrarförderung mehr Gewicht beigemessen als der Gestaltung
eines visionären Gemeinschaftsbudgets, mit dem sich die
Mitgliedstaaten zusammen Herausforderungen wie dem Außengrenzschutz
oder dem Klimawandel stellen. Die Europapolitik der Regierung
beschränkt sich in Gamons Augen auf Ankündigungen und Versprechen,
denen keine Taten folgen, obwohl "die Ratspräsidentschaft direkt vor
der Tür steht". Die EU als Basis für ein friedliches Zusammenleben
würdigte NEOS-Klubobmann Matthias Strolz. Besuche bei
"Rechtsaußenpolitikern" im Ausland, wie er FPÖ-Mitgliedern vorhielt,
seien kontraproduktiv für die Bewältigung der großen Vorhaben der EU.
Vom Außengrenzschutz bis zum Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit gilt
Strolz zufolge: "Wir brauchen in diesen Fragen ein entschlossenes
Europa".

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU durchleuchtete Karin
Doppelbauer (NEOS). Einerseits zollte sie der GAP Respekt, als
ältester vergemeinschafteter Politikbereich sinnvolle Förderungen für
die nachhaltige Bewirtschaftung auf den Weg gebracht zu haben,
andererseits monierte sie, beträchtliche Summen blieben in der
Verwaltung hängen. Für Doppelbauer sind Kürzungen in der GAP
unvermeidlich, nachdem sich mit dem Brexit der zweitgrößte
Nettozahler aus der EU verabschiedet. Bei der Neuplanung der
Agrarförderungen müsse Planbarkeit für die LandwirtInnen oberste
Priorität haben. Agrarministerin Elisabeth Köstinger hielt die NEOS-
Mandatarin vor, mit unklaren Aussagen die Unsicherheit bei den
Betroffenen zu schüren, obwohl die Maßgaben klar seien: Öffentliche
Gelder sollten für Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, ausgegeben
werden und nicht aufgrund von Hektargrößen vor allem an Großbetriebe
gehen. Eine Renationalisierung der GAP fördere lediglich den
Protektionismus und sei abzulehnen.

SPÖ: Steuerhinterziehung von Konzernen abstellen

Gegen einen erstarkenden Nationalismus traten auch die Redner der SPÖ
auf. Die Europäische Union sei als Antwort auf die Gräuel des Zweiten
Weltkriegs die Basis des wirtschaftlichen Fortschritts, der
Menschenrechte und unserer Freiheiten, unterstrich Andreas Schieder.
In der ÖVP ortete er Widersprüche in Bezug auf die künftige Höhe der
EU-Beiträge und meinte, "so kann man Europapolitik nicht machen". Die
SozialdemokratInnen befürworteten ebenfalls eine sparsame Union,
träten aber für ein entschiedeneres Vorgehen der Union gegen die
Steuerhinterziehung von Großkonzernen ein. Den Umfang des
Mittelverlusts durch aggressive Steuerplanung bezifferte er mit 1.000
Mrd. €. Dennoch habe die Bundesregierung auf EU-Ebene zugestimmt,
Länder wie Panama von der Liste über Steueroasen zu streichen. Kai
Jan Krainer (SPÖ) warf der Regierung "Realitätsverweigerung" vor,
denn wenn von 28 Beitragszahlern der EU einer wegfalle, müssten die
anderen eben mehr zahlen. Das habe immerhin Finanzminister Hartwig
Löger erkannt. Überdies betreibe man von Regierungsseite in
Österreich keineswegs das propagierte Sparen im System, kritisierte
der SPÖ-Budgetsprecher. Die Verwaltungsausgaben hierzulande würden
stärker steigen als die Inflation, die EU-Administrationsausgaben
dagegen nur an die Teuerung angepasst.

Liste Pilz: Regierung arbeitet gegen eine starke EU

Die rechnerischen Überlegungen der Bundesregierung nahmen für die
Liste Pilz Bruno Rossmann und Alma Zadic ins Visier. Natürlich würden
nach dem Brexit alle anderen Mitglieder mehr einzahlen müssen, sollte
das EU-Budget den jetzigen Umfang behalten, so Rossmann. Er warnte in
diesem Zusammenhang die Regierung davor "auf der Klaviatur des
Populismus zu spielen" und Mittelkürzungen zu fordern, denn mit den
Geldern an Brüssel würden Programme finanziert, die allen
zugutekämen, nicht nur Österreich. Die Mehrheit der
Nettozahlerstaaten spreche sich folglich für eine Beitragserhöhung
aus, widersprach er der Darstellung von Minister Blümel über die
Ausgangslage im Rat. Den Gedanken, durch Verwaltungseinsparungen den
Beitragsausfall nach dem Brexit ausgleichen zu wollen, tat der Liste
Pilz-Budgetsprecher als lächerlich ab, mache die Verwaltung doch nur
6% des EU-Haushalts aus. Verantwortungslos sind für ihn
Kürzungsüberlegungen angesichts der wachsenden Aufgaben der Union,
Stichwort Klimaschutz. Außerdem habe die EU die Asyl- und
Migrationspolitik zu koordinieren, die Integration von Südosteuropa
zu fördern und eine starke gemeinsame Außenpolitik zu verwirklichen,
fügte Zadic an. "Wir brauchen ein starkes Europa, um für die Zukunft
vorbereitet sein", Österreich solle Vorreiter sein.

ÖVP will eine bürgernahe Union

ÖVP-Abgeordneter Reinhold Lopatka räumte ein, die EU befinde sich
nach Finanz- und Flüchtlingskrise sowie dem bevorstehenden Brexit in
einer schwierigen Situation. Die Bereitschaft zum Kompromiss und für
solidarisches Handeln sieht er daher als essentiell, um
unterschiedliche Interessen auszutarieren. Österreich sei immer dazu
bereit gewesen. Im Rat lägen derzeit die Positionen zum EU-Budget
weit auseinander, Kürzungen für strukturschwache Regionen,
Direktzahlungen an LandwirtInnen oder die Steigerung der
Beitragsbemessungsgrundlage auf 1,1%, wie von der Kommission
gefordert, stellten Streitpunkte dar. "Die europäische Position, die
gibt es noch nicht". Die Regierung agiere dagegen mit ihrer klaren
Haltung als "Anwalt der Steuerzahler", lobte er. In vielen Feldern
der EU gelte es, effizienter zu werden, Österreich habe bereits
konkrete Vorschläge in der EU-Reform-Task Force vorgelegt, um die
Europäische Union bürgernäher, schlanker und effizienter zu
gestalten.

"Wir wünschen uns ein Europa, das sich ein bisschen mehr selbst
erklärt", sagte Lopatkas Fraktionskollege Georg Strasser. Die Lehren
aus dem Brexit seien, die Menschen dort abzuholen wo sie stehen.
Deswegen habe die Regierung die Themen Sicherheit, Migration,
Wirtschaftswachstum und Steuergerechtigkeit auf die Prioritätenliste
der Ratspräsidentschaft ganz oben hingesetzt. Speziell zum EU-Budget
bemerkte er, vorauseilender Gehorsam sei bei den Verhandlungen fehl
am Platz. Österreichs Anspruch auf Sparsamkeit und der Effizienz sei
zum Wohle der Menschen in Österreich und in der ganzen EU.

FPÖ: EU muss reformiert werden

Für die FPÖ waren die Vorhaltungen der Opposition wegen Kanzler Kurz'
Abwesenheit eine "Schmierenkomödie", wie Johann Gudenus ausführte.
"Nehmen Sie die Würde des Hauses etwas ernster". Die Europäische
Union sei nicht gleich Europa, hielt er zum Diskussionsthema fest.
Die Regierung stehe für Subsidiarität und dafür, nicht mehr Mittel
als notwendig an Brüssel zu liefern. Selbstbewusst, nicht
unterwürfig, trete Österreichs Regierung als Dialogplattform auf,
anstatt sich nur im EU-Gleichklang zu bewegen. In Richtung Opposition
äußerte sich auch Robert Lugar (FPÖ), indem er erinnerte, das
Debattenthema der Aktuellen Stunde sei erst nach der Terminsetzung
der Kanzlers verlautbart worden. Man habe also gewusst, dass der
Kanzler keine Zeit haben würde. Die Budgetverhandlungen der Union
stünden erst am Beginn, gab er hinsichtlich des Finanzahmens zu
verstehen, Österreich habe schon vorab eine vernünftige
Ausgangsposition bezogen. Grundsätzlich findet er, die EU müsse sich
erneuern, besonders im Verhältnis zur Türkei oder bei der
Zuwanderungsthematik. Diese Eckpunkte habe man im Vorfeld zu
erörtern, ehe das Budget fixiert werden könne. (Fortsetzung
Nationalrat) rei

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