• 20.04.2018, 18:27:30
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  • OTS0207

Weltkulturerbe Wiener Innenstadt: Blümel will Gespräch zwischen Wien und UNESCO in Gang bringen

Liste Pilz fordert in Dringlicher Anfrage zum Projekt Heumarkt rasche rechtliche Schritte des Kulturministers

Utl.: Liste Pilz fordert in Dringlicher Anfrage zum Projekt Heumarkt
rasche rechtliche Schritte des Kulturministers =

Wien (PK) - Der Kultursprecher der Liste Pilz, Wolfgang Zinggl,
forderte in der heutigen Sitzung des Nationalrats Kulturminister
Gernot Blümel einmal mehr auf, das Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt
zu stoppen. In einer Dringlichen Anfrage an den Minister wies Zinggl
darauf hin, dass die UNESCO bereits in zwei Monaten die Aberkennung
aussprechen könnte. Rasche rechtliche Schritte des Ministers seien
daher notwendig. Mit den dreißig Fragen seiner Dringlichen Anfrage
wollte Zinggl daher detailliert in Erfahrung bringen, was der
Minister über die angekündigten Gespräche hinaus unternommen hat und
was er in weiterer Folge tun wird, um das Immobilienprojekt am Wiener
Heumarkt zu verhindern.

Zinggl: Kulturminister muss jetzt rechtliche Schritte setzen

In der Begründung der Dringlichkeit seiner Anfrage betonte Zinggl,
Österreich stehe knapp davor, sich vor der Welt ernsthaft zu
blamieren. Seit sechs Jahren stehe die Wiener Innenstadt auf der
Tagesordnung der UNESCO. Wenn das Gremium in zwei Monaten
zusammentritt, werde es darüber entscheiden, ob sie Wien den Titel
Weltkulturerbe endgültig aberkenne. Bundesminister Blümel müsse jetzt
handeln, denn das aktuelle Problem sei politische Untätigkeit. Zinggl
wies darauf hin, dass der Kulturminister Beschwerde beim
Verfassungsgerichtshof einlegen könne. Er habe weiters die
Möglichkeit einer Weisung und er könnte selbst gesetzliche Maßnahmen
setzen, um Zuständigkeiten für den Denkmalschutz zu klären.

Zinggl bezeichnete es als "Legende", dass man jetzt mit der UNESCO
noch über eine Ausnahme von ihren Regeln verhandeln könne. Die UNESCO
gehe stets nach festen Richtlinien vor, die sie mit den
Unterzeichnern der Konvention vereinbart. Wien und Österreich hätten
bei der Antragstellung auf den Titel selbst festgelegt, welcher Teil
der Innenstadt als Weltkulturerbe geschützt werden soll. Auf Kritik
der UNESCO am Hochhausprojekt habe Wien jedoch nur mit der Änderung
der Flächenwidmung reagiert, aus Sicht Zinggls die letzte
Provokation, die zur Aufnahmen in die Rote Liste geführt habe.
Keinesfalls agiere die UNESCO reaktionär oder behindere eine
Entwicklung von Städten, wie gelegentlich behauptet werde. Die
Auflagen, die nur ein Prozent des Wiener Stadtgebietes betreffen,
sind aus Sicht von Zinggl leicht erfüllbar, ohne dass dadurch eine
Musealisierung Wiens droht.

Noch könne Österreich den Kurs ändern und die Flächenwidmung wieder
ändern, betonte Zinggl. Diskussionen und Workshops sind aus seiner
Sicht dafür jedoch zu wenig. Ein Verlust des Weltkulturerbe-Status
wäre jedenfalls endgültig, warnte er. In weiterer Folge könnte man
auch keine vergleichbaren Projekte mehr ablehnen. Das Baukulturerbe
wäre endgültig zerstört, ohne dass Wien einen Vorteil davon hätte. In
diesem Fall sei das Grundstück von der öffentlichen Hand viel zu
billig verkauft worden, was der Rechnungshof auch kritisiert habe.
Österreich laufe Gefahr, der Spekulation mit Grundstücken auf
Weltkulturerbe Tür und Tor zu öffnen, das könne die UNESCO nicht
zulassen.

Blümel: Verfassungsklage ist Ultima Ratio

Er stimme mit Zinggl in der Problemanalyse und Bewertung der Fakten
weitgehend überein, sagte Kulturminister Gernot Blümel. Auch er sei
der Meinung, dass Weltkulturerbe und Stadtentwicklung miteinander
vereinbar sind und halte es für peinlich, dass Wien auf die Rote
Liste der UNESCO gesetzt wurde. Er habe bereits als Stadtrat vielfach
darauf hingewiesen, dass der Umgang mit den Bauschriften im Ersten
Bezirk nicht den Vorstellungen der UNESCO entsprechen. Als
Kulturminister habe er mit der bisher geübten Praxis gebrochen,
wonach das Bundeskanzleramt stets nur die Meinung der Stadt Wien an
die UNESCO weitergegeben hat, ohne selbst Stellung zu beziehen.
Tatsache sei allerdings, dass die Gesprächsbasis zwischen Wien und
UNESCO zuletzt nicht mehr gegeben war. Diesen Teufelskreis wolle er
durchbrechen.

In seiner Beantwortung der Fragen Zinggls legte Blümel den Fahrplan
für das weitere Vorgehen dar. Die Eintragung in die Rote Liste der
UNESCO muss aus seiner Sicht der Beginn eines intensiven Dialogs mit
diesem Gremium sein, diesen wolle er wieder in Gang bringen. Die
weitere Vorgangsweise machte Blümel dabei von der Stellungnahme der
Stadt Wien abhängig. Zum jetzigen Zeitpunkt seien Entscheidungen auf
politischer Ebene gefragt. Rechtliche Schritte sieht Blümel als
letzte Maßnahme. Er habe sich auch mit der Frage einer
Verfassungsklage befasst, erklärte Blümel. Dieser Schritt sei für ihn
allerdings die Ultima Ratio und nicht ohne Risiko, da der Ausgang
ungewiss sei. Daher wolle er ihn erst anwenden, wenn der Dialog nicht
zum Erfolg führt. Zuerst sei es wichtig, auf eine sachliche
Gesprächsebene zurückzukehren. Dabei wolle er nicht über Versäumnisse
der Vergangenheit reden, sondern über die Zukunft. Hier werde er sich
intensiv in die Gespräche einbringen, versprach er.

Denkmalschutz im Spannungsfeld von Bundes- und Länderkompetenzen

Zinggls Fraktionskollege Alfred Noll begrüßte das Engagement des
Kulturministers. Grundsätzlich stimme man mit dem Minister überein.
Die Beschreitung des Rechtswegs schließe allerdings nicht aus, dass
man gleichzeitig Gespräche führe. Schließe der Minister Rechtsmittel
aus, verzichte er auf ein wichtiges Druckmittel. Eine Zurückziehung
einer Klage sei immer möglich. Das gelte auch für die
Verfassungsklage, er rate dem Minister jedoch, glaubwürdig in
Aussicht stellen, dass er zu diesem Mittel zu greifen bereit ist, um
ein Umdenken herbeizuführen.

In der Analyse sei er mit Zinggl einig, sagte ÖVP-Abgeordneter
Wolfgang Gerstl. Niemand in Österreich bestreite, dass man das
Weltkulturerbe erhalten müsse, einzig die Wiener rot-grüne
Stadtregierung scheine anderer Ansicht zu sein. Käme die Stadt Wien
ihren Aufgaben bei Denkmalschutz und der Erfüllung der UNESCO-
Auflagen nach, müsste man diese Diskussion heute nicht führen. Das
Problem sei jedoch, dass über Jahre hinweg in der Frage des Heumarkts
die Stadt Wien Stellungnahmen abgegeben habe, wonach es kein Problem
gebe, die vom Bundeskanzleramt einfach an das UNESCO-Hauptquartier
weitergeleitet wurden. Nun gebe es jedoch erstmals mit dem
Vizekanzler und dem Kulturminister zwei Regierungsmitglieder, die
versuchten, zu retten, was zu retten ist. Gerstl rief dazu auf, den
Kulturminister bei seinem Kampf für das Weltkulturerbe zu
unterstützen.

SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda ortete einen Widerspruch zwischen
den Ankündigungen von Kulturminister Blümel und seinen Handlungen. Er
ließ den Vorwurf nicht gelten, dass er selbst sich als Kulturminister
nicht ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Die besondere
Dringlichkeit der Frage am heutigen Tag sehe er allerdings nicht.
Wien sei eine bedeutende und lebendige Kulturstadt, für ihn besteht
keine unmittelbare Gefahr, dass Wien diesen Status verlieren könnte.
Im Denkmalschutz müsse jeder Fall genau geprüft werden. Die
Diskussion um das Projekt Heumarkt werde jedenfalls seit Jahren
ernsthaft geführt und ein Ausgleich zwischen Investoren und
öffentlichem Interesse gesucht. Damit sei man auch erfolgreich
gewesen. Das Projekt beruhe auf einem internationalen Wettbewerb und
entspreche höchsten architektonischen Standards, unterstrich Drozda.
Es stimme auch nicht, dass damit weitere Hochhausprojekte in der
Wiener Innenstadt möglich wären. Der Gemeinderat der Stadt Wien habe
hier einstimmig einen klaren Beschluss gefasst.

Aus Sicht des Kultursprechers der FPÖ, Walter Rosenkranz, ist die
Frage des Weltkulturerbes eine österreichweite Frage und nicht auf
Wien beschränkt. Tatsächlich bestehe eine starke Spannung zwischen
Bundes- und Landeskompetenzen bei den Fragen von Denkmalschutz,
Flächenwidmung und Bauordnung. Kein Verständnis hat Rosenkranz dafür,
dass man den Canaletto-Blick auf Wien riskiert. Es gebe genug
Möglichkeiten, moderne Architektur an anderer Stelle zu
verwirklichen. Das Grundproblem beim Projekt Heumarkt ortete
Rosenkranz darin, dass die rot-grüne Stadtregierung unter sehr
merkwürdigen Umständen das Projekt eines Investors genehmigt habe.
Die Bundesregierung sei sich einig, dass dieses Projekt verhindert
werden muss. Eine Verfassungsbeschwerde sei in Ausarbeitung, die
Einbringung ist aus seiner Sicht allerdings erst sinnvoll, wenn sie
realistische Chancen auf Erfolg hat.

Seitens der NEOS kritisierte Michael Bernhard die mangelnde
Einbindung der BürgerInnen in die Fragen der Raumordnung und
Stadtentwicklung. Die Menschen müssten viel stärker bei der
Entwicklung des städtischen öffentlichen Raums eingebunden werden.
Die NEOS hätten dazu Bürgerräte vorgeschlagen, die per Los ermittelt
werden, um die Verwaltung zu bestimmten Projekten zu beraten. Ein
weiteres Problem sei, dass die großen Bauprojekte der Stadt Wien,
aber auch aller anderen Bundesländer, völlig intransparent ablaufen.
Die Länder haben aus Sicht von Bernhard zu viele Möglichkeiten,
Steuergeld unkontrolliert auszugeben. Der Heumarkt ist für Bernhard
daher nur eines der Symptome für einen fehlgeleiteten Föderalismus,
das Problem des Parteiensystems und der mangelnden Mitsprache der
BürgerInnen.

Das Thema sei sehr wohl dringlich, betonte Wolfgang Zinggl in einer
zweiten Wortmeldung. Für weitere Beschwichtigungen und
Relativierungen habe er jedenfalls kein Verständnis, sagte er in
Richtung SPÖ. Er forderte den Kulturminister auf, jetzt
Rechtsklarheit schaffen, anstatt weitere Gespräche führen. Nur wenn
er einen der möglichen rechtlichen Schritte tatsächlich setze, werde
er glaubwürdig und könne Druck aufbauen. Zinggl stellte auch die
Frage in den Raum, ob FPÖ und ÖVP den Heumarkt nur als Wahlkampfthema
gegen die rot-grüne Koalition in der Wiener Stadtregierung einsetzen
wollen, ohne an einer tatsächlichen Verhinderung des Projekts
Interesse zu haben. (Fortsetzung Nationalrat) sox

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