• 20.04.2018, 16:56:18
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  • OTS0197

Nationalrat beschließt Sicherheitspaket mit Bundestrojaner

ÖVP und FPÖ für Überwachung verschlüsselter Nachrichten im Internet, Opposition spricht von unverhältnismäßigem Eingriff in Grundrechte

Utl.: ÖVP und FPÖ für Überwachung verschlüsselter Nachrichten im
Internet, Opposition spricht von unverhältnismäßigem Eingriff
in
Grundrechte =

Wien (PK) - Mit den Stimmen der Regierungsparteien wurde heute im
Nationalrat das Sicherheitspaket beschlossen. Für eine lebhafte
Debatte sorgten dabei vor allem jene Bestimmungen, die eine
Überwachung von WhattsApp und Skype ermöglichen. Während ÖVP und FPÖ
die neue Ermittlungsmaßnahme als wirkungsvolle Handhabe im Kampf
gegen schwere Kriminalität und Terrorismus begrüßten, sah die
Opposition darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in Grund- und
Freiheitsrechte, warnte vor Missbräuchen und sprach von
"Überwachungsstaat". Ein gegen das Paket gerichteter
Entschließungsantrag der Liste Pilz fand keine Mehrheit.

Überwachung von WhattsApp und Skype, Videoüberwachung im öffentlichen
Raum

Das Paket besteht zunächst aus einem
Strafprozessrechtsänderungsgesetz, das den Einsatz staatlicher
Spionagesoftware - Stichwort Bundestrojaner - zur Überwachung
verschlüsselter Nachrichten sowie von Massengerdiensten wie WhattsApp
und Skype im Internet regelt. Voraussetzung ist dabei das Vorliegen
eines konkreten Verdachts. Die Software kann somit bei Verbrechen mit
einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei Verdacht auf
terroristische Straftaten oder bei Straftaten gegen Leib und Leben
sowie gegen die sexuelle Integrität mit einer Strafobergrenze von
mehr als fünf Jahren eingesetzt werden. Vorgesehen ist auch der
Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern, mit denen die Polizei Handys
orten kann. Für beide Methoden braucht es neben der Anordnung durch
die Staatsanwaltschaft auch eine gerichtliche Bewilligung. Teil der
Novelle ist zudem eine anlassbezogene Vorratsdatenspeicherung mit
einer nicht verlängerbaren Höchstfrist von zwölf Monaten.

Durch Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz wiederum werden
öffentliche und bestimmte private Rechtsträger verpflichtet, der
Exekutive auf Ersuchen Videomaterial von Überwachungskameras im
öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen bzw. Echtzeitstreaming zu
ermöglichen. Dies gilt etwa für Bahnhöfe, Flughäfen, aber auch für
die ASFINAG. Das Paket enthält aber auch die Grundlage für den
Einsatz von Kennzeichenerkennungssystemen, die es der Polizei
erlauben, nicht nur Kennzeichen verdeckt zu ermitteln, sondern auch
Informationen über LenkerIn und Fahrzeug zu verarbeiten. Änderungen
im Telekommunikationsgesetz schließlich bedeuten das Aus für anonyme
Wertkartenhandys. Ab Jänner 2019 müssen sich KundInnen bei jedem Kauf
einer SIM-Karte identifizieren, wobei u.a. Namen und Anschrift durch
den Telekom-Anbieter zu registrieren sind.

Gemeinsam mit dem Sicherheitspaket wurde auch ein Bundesgesetz
beschlossen, das die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und in
Finanzstrafsachen mit den Mitgliedstaaten der EU auf Basis der
Gegenseitigkeit weiter ausbaut. Konkret geht es dabei neben der
Vereinfachung des Informationsaustausches vor allem um die Schaffung
eines Rechtsrahmens für die Vollstreckung einer Europäischen
Ermittlungsanordnung eines anderen Mitgliedstaates im Inland bzw. für
die Erlassung einer Ermittlungsanordnung, die in einem anderen
Mitgliedstaat vollstreckt werden soll, durch eine österreichische
Behörde. Für dieses Gesetz sprachen sich die Abgeordneten einstimmig
aus.

Kickl: Behörden erhalten Rüstzeug zur Bekämpfung von Terrorismus und
organisierter Kriminalität

Die Polizei erhalte mit diesem Paket das notwendige Rüstzeug, um bei
der Bekämpfung der schwersten Kriminalität auf der Höhe der Zeit zu
sein, betonte Herbert Kickl. Überwacht werde nicht die Masse, die
Maßnahmen richten sich vielmehr gegen jene, die die Sicherheit der
Massen gefährden. Es gehe nicht um den "Hendldieb", sondern um
organisierte Kriminalität und Terrorismus, stellte der Innenminister
klar. Die Eingriffe seien auf den Einzelfall und auf einen konkreten
Verdacht gerichtet, überdies habe man die nötige Balance zwischen dem
Schutz der Grund- und Freiheitsrechte und dem Schutzbedürfnis der
Bevölkerung gefunden. Mit Nachdruck unterstrich Kickl, dass die
Maßnahmen von einem engmaschigen Netz aus richterlicher Genehmigung
und Kontrolle flankiert sind.

Köstinger schließt Massenüberwachung aus

Die Exekutive brauche zur Verbrechensbekämpfung Maßnahmen auf dem
modernsten Stand der Technik, bekräftigte auch Bundesministerin
Elisabeth Köstinger, die den erkrankten Justizminister Josef Moser
vertrat. Es sei höchste Zeit, den Behörden in den Fällen schwerster
Kriminalität die Möglichkeit der Überwachung verschlüsselter
Nachrichten im Internet zu geben. Die gesetzlichen Anforderungen
dafür seien jedenfalls sehr hoch. So garantiere das Sicherheitspaket
Rechtsschutz und Transparenz und implementiere überdies die
Anregungen aus drei Begutachtungsverfahren. Faktum ist für Köstinger,
dass es weder beim Zugriff auf WhatsApp und Skype noch bei der
Anlassdatenspeicherung zu einer Massenüberwachung und einer Online-
Durchsuchung kommen werde.

ÖVP sieht gute Balance zwischen Sicherheit und Grundrechten

Das Sicherheitspaket biete eine gute Balance zwischen der Sicherheit
und der nötigen Freiheit und schaffe nun die rechtliche Möglichkeit
für einen anlassbezogenen Zugriff auf Datenmaterial, bekräftigte
Werner Amon. Mit Massenüberwachung habe das alles nichts zu tun.
Vielmehr gehe es darum zu verhindern, dass Datenschutz zum Schutz der
Kriminellen diene. ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker erinnerte
an die geschärften Voraussetzungen für die Überwachung, so etwa an
das Vorliegen eines konkreten Verdachtes einer schweren strafbaren
Handlung sowie die richterliche Genehmigung. Es werde zu einem
sorgsamen Einsatz der Überwachungsmaßnahmen kommen, zeigte sie sich
überzeugt. Ihr Fraktionskollege Karl Mahrer begrüßte die nunmehr der
Exekutive eingeräumten Möglichkeit, im Einzelfall Videomaterial von
Bahnhöfen oder Flughäfen auszuarbeiten, und erwartet sich davon
wesentliche Erleichterungen bei der Ausforschung von Kriminellen.
Datenschutz dürfe kein Tatenschutz sein, unterstrich Friedrich
Ofenauer. Wer nichts Böses im Schilde führe, brauche sich auch nicht
zu fürchten, pflichtete ihm Nikolaus Prinz bei. Es gehe einzig und
allein um den Schutz der BürgerInnen, und nicht um Massenüberwachung,
versicherte Johanna Jachs, die das Sicherheitspaket auch als Reaktion
auf die technologische Entwicklung interpretierte.

FPÖ: Sicherheitspaket ist Firewall zum Schutz der Bevölkerung

Harald Stefan sprach von einer gelungenen Abwägung zwischen den
Notwendigkeiten der Strafverfolgung und dem Schutz der Grund- und
Freiheitsrechte. So sei die Anlassdatenspeicherung nur bei konkretem
Verdacht möglich, auch der Bundestrojaner dürfe nur bei einem
Verdacht schwerster Straftaten eingesetzt werden. Von einer
Massenüberwachung könne keine Rede sein. Eine "Firewall" zum Schutz
der österreichischen Bevölkerung sei das Sicherheitspaket, meinte
Philipp Schrangl. Der Staat dringe damit in die Komfortzone von
Terrorismus und organisierter Kriminalität vor. Was den Rechtsschutz
betrifft, setzt Schrangl nun vor allem auf die Tätigkeit der
unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten. Die Exekutive erhalte durch
die neuen Maßnahmen das Handwerkszeug, das sie braucht, um die
Bevölkerung vor Terrorismus zu schützen, schloss sich Werner Herbert
dem Chor der Zustimmung an. Christian Lausch ging scharf mit den
Kritikern ins Gericht und stellte fest, die SPÖ mache sich mit ihrer
Ablehnung zum Schutzpatron der Kriminellen. Günther Kumpitsch
wiederum sieht vor allem in der Registrierungspflicht für anonyme
Handy-Wertkarten eine wirksame Handhabe bei Ermittlungen in der
Drogenszene. "Der Rechtsstaat zeigt mit diesem Paket bei der
Verbrechensbekämpfung seine Zähne", freute sich Christian Ries. Die
neuen Maßnahmen haben nur einen Sinn, nämlich die Menschen davor zu
schützen, Opfer von Verbrechen zu werden, fasste Robert Lugar
zusammen. Es gehe um die Verhinderung und Aufklärung schwerster
Kriminalität, bestätigte auch Walter Rosenkranz. "Fürchten müssen
sich nur die Kriminellen, und das ist gut so."

SPÖ: Bundestrojaner ermöglicht Eingriff in Privatsphäre

Für Johannes Jarolim ist das Sicherheitspaket reine
"Augenauswischerei". Die Regierung wolle damit nur über Defizite im
Sicherheitsapparat hinwegtäuschen, die durch Einsparungen bei der
Exekutive und bei der Digitalisierung entstanden sind. Mit dem
Bundestrojaner werde man jedenfalls die Sicherheitsprobleme nicht
lösen können. 15% mehr Polizei mit entsprechender Ausrüstung wären
für die Sicherheit der Bevölkerung wesentlich sinnvoller. Terroristen
könne man mit der Überwachungssoftware nicht bekämpfen, zeigte sich
der SPÖ-Justizsprecher skeptisch. Vielmehr ermögliche der
Bundestrojaner ausufernde Zugriffe auf die Handys von unbeteiligten
Dritten. Peter Wittmann wiederum qualifizierte den Bundestrojaner als
Eingriff in die Menschenrechte und warnte, aus Angst vor imaginären
Gefahren überschreite man hier eine Grenze und gebe gerade jene
Freiheitsrechte auf, die man eigentlich verteidigen sollte. Das Paket
treffe jeden, der ein Handy hat, einen Computer benützt und sich im
öffentlichen Raum bewegt, legte Angela Lueger nach. Der
Bundestrojaner sei ein ungerechtfertigter Eingriff in die Privat- und
Intimsphäre, bestätigten Muna Duzdar, Petra Bayr, Irene Hochstetter-
Lackner und Rudolf Plessl unisono. Die Regierung opfere grundlegende
Freiheitsrechte für eine scheinbare Sicherheit, ohne sich der
Konsequenzen bewusst zu sein, schlug Klaus Uwe Feichtinger Alarm, dem
sein Fraktionskollege Reinhold Einwallner beipflichtete. Konrad
Antoni wiederum befürchtet massive Bespitzelung im Rahmen der im
Paket verankerten Sicherheitsforen.

NEOS orten Schritt in Richtung Überwachungsstaat

"Das Paket ist ein tätlicher Angriff auf die Grund- und
Freiheitsrechte und ein weiterer Schritt in Richtung
Überwachungsstaat", brachte Nikolaus Scherak seine Kritik auf den
Punkt. Mit dem Bundestrojaner schieße man weit über das Ziel hinaus,
zumal der Zugriff nur auf bestimmte Nachrichten technisch nicht
möglich sei. Tatsächlich werde das gesamte Gerät und damit die
Privatsphäre überwacht. Dass man die dazu notwendige Software derzeit
nur auf dem Schwarzmarkt kaufen kann, sieht Scherak als Alarmsignal.
Auch die übrigen Punkte, von den IMCI-Catchern bis zur
Anlassdatenspeicherung, lehnt der Justizsprecher der NEOS als
Eingriffe in die Grundrechte ab, wobei er ebenso wie seine
Fraktionskollegin Irmgard Griss die Warnung aussprach, die
Überwachungsmaßnahmen würden zu Missbrauch führen.

Liste Pilz: Grund- und Freiheitsrechte werden mit Füßen getreten

Der Bundestrojaner sei ein Instrument des "Staatsdatenterrorismus",
der alles vernichtet, was man zur Internetsicherheit braucht,
kritisierte Alfred Noll, der überdies an der Effizienz der neuen
Ermittlungsmaßnahme zweifelt. Die Software für die Zugriffe werde pro
Objekt und Überwachung 1 Mio. € kosten. Dafür gebe es aber kein
Budget. Die Grund- und Freiheitsrechte würden mit Füßen getreten, die
offene Gesellschaft falle einer scheinbaren Sicherheit zum Opfer, gab
Alma Zadic zu bedenken. Mit dem Sicherheitspaket komme Österreich dem
Überwachungsstaat einen Schritt näher. (Fortsetzung Nationalrat) hof

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