Redakteursvertretung protestiert gegen Einschüchterungsversuche aus der Politik
Utl.: Redakteursvertretung protestiert gegen
Einschüchterungsversuche aus der Politik =
Wien (OTS) - Die direkte und unverhohlene Bedrohung von
ORF-JournalistInnen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes durch einen
ORF-Stiftungsrat hat es noch nie gegeben. Der Redakteursrat
protestiert scharf gegen diese Form von Einschüchterung und wehrt
sich gegen jeden Versuch der Kontrolle der Berichterstattung durch
Politiker.
Der Partei-Stiftungsrat der FPÖ, Norbert Steger, will Korrespondenten
des ORF abschaffen, wenn sie aus seiner Sicht nicht genehme Berichte
aus dem Ausland liefern. In der heutigen Ausgabe der Salzburger
Nachrichten kündigt Steger an: „Von den Auslandskorrespondenten
werden wir ein Drittel streichen, wenn diese sich nicht korrekt
verhalten“. Als Beispiel nennt er laut SN die Berichterstattung zur
Ungarn-Wahl, diese sei „einseitig“ abgelaufen. Außerdem fordert
Steger die Entlassung von RedakteurInnen, wenn sie gegen eine
angekündigte Social Media-Richtlinie verstoßen.
Steger zeigt in diesem Interview ein seltsames Verständnis von
Pressefreiheit: Als Mitglied des ORF-Aufsichtsorgans geht es ihm
offensichtlich vor allem um die Durchsetzung von Parteiinteressen.
Parteienvertreter wollen beurteilen, wie Berichterstattung auszusehen
hat. Kritische RedakteurInnen sollen mundtot gemacht werden.
Was FPÖ-Politiker und ihnen nahestehende Plattformen über den ORF und
seine Mitarbeiter sagen, geht seit Jahren schon weit über das normale
Maß an Kritik hinaus. Es wird systematisch versucht, die
Glaubwürdigkeit der ORF-Berichterstattung zu untergraben, um das
Unternehmen entweder auf Linie zu bringen oder - wenn das nicht
funktioniert - zu zerschlagen und über die Finanzierung auszuhungern.
Die Redakteursvertretung protestiert vehement gegen diese Bedrohung
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gerade die Berichterstattung
der ORF-Korrespondenten in Ländern wie China, Türkei, Russland und
Ungarn findet unter schwierigsten Bedingungen statt. Die Zahl von
KorrespondentInnen ist ein Kriterium für Qualitätsjournalismus. Die
Arbeit unserer Auslands-KorrespondentInnen wird in der
ORF-Berichterstattung besonders geschätzt.
Korrespondenten aber aus partei-politisch motivierten Gründen mit der
Streichung ihrer Stellen zu bedrohen, ist ein direkter Angriff auf
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ein neuerlicher Tiefpunkt der
Medienpolitik. Die Korrespondenten des ORF sind ein wesentlicher
Bestandteil der Nachrichten in TV, Radio und Online, sie liefern dem
Publikum die Welt ins Haus, erklären internationale Zusammenhänge,
helfen beim Einordnen des Weltgeschehens. Offenbar hält das eine
österreichische Regierungspartei für verzichtbar. Gleichzeitig
ORF-Mitarbeitern mit dem Verlust der beruflichen Existenz zu drohen,
wenn sie gegen eine Richtlinie verstoßen, die ihnen noch nicht einmal
bekannt gemacht wurde – das soll wohl Angst fördern.
Das alles hat nichts mit berechtigter, sachlicher Kritik zu tun, die
selbstverständlich auch an der Berichterstattung des ORF geübt werden
kann und soll. Vielmehr scheint es um das gezielte und systematische
Beschädigen der Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
und der Reputation einzelner JournalistInnen zu gehen. Das schadet
den seriösen Medien insgesamt, und es schadet auch dem Ansehen der
Politik. Es ist in einer Demokratie nicht gleichgültig, wie die
Repräsentanten einer Regierungspartei mit der freien Presse umgehen.
Die Redakteursvertretung des ORF fordert daher die Vertreter der
Regierungspartei FPÖ auf, ihre anhaltenden Diffamierungen von
JournalistInnen und des ORF einzustellen.
Der Redakteursrat
Dieter Bornemann, Peter Daser, Margit Schuschou
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