- 13.04.2018, 21:00:01
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TIROLER TAGESZEITUNG: Leitartikel vom 14. April 2018 von Michael Sprenger - Schlechtes soziales Gewissen
Innsbruck (OTS) - Die FPÖ sieht sich als „soziale Heimatpartei“ und
betreibt doch auch Sozialabbau. Doch mit der höheren Mindestpension
hat sie Recht. Die SPÖ reagiert darauf trotzig. Beide Parteien
kämpfen um ihre Glaubwürdigkeit.
Die FPÖ betont immerzu, die „soziale Heimatpartei“ zu sein. Der
Lockruf an enttäuschte ehemalige SPÖ-Wähler machte sich bezahlt.
Zugleich büßten die Roten in den Regierungsjahren mit der ÖVP ihre
Gestaltungskraft ein. Aber jetzt, in Regierungsverantwortung, erleben
die Freiheitlichen einen unfreiwilligen Imagewandel. Egal, ob sie
sich für Einsparungen bei älteren und langzeitarbeitslosen Menschen
aussprechen, die Notstandshilfe abschaffen wollen – und zugleich für
eine an Hartz IV erinnernden gekürzten Mindestsicherung eintreten:
Diese Sozialpolitik trifft die Schwachen und die Schwächsten in der
Gesellschaft – und somit auch einen nicht unwichtigen Teil der
Wählerschaft der „sozialen Heimatpartei“.
Nicht von ungefähr bemüht sich daher Vizekanzler und Parteichef
Heinz-Christian Strache, offensiv gegenzusteuern. Er hat einen längst
bekannten Punkt aus dem Regierungsprogramm herausgegriffen – und
trommelt seit Tagen für die Einführung einer Mindestpension von 1200
Euro für Menschen mit 40 Beitragsjahren. Bei 30 Beitragsjahren sollen
1000 Euro Pension garantiert sein
So weit, so gut. Doch wie reagiert die SPÖ darauf, die sich mit ihren
Plänen, die Mindestpension nach ihren Vorstellungen zu erhöhen, bei
der ÖVP immer wieder die Zähne ausgebissen hat? Sie wirkt ein wenig
trotzig – weinerlich. So, als hätte sie ein schlechtes soziales
Gewissen.
Während SPÖ-Chef Christian Kern prinzipiell eine erhöhte
Mindestpension begrüßte, sie aber um ein Jahr früher als Strache –
2019 statt 2020 – realisieren will, ist sie für SPÖ-Frauenchefin
Gabriele Heinisch-Hosek schlicht zu wenig. Sie will den Zugang zur
Mindestpension erleichtern, indem als Grundlage nicht nur die
Arbeitsjahre zählen, sondern auch Kinderbetreuung und
Arbeitslosengeld-Bezug. Vielleicht hat es Heinisch-Hosek schon
vergessen: Die SPÖ stellte in den vergangenen Jahren den
Bundeskanzler, sie selbst gehörte einige Jahre der Regierung an.
Die neue Bundesregierung von ÖVP und FPÖ, ihre Sozialpolitik, bietet
genügend Anlässe für berechtigte Kritik. Doch es ist keinesfalls
unredlich – auch nicht für eine Oppositionspartei –, eine erhöhte
Mindestpension als das zu bezeichnen, was sie auch ist: eine positive
Ausnahme in Zeiten, in denen die Regierung trotz Hochkonjunktur vor
allem in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik spart. Man kann
allerdings ruhig hinzufügen: Für eine selbsterklärte „soziale
Heimatpartei“ ist das zu wenig.
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