• 05.04.2018, 20:05:58
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  • OTS0219

WhatsApp, Skype und Co: Staat kann künftig Überwachungssoftware einsetzen

Justizausschuss schickt zweiten Teil des Sicherheitspakets mit Stimmen von ÖVP und FPÖ ins Plenum

Utl.: Justizausschuss schickt zweiten Teil des Sicherheitspakets mit
Stimmen von ÖVP und FPÖ ins Plenum =

Wien (PK) - Auch der zweite Teil des umstrittenen Sicherheitspakets
ist durch. ÖVP und FPÖ haben heute im Justizausschuss den Plänen der
Regierung zur Überwachung von verschlüsselten Nachrichten im Internet
durch Spionagesoftware (Stichwort Bundestrojaner), zur
anlassbezogenen Vorratsdatenspeicherung und zur Lockerung des
Briefgeheimnisses mit geringfügigen Entschärfungen zugestimmt. Unter
anderem wurde bei der anlassbezogenen Vorratsdatenspeicherung eine
nicht verlängerbare Höchstfrist von 12 Monaten eingezogen, für den
Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern, mit denen die Polizei Handys
orten und abhören kann, braucht es neben einer Anordnung der
Staatsanwaltschaft im Unterschied zum Regierungsentwurf nun auch eine
gerichtliche Bewilligung.

Für die Überwachungssoftware zuständig wird im Innenministerium
künftig ausschließlich die für Lauschangriffe bereits berechtigte
Sondereinheit Observation (SEO) sein. Zusammenarbeiten soll das
Innenressort dabei mit der Datenschutzbehörde. Da die
Staatsanwaltschaft über den Einsatz der neuen Ermittlungsmethode
entscheiden wird, gilt das Innenministerium als
"Auftragsverarbeiter", wie in einer erläuternden
Ausschussfeststellung festgehalten wurde.

Die Opposition stellte sich im Justizausschuss geschlossen gegen die
neuen Überwachungs- und Ermittlungsmethoden. Sie sieht eklatante
Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der BürgerInnen und warnt
insbesondere beim Einsatz von staatlicher Überwachungssoftware vor
Missbrauch. Die Behauptung der Regierung, dass mit der
Spionagesoftware nur auf verschlüsselte Messenger-Nachrichten
zugegriffen werden können soll, nicht aber auf die gesamte Online-
Kommunikation, sei laut ExpertInnen technisch nicht möglich und daher
unrichtig. SPÖ, NEOS und Liste Pilz kritisierten zudem, dass es zu
keinem öffentlichen Hearing im Justizausschuss gekommen ist. Der
schwerste Eingriff in die Menschenrechte werde im Parlament im
Schnellverfahren und ohne Transparenz durchgepeitscht.

Im Innenausschuss wurde Stunden zuvor der erste Teil des
Sicherheitspakets, das der Polizei u.a. den Zugriff auf zahlreiche
Überwachungskameras im öffentlichen Raum erlaubt, auf Schiene
gebracht (siehe Parlamentskorrespondenz 358/2018). Einem Beschluss
des Sicherheitspakets im Nationalrat in zwei Wochen steht damit
nichts mehr im Wege.

Moser: Keine Massenüberwachung im judiziellen Teil des
Sicherheitspakets

Umstrittenster Punkt des sogenannten Strafrechtsänderungsgesetzes ist
der Einsatz staatlicher Spionagesoftware zur Überwachung
verschlüsselter Nachrichten bzw. von Messengerdiensten wie Whatsapp
und Skype im Internet. Die Regierung rechtfertigt diese neue
Ermittlungsmethode mit Lücken in der Strafverfolgung, die durch den
technologischen Fortschritt verursacht worden seien. Voraussetzung
für den Einsatz der staatlichen Überwachungssoftware ist ein
Strafverfahren wegen eines konkreten Verdachts. Die Software kann
also etwa bei Verbrechen mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn
Jahren, bei einem Verdacht auf terroristische Straftaten oder bei
Straftaten gegen Leib und Leben sowie die sexuelle Integrität mit
einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren eingesetzt werden.
Voraussetzung ist eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, die einer
gerichtlichen Bewilligung bedarf. Die Beschuldigten sollen
Verständigungs- und Einsichtsrechte bekommen.

Justizminister Josef Moser versicherte im Ausschuss, dass es im
judiziellen Teil des Sicherheitspakets zu keiner Massenüberwachung
kommen werde. Die neuen Ermittlungsmethoden würden ausschließlich bei
einem konkreten Strafverfahren oder einem konkreten Verdacht unter
staatsanwaltschaftlicher Anordnung oder richterlicher Bewilligung
eingesetzt. Zudem garantiere das Gesetzespaket eine engmaschige
Einbindung des Rechtsschutzbeauftragen.

Nach zwei Begutachtungsverfahren habe man im Gegensatz zur ersten
Regierungsvorlage unter Rot-Schwarz einen größtmöglichen Rechtsschutz
bei den Ermittlungsmethoden eingebaut. Mit dem Sicherheitspaket
versuche man die Methoden der Strafverfolgung gerade im Hinblick auf
terroristische Verbrechen technisch auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Für Moser wird mit den neuen Überwachungs- und Ermittlungsmethoden
dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit jedenfalls Rechnung getragen. Dem
Schutz und den Rechten des Einzelnen sei besondere Aufmerksamkeit
zugekommen.

Laut Justizminister sind die Zulässigkeitserfordernisse für den
Einsatz von staatlicher Überwachungssoftware im internationalen
Vergleich hoch angesetzt. In Europa würden bereits 12 Länder mit
dieser Ermittlungsmethode arbeiten, in Deutschland sei darüber hinaus
eine komplette Online-Überwachung möglich. Die IMSI-Catcher würden
zudem nur auf geografische Standortdaten abzielen, von einer
inhaltlichen Überwachung könne keine Rede sein.

Dass die Überwachungssoftware in Österreich auf verschlüsselte
Nachrichten in Messenger-Diensten eingeschränkt wird, bezweifelt die
Opposition. "Die Überwachungssoftware ist technisch nur mit einem
vollen Eingriff in die gesamte Online-Kommunikation möglich", meinte
Peter Wittmann (SPÖ), der das Sicherheitspaket als "eines der
schlechtesten Gesetze der letzten 20 Jahre" bezeichnete. Auch Alfred
Noll zufolge lässt sich ein Überwachungseinsatz nicht darauf
beschränken, dass nur Nachrichten ausgelesen werden. "Es werden immer
lokal gespeicherte Daten in ihrer Gesamtheit durchsucht", so der
Abgeordnete.

Wittmann warnte zudem vor Missbrauchspotential insbesondere im
Bereich der Datenkreation. Die Strafandrohung müsse bei
Amtsmissbrauch drastisch erhöht werden, des Weiteren brauche es eine
Rechtsschutzbehörde, die bestenfalls beim Parlament angesiedelt ist.
Der Rechtsschutzbeauftragte ist für ihn ein "zahnloses Mittel".

Das Argument der Terrorismusbekämpfung ist für Wittmann zudem nur
vorgeschoben. Annähernd alle terroristischen Attentäter in Frankreich
oder London seien behördlich bereits bekannt gewesen. Man brauche
nicht noch mehr Daten, sondern eine gut ausgestattete sowie
ausgebildete Polizei und bessere Analysemethoden zur Auswertung der
bereits vorhandenen Daten, meinte ebenfalls Petra Bayr (SPÖ).

Ein weiterer Punkt, den die Opposition als höchst problematisch
erachtet, ist der Zukauf der notwendigen Überwachungssoftware bei
privaten Firmen. Die Software könne nur am Schwarzmarkt bzw. in einer
Grauzone beschaffen werden, der Staat bewege sich in einem semi-
kriminellen Bereich, kritisierten Nikolaus Scherak (NEOS) und Noll.

"Diese Firmen verkaufen derartige Software auch an Regime wie
Nordkorea oder Saudi-Arabien" meinte zudem Wittmann, es gebe keinen
Straftatbestand dafür, wenn Private die Software auch an Terroristen
verkaufen.

Außerdem würde man einen Markt für Datenlücken schaffen, in denen
sich ebenso Terroristen einkaufen können. "Der Staat entscheidet sich
bewusst dafür, Sicherheitslücken offen zu lassen", so Scherak weiter.
Seiner Meinung nach werden die für die Software budgetierten 5 bis 7
Mio. € zudem nicht ausreichen.

Dass die Überwachungssoftware nur am Schwarzmarkt besorgt werden
kann, verneinte der Justizminister. Es handle sich dabei um eine
offizielle Software, wofür es bereits einen globalen Markt gebe.

Staatliche Überwachungssoftware ab 2020 - befristet auf 5 Jahre

Die Überwachung verschlüsselter Nachrichten soll auf den
Übertragungsvorgang abgestellt werden, womit sich die neue
Ermittlungsmaßnahme von einer Online-Durchsuchung abgrenzen soll. Für
die Überwachung ist die Installation eines Programms in dem zu
überwachenden Computer erforderlich, das ausschließlich von einer
natürlichen Person gesendete, übermittelte oder empfangene
Nachrichten entweder vor der Verschlüsselung oder nach
Entschlüsselung an die Strafverfolgungsbehörden leitet. Da der
Einsatz der Überwachungssoftware nach dem derzeitigen Stand der
Technik sehr ressourcenintensiv ist, soll sie erst ab 1. April 2020
eingesetzt werden können, um dem Innenministerium davor Zeit zur
Beschaffung der entsprechenden Software zu geben. Die Möglichkeit für
den Staat, verschlüsselte Nachrichten im Internet aus
Ermittlungsgründen zu überwachen, wird vorerst auf fünf Jahre
befristet. Dann soll die Ermittlungsmethode evaluiert werden.

"Quick-Freeze-Modell" Moser zufolge keine Vorratsdatenspeicherung

In Verdachtsfällen wird künftig eine anlassbezogene
Vorratsdatenspeicherung in Form eines "Quick-Freeze-Modells" möglich
sein. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts bestimmter Straftaten
sollen demnach Telekommunikationsanbieter aufgrund
staatsanwaltschaftlicher Anordnung verpflichtet werden können, nach
Ablauf der etwa für Verrechnungszwecke zulässigen Speicherung
Telefon- und Internetverbindungsdaten bis zu zwölf Monate weiter zu
speichern. Wenn sich der Anfangsverdacht verdichtet, kann die
Staatsanwaltschaft auf die Daten zugreifen, andernfalls ist hingegen
die Anordnung außer Kraft zu setzen und der Verdächtige zu
informieren.

Beim "Quick-Freeze-Modell" handelt es sich Moser zufolge um keine
Vorratsdatenspeicherung. Es gehe nicht um die Übermittlung von Daten,
sondern um Anlassdatenspeicherung, also darum, dass Daten nicht
gelöscht werden, die bereits vorhanden sind.

Für Alfred Noll (Liste Pilz) und Nikolaus Scherak (NEOS) handelt es
sich dabei um eine Umgehung des Verbots der Vorratsdatenspeicherung.
Das "Quick-Freeze-Modell" widerspricht aus Sicht der Abgeordneten der
Rechtsprechung des EuGH.

Lockerung des Briefgeheimnisses

Gelockert wird außerdem das Briefgeheimnis. Damit wird es Behörden
erleichtert, Briefe und Pakete zu beschlagnahmen, ohne dass sich der
Beschuldigte in Haft befinden muss. Die Regierung erhofft sich
dadurch eine effektivere Bekämpfung des Versandes von überwiegend im
Darknet angebotenen verbotenen Inhalten wie etwa Suchtgift.
Voraussetzung bleibt eine Anordnung der Staatsanwaltschaft
einschließlich gerichtlicher Bewilligung.

Die optische und akustische Überwachung von Personen soll zudem auf
die Aufklärung terroristischer Straftaten sowie
Terrorismusfinanzierung und Ausbildung zu terroristischen Zwecken
ausgeweitet werden.

Abgeordnete der ÖVP und FPÖ stehen hinter den neuen
Ermittlungsmethoden

Für die Abgeordneten der ÖVP und FPÖ sind die neuen
Ermittlungsmethoden verhältnismäßig und zeitgemäß. Das
Sicherheitspaket komme nicht überfallsartig, außerdem seien sämtliche
Anregungen aus den Begutachtungsverfahren eingebaut worden, betonten
u.a. Michaela Steinacker, Friedrich Ofenauer, Klaus Fürlinger (alle
ÖVP) sowie Harald Stefan (FPÖ).

In Zeiten der Technologisierung gehe es um eine Waffengleichheit
zwischen Terroristen und der Polizei, argumentierte Ofenauer.
"Cyberkriminalität kann man nicht mit voll besetzten Wacheposten
bekämpfen", legte Fürlinger nach. Man dürfe den aktuellen
Herausforderungen nicht mit Ermittlungsmethoden aus dem letzten
Jahrhundert begegnen könne, meinte ebenfalls Karl Mahrer (ÖVP).

Es handle sich bei keiner der Methoden um Massenüberwachung, sondern
um individuelle Maßnahmen aufgrund eines konkreten Verdachts,
argumentierte Harald Stefan (FPÖ). Im Zusammenhang mit dem Einsatz
staatlicher Überwachungssoftware meinte er, dass es im
internationalen Vergleich kein Land gebe, das den Deliktbereich so
eng fasse. Es sei zwar richtig, dass es jetzt noch keine
Überwachungsprogramme gebe, um ausschließlich Nachrichten
auszuspielen, während der zweijährigen Vorlaufzeit werde eine solche
Software allerdings gebaut.

Auch Philipp Schrangl (FPÖ) bezeichnete das Sicherheitspaket etwa
angesichts der Zuwächse in der Cyberkriminalität als "vorausschauende
Politik". Es gehe nicht an, dass Schwerkriminelle im 21. Jahrhundert
angekommen seien, die Polizei und Strafverfolgungsbehörden aber
hinten nach hinken müssen. (Fortsetzung Justizausschuss) keg

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