- 04.04.2018, 15:55:28
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Bundesrat: ÖVP und FPÖ warnen vor zu viel Bürokratie bei EU-Regelung atypischer Arbeitsverhältnisse
ÖVP und FPÖ beschließen Antrag auf Mitteilung, SPÖ-Antrag abgelehnt
Utl.: ÖVP und FPÖ beschließen Antrag auf Mitteilung, SPÖ-Antrag
abgelehnt =
Wien (PK) - Der Vorschlag der EU-Kommission zur Regelung atypischer
und prekärer Beschäftigungsverhältnisse (Änderung der Richtlinie über
transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen) stößt weiterhin auf
geteilte Meinung im Bundesrat. Der EU-Ausschuss der Länderkammer
schickte heute mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ dazu eine Mitteilung
nach Brüssel, in der die beiden Fraktionen ihre Bedenken
zusammenfassen. Die SPÖ unterstützt hingegen die EU-Initiative. Ihr
diesbezüglicher Antrag auf Mitteilung fand jedoch nicht die
erforderlich Mehrheit.
Österreich gegen Arbeit auf Abruf
Die Vorlage war bereits am 13. März Thema im Ausschuss (siehe Meldung
der Parlamentskorrespondenz Nr. 260/2018), wobei auch damals die
Meinungen zwischen SPÖ einerseits und den Regierungspartnern ÖVP und
FPÖ andererseits auseinandergingen. Konsens herrschte aber darüber,
dass atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse keine wünschenswerte
Entwicklung darstellen und Arbeitnehmerschutz wichtig sei, wie dies
Edgar Mayer (ÖVP/V), Stefan Schennach (SPÖ/W) und Monika Mühlwerth
(FPÖ/W) explizit unterstrichen. Vor allem sollte es keine
Beschäftigungsverhältnisse auf Abruf beziehungsweise Null-Stunden-
Verträge geben, so die einhellige Meinung.
Auch das Wirtschaftsministerium sieht derartige Verträge äußerst
kritisch und befürchtet, dass derartige Null-Stunden-Verträge durch
den Kommissionsvorschlag eine gewisse Legitimation erfahren. Aus
österreichischer Sicht sind auf jeden Fall Arbeitszeiten zu
vereinbaren, wie die zuständige Beamtin des Ressorts unterstrich. Sie
zeigte sich jedoch in dieser Hinsicht nicht allzu optimistisch und
meinte, es sei jedenfalls anzustreben, dass die Mitgliedsstaaten
nicht gezwungen werden, Null-Stunden-Verträge vorzusehen.
Die Materie kam auch deshalb noch einmal auf die Tagesordnung des
Ausschusses, weil man Gespräche mit den Sozialpartnern auf EU-Ebene
abwarten wollte. So habe es Annäherungen bei der
Mehrfachbeschäftigung gegeben, hieß es aus dem
Wirtschaftsministerium, im Hinblick auf eine Begrenzung sollen etwa
auch gesundheitliche Gründe geltend gemacht werden können. Bei allen
anderen Punkten hätten die Sozialpartner jedoch keine Einigung
erzielen können. Problematisch aus heimischer Sicht bleiben die
Verfahrensvorschriften und die Kündigungsbestimmungen inklusive der
Beweislastumkehr. Zur umstrittenen Definition des
ArbeitnehmerInnenbegriffs liegen noch sehr viele unterschiedliche
Vorschläge vor, sodass aus jetziger Sicht auch diesbezüglich noch
keine Einigung in Sicht ist.
ÖVP und FPÖ plädieren für weniger Bürokratie und mehr Flexibilität
Die ArbeitnehmerInnen haben ein Recht auf bessere Information,
bessere Arbeitsbedingungen und mehr Transparenz, machte
Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (ÖVP/V) klar, der Entwurf berge
aber zu viele bürokratische Hürden in sich. Man müsse aufpassen, dass
sich angesichts zu vieler Vorschriften UnternehmerInnen veranlasst
sehen, niemanden mehr einzustellen, warnte Monika Mühlwerth (FPÖ/W),
denn damit wäre der Sache nicht gedient.
Die ÖVP-FPÖ-Mehrheit im Ausschuss stößt sich insbesondere daran, dass
die Richtlinie auch für Selbständig Erwerbstätige geltend sein soll,
was stark in die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen eingreifen
würde. Außerdem stellen die LändervertreterInnen die Sinnhaftigkeit
zahlreicher neuer Informationspflichten und Mindestbedingungen in
Frage. So soll der Arbeitgeber am ersten Tag des
Beschäftigungsverhältnisses dem Arbeitnehmer eine schriftliche
Information über dessen Arbeitsbedingungen zukommen lassen. Die
Streichung der derzeit übliche Frist von zwei Monaten würde dem
nationalen Gesetzgeber jeglichen Handlungsspielraums nehmen, so die
Kritik. Ebenso will die EU vorschreiben, dass auch Änderungen im
Arbeitsverhältnis spätestens an dem Tag des Wirksamwerdens der
Änderung übergeben werden müssen, was aus Sicht des Bundesrates
einschränkend wäre und eine Mehrbelastung durch höhere Bürokratie zur
Folge hätte. Abgelehnt wird zudem die zwingende Beweislastumkehr zu
Ungunsten des Arbeitgebers, da dies in keiner Weise auf nationale
Bedingungen Rücksicht nehme. Die ÖVP-FPÖ-Ausschussmitglieder sprechen
sich in diesem Zusammenhang für eine flexiblere Lösung aus. In vielen
Bereichen sei aufgrund der guten sozialpartnerschaftlichen Regelungen
eine elastischere Handhabung dieser zwingenden Beweislastumkehr
wichtig, meinen sie.
Ähnlich sieht dies auch die Wirtschaftskammer, deren Vertreterin
unterstrich, dass Vollzeitdienstverhältnisse noch immer 40% ausmachen
und bei der Teilzeit ein hohes Schutzniveau herrsche. Man stehe einer
Modernisierung der Richtlinie nicht im Wege, sagte sie, diese dürfe
aber nicht mehr Bürokratie mit sich bringen.
SPÖ unterstützt Initiative der EU-Kommission
Im Gegensatz dazu begrüßt die SPÖ den EU-Vorschlag ausdrücklich,
zumal der Anteil an atypischen Beschäftigungsverhältnissen im Jahr
2016 bereits ein Viertel aller Arbeitsverträge betraf und mehr als
die Hälfte der in den letzten zehn Jahren neu geschaffenen
Arbeitsplätze atypisch waren. Stefan Schennach (SPÖ/W) wies auch
darauf hin, dass vor allem der Anteil der jüngeren ArbeitnehmerInnen
im Alter von 20 bis 30 Jahren mit befristeten oder sonstigen
Verträgen oder auch keinem Vertrag doppelt so hoch ist wie bei den
älteren ArbeitnehmerInnen.
Konkret unterstützen die SPÖ-BundesrätInnen im Sinne der europäischen
Säule sozialer Rechte den verbesserten Zugang der ArbeitnehmerInnen
zu Informationen über ihre Arbeitsbedingungen, ferner das Ziel, die
Arbeitsbedingungen allgemein zu verbessern und die entsprechenden
Normen auch effektiver durchsetzen zu können. Sie sprechen sich auch
für eine größere Transparenz unter Vermeidung eines unnötigen
Aufwands für die Unternehmen aus. Die im Vorschlag enthaltenen
Mindestanforderungen bewerten die SPÖ-BundesrätInnen wie auch die
Arbeiterkammer als einen Schritt in die richtige Richtung, halten
diese aber für viel zu wenig ambitioniert. Sie drängen daher darauf,
prekäre Beschäftigungen gänzlich zu untersagen beziehungsweise
zurückzudrängen und fordern ein neues soziales Aktionsprogramm
inklusive verbindlicher sozialer Mindeststandards auf hohem
Schutzniveau. Die SozialdemokratInnen unterstützen ausdrücklich die
Verpflichtung, ArbeitnehmerInnen über Modalitäten und die Vergütung
von Überstunden bereits im Vorfeld zu unterrichten, Arbeit auf Abruf
lehnen sie kategorisch ab.
Die Vorschläge der EU-Kommission
Das übergeordnete Ziel der vorgeschlagenen Richtlinie ist laut
Kommission, sichere und verlässliche Beschäftigung zu fördern und
gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarkts zu erhalten
sowie die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Um dieses zu erreichen, soll der Zugang der ArbeitnehmerInnen zu
Informationen, etwa hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen,
erleichtert und die Arbeitsbedingungen vor allem in neuen und
atypischen Beschäftigungsverhältnissen verbessert werden. Angestrebt
wird auch die tatsächliche Durchsetzung der Bestimmungen für die
Arbeitsbedingungen. Das Papier sieht etwa die Angleichung des
Begriffs ArbeitnehmerIn an die Rechtsprechung des EuGH sowie die
Aufnahme neuer Beschäftigungsformen in den Geltungsbereich der
Richtlinie vor. Es soll auch ein schriftliches, erweitertes und
aktualisiertes Informationspaket für die ArbeitnmeherInnen geben -
etwa bezüglich der Probezeit, der Kündigung oder der Fortbildung -
und zwar gleich ab dem ersten Tag und nicht, wie bisher innerhalb von
zwei Monaten ab Beschäftigungsbeginn. Strittig in den Verhandlungen
ist auch die Verpflichtung der ArbeitgeberInnen, auf Ersuchen der
ArbeitnehmerInnen über das Vorhandensein sicherer und verlässlicher
Arbeitsverhältnisse schriftlich zu informieren.
ArbeitnehmerInnen sollen sich in Hinkunft auch auf neue Mindestrechte
stützen können, darunter unter anderem auf das Recht auf bessere
Planbarkeit der Arbeitszeit, das Recht auf Ruhepausen und bezahlten
Urlaub sowie das Recht auf verpflichtende Fortbildung ohne Lohnabzug.
Die Höchstdauer der Probezeit soll sechs Monate betragen. Auch soll
der Arbeitgeber in Hinkunft eine Mehrfachbeschäftigung nicht mehr
verbieten dürfen.
Ein weiterer Aspekt des Vorschlags betrifft die Stärkung des
Rechtsschutzes. ArbeitnehmerInnen sollen von den ArbeitgeberInnen
verlangen können, schriftliche stichhaltige Gründe für eine Kündigung
oder eine vergleichbare Maßnahme anzuführen. Geht es nach der
Kommission, wird die Beweislastumkehr gelten. (Fortsetzung EU-
Ausschuss des Bundesrats) jan
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