Nationalrat beschließt mit Koalitionsmehrheit Entlastungspaket
Utl.: Nationalrat beschließt mit Koalitionsmehrheit Entlastungspaket =
Wien (PK) - Nach der bereits gestern beschlossenen Senkung der
Mehrwertsteuer auf Nächtigungen hat der Nationalrat heute ein zweites
Entlastungsgesetz verabschiedet. Durch eine Novellierung des
Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes werden ab Juli dieses
Jahres rund 450.000 ArbeitnehmerInnen geringere bzw. keine
Arbeitslosenversicherungsbeiträge mehr zahlen. Konkret betrifft das
jene, deren monatliches Gehalt zwischen 1.381 € und 1.948 € liegt.
Insgesamt gehen dadurch nach den Berechnungen des Sozialministeriums
Einnahmen von 140 Mio. € verloren. Für die Gesetzesnovelle stimmten
lediglich die Koalitionsparteien, die Opposition hat eine Reihe von
Vorbehalten.
Der SPÖ bereitet vor allem die Streichung eines kleinen Passus im
Gesetz Sorge. Dieser hatte bisher ausdrücklich normiert, dass
Einnahmenausfälle, die dem Bereich Arbeitsmarktpolitik durch
reduzierte Arbeitslosenversicherungsbeiträge erwachsen, aus dem
allgemeinen Budget abzugelten sind. Da das nicht nur die aktuelle
Beitragssenkung sondern auch bereits geltende Rabatte betrifft,
werden nach Schätzung der Abgeordneten künftig rund 500 Mio. € für
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Aus- und Weiterbildungsprogramme
fehlen. Vor allem behinderte Menschen und Langzeitarbeitslose über 50
seien die Leidtragenden, da diese Gruppen trotz der boomenden
Konjunktur keinen Arbeitsplatz finden, glaubt Ex-Sozialminister Alois
Stöger.
Ein Abänderungsantrag der SPÖ, der auf die Beibehaltung des Passus
abzielt, fand allerdings keine Mehrheit. Die Bestimmung sei nicht
notwendig, da Abgänge in der Gebarung Arbeitsmarktpolitik ohnehin vom
Bund zu tragen sind, argumentierte ÖVP-Sozialsprecher August
Wöginger.
Die errechnete Entlastung der betroffenen ArbeitnehmerInnen im Ausmaß
von 140 Mio. € ist nach Meinung der SPÖ außerdem nicht richtig. Durch
die reduzierten Arbeitslosenversicherungsbeiträge steige die
Steuerbemessungsgrundlage, was dazu führe, dass sich der
Finanzminister über 50 Mio. € mehr an Lohnsteuer freuen könne, gab
SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch zu bedenken. Damit werde Geld vom
Sozialministerium in Richtung Finanzressort verschoben, ergänzte
Stöger. Die SPÖ pochte außerdem auf eine Entlastung der niedrigsten
EinkommensbezieherInnen, sie konnte sich mit der Forderung nach einem
wesentlichen Ausbau der "Negativsteuer" aber nicht durchsetzen.
Als wenig zielführend qualifizierte auch NEOS-Abgeordneter Gerald
Loacker die Gesetzesnovelle. Er glaubt, dass vor allem
Teilzeitbeschäftigte von der Beitragssenkung profitieren werden.
Damit werde Teilzeit im Vergleich zu Vollzeit erneut ein Stück
attraktiver gemacht. Teilzeitanreize würden aber dazu führen, dass
vor allem Frauen auf Vollzeitarbeit verzichten und damit von
Altersarmut bedroht seien, macht Loacker geltend. Eine sinnvollere
Entlastungsmaßnahme wäre seiner Ansicht nach die Abschaffung der
"kalten Progression". Dass die Beitragssätze unterjährig geändert
werden, ist für ihn außerdem "ein bürokratischer Wahnsinn".
Kritik an der Gesetzesnovelle hatte auch die Liste Pilz im
Sozialausschuss geübt. In der heutigen Debatte meldete sie sich nicht
zu Wort.
Sozialministerin Hartinger-Klein versichert: "Ich habe genug Geld"
Die Einwände der Oppositionsparteien sind für ÖVP und FPÖ allerdings
nicht nachvollziehbar. Faktum sei, dass den Menschen künftig mehr im
Geldbörsel bleibt, sagte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Mit der Novelle
würden vor allem niedrige EinkommensbezieherInnen entlastet. "140
Mio. € sind nicht nichts", so die Abgeordnete. Ihr Fraktionskollege
Peter Wurm geht von einer monatlichen Durchschnittsentlastung der
betroffenen ArbeitnehmerInnen von 30 € aus. Vor allem Frauen würden
überproportional von der Entlastung profitieren. Belakowitsch ist
überzeugt, dass das Geld sofort wieder in den Konsum geht und damit
auch die Wirtschaft gestützt wird.
Den Einwand, das künftig weniger Mittel für Arbeitsmarktpolitik zur
Verfügung stehen werden, lässt Belakowitsch nicht gelten. Sie gebe
Abgeordnetem Muchitsch zwar recht, aufgrund der guten Konjunktur und
der damit verbundenen sinkenden Arbeitslosigkeit sei aber
sichergestellt, dass heuer pro Kopf gleich viel Geld zur Verfügung
steht wie 2017.
In dieselbe Kerbe schlug Sozialministerin Beate Hartinger-Klein. "Ich
kann Sie beruhigen, ich habe genug Geld", hielt sie in Richtung SPÖ
fest. Das gelte auch für die Unterstützung von Arbeitslosen, für die
pro Kopf mehr Geld zur Verfügung stehen werde. Die Regierung entlaste
diejenigen, die das brauchen, betonte Hartinger, sie habe bisher
gedacht, dass das auch ein Anliegen der SPÖ sei. Die Sistierung der
Aktion 20.000 begründete die Ministerin mit der fehlenden
Nachhaltigkeit.
Seitens der ÖVP wies Tanja Graf den Vorwurf der sozialen Kälte
zurück. Vielmehr sei es großes Ziel der Regierungsparteien, die
arbeitenden Menschen zu entlasten und die Abgabenquote insgesamt zu
senken. Das trage zur Motivation bei und stärke die Kaufkraft. "Wir
setzen das um, was wir den Menschen vor der Wahl versprochen haben",
bekräftigte auch ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger.
In Richtung Abgeordnetem Loacker fragte Wöginger, warum
Teilzeitkräfte nicht entlastet werden sollten. Den von Loacker
beklagten bürokratischen Mehraufwand für Unternehmer sieht Graf als
unproblematisch.
Konkret werden durch den Gesetzesbeschluss ab Juli folgende
Beitragsätze zur Arbeitslosenversicherung für ArbeitnehmerInnen
gelten: 0% bei einem Monatseinkommen bis 1.648 € (derzeit 1.381 €),
1% bei einem Monatseinkommen zwischen 1.648 € und 1.798 € (derzeit
1.381 € bis 1.506 €), 2% bei einem Monatseinkommen zwischen 1.798 €
und 1.948 € (derzeit 1.506 € und 1.696 €). Erst darüber wird der
normale Beitragssatz von 3% fällig. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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