• 21.03.2018, 13:20:09
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Motto der österreichischen Ratspräsidentschaft: "Ein Europa, das schützt"

Hauptausschuss diskutiert aktuelle EU-Themen im Vorfeld des Europäischen Rats

Utl.: Hauptausschuss diskutiert aktuelle EU-Themen im Vorfeld des
Europäischen Rats =

Wien (PK) - Die österreichische Ratspräsidentschaft wird unter dem
Motto "ein Europa, das schützt" stehen, wie Bundeskanzler Sebastian
Kurz und EU-Minister Gernot Blümel heute im EU-Hauptausschuss des
Nationalrats betonten. Dabei spiele die Subsidiarität die zentrale
Rolle. Gemeinsam mit der EU-Kommission wolle man ein "subsidiäreres"
Europa. Die EU solle nicht bürokratischer werden, sondern dort
stärker, wo man es im Sinne eines besseren Schutzes braucht. Die
derzeitige Überregulierung habe einfach keinen Mehrwert mehr, sagte
Blümel. Man habe auch angeboten, die Ergebnisse der von
Kommissionspräsident Jean Claude Juncker eingesetzten Taskforce zur
Subsidiarität während der österreichischen Präsidentschaft zu
präsentieren.

Konzentrieren soll sich demnach die EU auf die Eindämmung der
illegalen Migration. Klares Ziel sei, so Bundeskanzler Kurz, die
ständige Diskussion über die Verteilung der Flüchtlinge "hinter uns
zu lassen", da dies ohnehin nicht funktioniere. Der Fokus der EU
sollte vielmehr auf dem Schutz der Außengrenzen liegen. FRONTEX
brauche ein neues Mandat, die Staaten mit EU-Außengrenzen müssten
verstärkt unterstützt werden, zudem sei es notwendig, die Kooperation
der EU mit den Herkunftsstaaten der Flüchtlinge und MigrantInnen zu
verbessern, umriss der Bundeskanzler die Ziele in dieser Frage nach
Wortmeldungen von Johann Gudenus (FPÖ) und Alma Zadic (PILZ). Dazu
werde es auch am 20. September in Salzburg ein Gipfeltreffen der
Staats- und RegierungschefInnen geben, kündigte die Regierungsspitze
an.

Zielpunkt sei aber auch, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zu
schützen, weshalb ein weiterer Schwerpunkt auf dem digitalen
Binnenmarkt liegen werde, so Kurz und Blümel. Kurz zeigte Sympathie
für eine digitale Besteuerung, um insbesondere Internetgiganten in
die Pflicht zu nehmen.

Schließlich gehe es auch um Stabilität in der Nachbarschaft - ein
wesentlicher Aspekt für die Sicherheit Europas. Denn wenn es auf dem
Westbalkan gut läuft, sei das auch gut für Europa, bekräftigten
beide. Ein Gipfel am 17. Mai in Sofia wird sich dieser
Herausforderung unter dem Titel "Ermutigungsgipfel" widmen,
berichtete EU-Minister Blümel und reagierte damit auf Fragen der
Abgeordneten Claudia Gamon (NEOS) und Alma Zadic (PILZ). Das
Schlussdokument sollte substantielle Formulierungen enthalten, womit
man auch ein starkes Signal an die betreffenden Staaten senden wolle.
Man spreche deshalb von einem "Ermutigungsgipfel", weil es eben kein
Beitrittsgipfel ist, stellte der EU-Minister klar.

Das Programm für die Ratspräsidentschaft werde im Juni dem
Europäischen Parlament präsentiert, man werde das selbstverständlich
auch gerne mit den österreichischen Mandatarinnen und Mandataren
diskutieren, sicherte Minister Blümel SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder
zu. Bei der Vorbereitung kooperiere man eng mit den Ministerien,
meinte er gegenüber Petra Steger (FPÖ). Die österreichische
Präsidentschaft sei die letzte volle Präsidentschaft vor den EU-
Wahlen, was eine hohe Beschlussdynamik erwarten lasse, so Blümel, der
dabei die Zahl von rund 200 Dossiers nannte.

Regierung skeptisch gegenüber Errichtung einer Europäischen
Arbeitsschutzbehörde

Der EU-Hauptausschuss fand im Vorfeld des kommenden europäischen Rats
am 22. und 23. März 2018 statt. Diskutiert wurde eine vielfältige
Themenpalette - angefangen vom Brexit, dem mehrjährigen Finanzrahmen
über die soziale Säule der Union bis hin zum internationalen Handel,
zu Russland und zur Türkei. Die SPÖ legte zwei Anträge auf
Stellungnahme vor, diese fanden jedoch keine ausreichende
Unterstützung.

Druck machen wollen die SozialdemokratInnen vor allem im Kampf gegen
das Lohn- und Sozialdumping, das in Europa noch immer an der
Tagesordnung stehe, wobei Österreich besonders stark davon betroffen
ist. Klubobmann Andreas Schieder (SPÖ) weist in seinem Antrag
insbesondere darauf hin, dass derzeit neue Regeln für die Entsendung
von Beschäftigten in andere EU-Länder ausverhandelt werden. Die SPÖ
spricht sich daher dafür aus, die Anhebung sozialer Standards in der
EU zum Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft unter dem
Titel soziale Fairness zu machen. Auf diesem Weg sollte ein
effektiver Beitrag zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping
geleistet werden. Sie unterstützt auch die Errichtung einer
europäischen Arbeitsschutzbehörde.

Im Gegensatz dazu zeigte sich EU-Minister Blümel skeptisch, da man
auch auf EU-Ebene im System sparen wolle, wie er sagte. Er sieht
jedenfalls keinen Mehrwert einer derartigen Behörde, außerdem halte
er die Errichtung einer solchen gerade im Hinblick auf die Diskussion
über den neuen Finanzrahmen für den falschen Zugang. Auch Dagmar
Belakowitsch (FPÖ) vertrat die Auffassung, dass eine solche Behörde
nichts bringe, sie setzt vielmehr auf ein Anti-Lohndumping-Gesetz.
Dem konnte sich Klubobmann Schieder (SPÖ) nicht anschließen. Er ist
überzeugt davon, dass eine solche Institution inhaltlich einen großen
Beitrag leisten könne. Der Antrag erhielt schließlich nur die Stimmen
von SPÖ und Liste Pilz und blieb damit in der Minderheit.

Kurz: Niemand will einen Handelskrieg mit den USA

Die SozialdemokratInnen thematisierten auch wieder die
Freihandelsverträge und brachten auch dazu einen Antrag auf
Stellungnahme ein, mit dem jedoch die anderen Fraktionen nicht
mitgehen konnten.

SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried erinnerte daran, dass die
Verhandlungen mit Japan, Singapur und Vietnam weitgehend
abgeschlossen seien und jene mit MERCOSUR und Mexiko kurz vor dem
Abschluss stünden. Über die Wiederaufnahme der TTIP-Verhandlungen
werde vom Präsidenten des Europäischen Rats laut nachgedacht, so die
SPÖ in ihrem Antrag, in Vorbereitung befänden sich Verhandlungen mit
Australien, Neuseeland und der Türkei. Die SPÖ-MandatarInnen wollten
in diesem Zusammenhang den Bundeskanzler auffordern, zu den
handelspolitischen Ausführungen der Schlussfolgerungen klarzustellen,
dass diese Handelsabkommen als gemischt eingestuft und daher auch dem
Nationalrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Einmal mehr sprechen
sie sich gegen Konzernklagerechte oder sonstige privilegierende
Bestimmungen für Konzerne aus und erinnern daran, dass die FPÖ
unmittelbar vor der Nationalratswahl 2017 einem ähnlich lauteten
Antrag der SPÖ zugestimmt habe.

Jörg Leichtfried (SPÖ) gab zu bedenken, dass die
Schiedsgerichtsklauseln, die ursprünglich als Schutz für Investoren
in unseren Ländern gedacht waren, sich zu einem Instrument entwickelt
hätten, um Vorteile für Konzerne gegenüber der Rechtsprechung
durchzusetzen. Eine solche Klausel hält er bei Verträgen mit Ländern,
die hohe rechtsstaatliche Standards aufweisen, für obsolet.

Dem widersprach Peter Haubner (ÖVP) vehement und meinte, faire und
transparente Handelsabkommen würden einen großen Beitrag zu
Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung der Arbeitsplätze in
Österreich leisten. Wenn Österreich und die EU nicht dabei seien,
würde diese Lücke von anderen Ländern gefüllt werden, warnte er und
wies unter anderem darauf hin, dass Japan der zweitgrößte
Handelspartner im asiatischen Raum ist. Was die Sorgen in Bezug auf
MERCOSUR betrifft, so meinte Bundeskanzler Kurz, Österreich nehme
starken Einfluss darauf, damit die heimische Landwirtschaft und
heimische Produkte nicht unter Druck kommen.

Einen multilateralen Handelsgerichtshof sieht der Bundeskanzler
positiv, wie er gegenüber Claudia Gamon (NEOS) festhielt. Österreich
präferiere eine große Lösung, denn eine solche sei allemal besser als
Einzelabkommen.

Die Abgeordneten verliehen auch ihrer Sorge über die Ankündigung von
US-Präsident Donald Trump Ausdruck, Schutzzölle einzuführen. Man habe
in dieser Sache viele Gespräche geführt, jedoch mit mäßigem Erfolg,
berichtete Bundeskanzler Sebastian Kurz. Nun sei darüber zu
diskutieren, wie man darauf reagiert. Er jedenfalls sei für eine
maßvolle Reaktion, denn niemand könne einen Handelskrieg mit den USA
wollen. Wie der Bundeskanzler festhielt, sei man derzeit "alarmiert",
man hoffe aber, den Schaden in Grenzen zu halten. Problematisch sei
die Sache nur, wenn die Zölle auf Aluminium und Stahl nur einen
ersten Schritt darstellen sollten.

EU-Minister Blümel bestätigte gegenüber dem Ausschuss, dass man in
der EU bemüht sei, Ausnahmen zu erhalten, wie diese auch für Kanada
und Mexiko gelten. Wenn nicht, werde man alle Möglichkeiten im Rahmen
der WTO in Anspruch nehmen.

Regierung bleibt bei Nein zu höheren EU-Beiträgen

Thema im Ausschuss waren auch die Brexit-Verhandlungen, wobei sich
sowohl der Bundeskanzler als auch der EU-Minister zufrieden über die
jüngst erzielten Fortschritte zeigten. Für die Übergangsperiode gelte
nun das Acquis, was die zukünftige Zusammenarbeit betrifft, so wolle
der Europäische Rat Leitlinien verabschieden. Jedenfalls soll das
Verhältnis mit dem Nichtmitgliedsland Großbritannien so eng wie
möglich sein, sagte Blümel, der gleichzeitig klarmachte, dass sich
Großbritannien im Binnenmarkt keinesfalls die Rosinen herauspicken
könne. Man strebe jedenfalls eine möglichst enge wirtschaftliche
Zusammenarbeit an, betonte Blümel. Auch die Kooperation im
Sicherheitsbereich müsse eng sein. Klubobmann Reinhold Lopatka (ÖVP)
hatte im Vorfeld dieser Aussagen hinsichtlich des Brexit von einer
der größten institutionellen Herausforderungen gesprochen.

Thematisiert wurden dabei selbstverständlich auch wieder die
Beitragszahlungen, wobei sowohl Kurz als auch Blümel einmal mehr
festhielten, dass Österreich nicht bereit sei, mehr ins EU-Budget
einzuzahlen. Es könne nicht sein, dass die Zahlungen automatisch
höher werden, wenn die EU kleiner wird, merkte dazu Blümel an. Er
wisse aber, dass Österreich damit gegen die Linie des EU-Parlaments
argumentiere.

Einen immer wieder ins Spiel gebrachten Europäischen Finanzminister
sieht die Regierung skeptisch, ebenso neue Regelungen für die
Eurozone. Bevor man neue Regeln einführt, sollte man dafür sorgen,
dass die alten eingehalten werden, meinte dazu Bundeskanzler Kurz.

Thema Türkei und Russland

Wenn es auch zwischen den früheren Regierungspartner SPÖ und ÖVP viel
Dissens gibt, so kam in der Türkeifrage das Signal zur Unterstützung
der Regierungslinie. Jörg Leichtfried meinte, der Standpunkt des
Bundeskanzlers, wonach Beitrittsverhandlungen mit dem Land keinen
Sinn machen und man vielmehr eine enge Zusammenarbeit über einen
Nachbarschaftsvertrag anstreben sollte, sei durchaus positiv zu
diskutieren. Der Bundeskanzler anerkannte in diesem Zusammenhang die
jüngsten Bemühungen von Außenministerin Karin Kneissl, das bilaterale
Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei zu entspannen. Die
Verhandlungen zur Zollunion mit der Türkei seien auf Eis gelegt,
berichtete er, Voraussetzung für eine Modernisierung des Abkommens
sei eine Änderung der Politik des Landes.

Was die Beziehungen zu Russland betrifft, so sprach sich
Bundeskanzler Kurz für einen ständigen Dialog aus, gleichzeitig hielt
er fest, dass völkerrechtswidriges Verhalten zu sanktionieren sei.
Angesprochen von Claudia Gamon (NEOS) auf den Giftanschlag auf einen
Agenten und seine Tochter in Großbritannien, unterstrich der
Bundeskanzler die volle Solidarität mit Großbritannien. Der Vorfall
sei strikt zu verurteilen und aufzuklären. Dabei erwarte man sich ein
konstruktives Verhalten von Seiten Russlands. Er rief aber zur
Vorsichtig auf, einem Staat die volle Verantwortung zuzuschreiben,
denn wenn die Chemikalie auch aus Russland komme, sei nicht sicher,
dass Russland diese auch selbst verwende. (Schluss Hauptausschuss)
jan

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