- 19.03.2018, 18:14:58
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- OTS0173
BVT-Affäre schlägt auch im Parlament hohe Wellen
Opposition blitzt mit Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl ab
Utl.: Opposition blitzt mit Misstrauensantrag gegen Innenminister
Kickl ab =
Wien (PK) - Die Causa BVT schlägt auch im Parlament hohe Wellen. Die
Opposition nutzte die von ihr verlangte Sondersitzung des
Nationalrats dazu, um massive Kritik an den "überfallsartigen"
Hausdurchsuchungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz und
Korruptionsbekämpfung zu üben. Es stehe der Verdacht im Raum, dass es
um parteipolitisch motivierte Umfärbungen beim Staatsschutz gehe,
waren sich SPÖ, NEOS und Liste Pilz einig. Insgesamt 40 Detailfragen
zu vier Themenkomplexen richtete SPÖ-Chef Christian Kern im Rahmen
einer Dringlichen Anfrage an Innenminister Herbert Kickl, mit den
Antworten waren aber weder er noch die beiden kleinen
Oppositionsparteien zufrieden. Ein von der Liste Pilz eingebrachter
Misstrauensantrag fand jedoch keine Mehrheit.
Innenminister Kickl wertete die Anschuldigungen als haltlos. Es sei
Zeit, zu den Fakten zu kommen und die Verschwörungstheorien beiseite
zu legen, hielt er in Richtung Opposition fest und bekräftigte
mehrfach, dass es sich bei den Hausdurchsuchungen um ein
rechtsstaatlich korrekt abgelaufenes Verfahren handle. Zudem wies er
auf die Zuständigkeit des Justizministeriums hin. Hinter Kickl
stellten sich auch die Abgeordneten der FPÖ und ÖVP.
Gleich zu Beginn der Sitzung hatte Nationalratspräsident Wolfgang
Sobotka an die Abgeordneten appelliert, angesichts des sensiblen
Themas Sicherheit das Gebot der Sachlichkeit zu beachten und einander
in der Debatte respektvoll zu behandeln. Bereits vergangene Woche
hatte sich der Bundesrat mit der BVT-Affäre befasst, dort auf Basis
von zwei Dringlichen Anfragen der Grünen (siehe
Parlamentskorrespondenz Nr. 281/2018).
SPÖ zieht Dringlichkeit der Hausdurchsuchung in Zweifel
Wie die SPÖ in der Dringlichen Anfrage festhält, gibt es in der Causa
BVT nach wie vor viele offene Fragen. So zieht SPÖ-Chef Christian
Kern die behauptete Dringlichkeit der Hausdurchsuchung beim BVT und
in mehreren Privatwohnungen von BVT-Mitarbeitern in Zweifel. Die
Behörden hätten schon seit geraumer Zeit im Umfeld des BVT ermittelt,
seit Anfang Februar sei dies auch dem - inzwischen suspendierten -
BVT-Leiter Peter Gridling bekannt gewesen. Warum sich die Lage am 27.
Februar dann offenbar so dramatisiert hat, dass um 22.30 Uhr eine
mündliche richterliche Genehmigung von einem Journalrichter eingeholt
werden musste, ist für ihn nach wie vor ein Rätsel. Die in der
Öffentlichkeit gemachten Aussagen seien jedenfalls voll von
Widersprüchen. Kern vermutet, dass es darum gegangen ist, die
MitarbeiterInnen des BVT einzuschüchtern.
Noch mysteriöser wird die Sache nach Meinung der SPÖ dadurch, dass
zwei der vier anonymen Zeugen bei ihren Aussagen vor der
Staatsanwaltschaft von einem Kabinettsmitglied des Innenministeriums
begleitet wurden. In diesem Zusammenhang wollte Kern von Kickl auch
wissen, was es damit auf sich hat, dass diese Zeugen offenbar um ihr
Leben und ihre Gesundheit fürchten. Zudem hinterfragte er die
Beauftragung der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität
(EGS) mit der Hausdurchsuchung sowie die Rolle des Generalsekretärs
im Innenministerium, Peter Goldgruber, in der gesamten Causa.
Was die Suspendierung des BVT-Leiters, Peter Gridling, betrifft,
stellte Kern den Verdacht in den Raum, dass es in Wahrheit um
parteipolitisches Mobbing mit dem Ziel einer Umfärbung des
Staatsschutzes geht. Darauf deuten ihm zufolge auch die massiven
Attacken von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gegen das BVT
hin. "Wir sind Zeugen eines Machtkampfs zwischen FPÖ- und ÖVP-
Seilschaften im Innenministerium." Die Verlierer seien die
PolizistInnen, die tägliche ihre Arbeit verrichten, die Bevölkerung
und die Sicherheit, sagte Kern, der auch insgesamt den Umgang der
Regierungsspitze mit der Causa kritisierte.
Ein eigener Fragenkomplex der Dringlichen Anfrage war der
Beschlagnahmung von Unterlagen der Leiterin des Extremismusreferats
des BVT gewidmet. Die Leiterin sei gerade dabei gewesen, Lageberichte
über die Online-Plattform "unzensuriert.at" und den "Kongress der
Verteidiger Europas" zu erstellen, wobei beide Plattformen als
äußerst fremdenfeindlich mit antisemitischen Tendenzen beurteilt
werden, heißt es dazu im Begründungstext. Kern sieht nicht zuletzt
deshalb einen engen Konnex zum Innenministerium, da Kickl den
Kongress im Herbst 2016 besucht habe und der ehemalige Chefredakteur
von "unzensuriert.at", Alexander Höferl, nunmehr Kommunikationschef
im Innenministerium ist. Kern fragt sich, was nun mit den
sichergestellten Daten passiert.
Der Innenminister habe keine 100 Tage gebraucht, um das Vertrauen der
österreichischen Bevölkerung in den Sicherheitsapparat zu
erschüttern, lautete Kerns Conclusio. Das BVT sei regelrecht
lahmgelegt worden. Das schade auch der internationalen Reputation
Österreichs und wirke sich negativ auf die gemeinsame Bekämpfung des
Terrorismus aus.
Diese Einschätzung teilte auch SPÖ-Abgeordneter Andreas Schieder. Er
ortet einen internen Machtkampf im Innenministerium "schwarz gegen
blau", den Kickl offenbar für sich entscheiden wolle. Schieder
forderte Kickl auf, Rechtsstaatlichkeit zu achten, Kontrolle
sicherzustellen und für Transparenz zu sorgen. Sich hinter dem
Generalsekretär des Justizministeriums zu verstecken, sei keine
Option. Auch dass Bundeskanzler Sebastian Kurz schweigt, ist Schieder
ein Dorn im Auge.
Kickl fordert "Fakten statt Verschwörungstheorien"
"Jetzt ist es Zeit dafür, dass wir zu den Fakten kommen und dass wir
die Verschwörungstheorien zur Seite legen", leitete Innenminister
Herbert Kickl die Beantwortung der Dringlichen Anfrage ein. Bei den
durchgeführten Hausdurchsuchungen handle es sich um ein
rechtsstaatlich korrekt abgelaufenes Verfahren, das noch dazu nicht
in seine Verantwortung, sondern in jene des Justizministeriums fällt,
sagte er. Es sei die Korruptionsstaatsanwaltschaft, die als Herrin
des Verfahrens die Ermittlungen leite und auch die Glaubwürdigkeit
von Zeugenaussagen beurteile. Dieser rechtsstaatliche Vorgang werde
von der SPÖ verunglimpft und skandalisiert, kritisierte Kickl.
Kickl vermutet, dass es der SPÖ nur darum geht, ihn anzupatzen, da
sie mit seiner Politik - etwa der strengen Trennung von Asyl und
Migration oder der Abschiebung abgelehnter AsylwerberInnen nach
Afghanistan - nicht einverstanden sei. Er lasse sich dadurch aber
nicht davon abhalten, gesetzeskonform zu agieren, betonte er. "Ich
sage Ihnen klipp und klar: Mich werden Sie nicht mundtot machen."
Stutzig mache ihn auch, dass die SPÖ jene, die einen Beitrag zur
Aufklärung von Straftaten leisten, so hinstelle, als ob diese die
Täter wären, sagte Kickl. Gleichzeitig würden die Beschuldigten im
Ermittlungsverfahren als Opfer dargestellt und Verstöße gegen den
Datenschutz bagatellisiert. Er habe nichts gegen Gridling,
versicherte Kickl und sogar dem Bundespräsidenten dessen
Funktionsverlängerung vorgeschlagen, er könne die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft gegen den BVT-Leiter aber nicht ignorieren.
Schließlich werde dieser nach wie vor als Beschuldigter geführt. Mit
parteipolitischer Umfärbung habe das nichts zu tun. Auch die Kritik
am Einsatz der EGS ließ Kickl nicht gelten: Diese habe nichts anderes
gemacht, als den Auftrag der Staatsanwaltschaft sauber und korrekt
durchzuführen.
Die Sicherheit Österreichs sieht Kickl durch die Causa nicht in
Gefahr. Die Zusammenarbeit mit den anderen Staaten gehe sehr gut
weiter. Zudem könne man nicht von einer Bedrohung der Sicherheit
sprechen, nur weil gegen fünf Beamte - von insgesamt 33.000 -
ermittelt werde. In Zweifel zog Kickl die Sinnhaftigkeit eines
Untersuchungsausschusses.
Insgesamt 58 Personen bei Hausdurchsuchungen im Einsatz
Auch in Beantwortung der einzelnen Fragen verwies Kickl immer wieder
auf die Zuständigkeit der Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und des Justizministeriums. So
bekräftigte er, dass die Betrauung der EGS mit der Hausdurchsuchung
beim BVT durch die Staatsanwaltschaft erfolgte. Die EGS habe über den
Einsatzort und die Einsatzzeit hinaus auch keinerlei Informationen
erhalten. Falsch seien auch Berichte, wonach die EGS-BeamtInnen
Langwaffen, Sturmhauben oder Helme getragen hätten, einige waren
Kickl zufolge aber mit Unterschutzwesten, Polizeijacken und einer
Dienstwaffe ausgerüstet. Aufgabe der EGS sei es gewesen, darauf zu
achten, dass keine Gegenstände beseitigt werden. Insgesamt waren bei
den Hausdurchsuchungen laut Innenminister 58 Personen im Einsatz. Die
Arbeit des Extremismusreferats sei durch die beschlagnahmten Daten
nicht gefährdet.
Dass ein Kabinettsmitarbeiter des Innenministeriums zwei Zeugen zur
Staatsanwaltschaft begleitet hat, erfolgte laut Kickl auf Wunsch der
beiden. Er habe diese Beiziehung weder beauftragt noch sei er davon
in Kenntnis gewesen. Was die befürchtete Gefahr für Leib und Leben
der Zeugen betrifft, verwies er auf die Zuständigkeit der
Ermittlungsbehörden.
Gegen Gridling ermittelt die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft Kickl zufolge wegen des Verdachts des
Amtsmissbrauchs. Durch diese Verdachtsmomente habe sich dessen
Suspendierung als unumgänglich erwiesen. Neben Gridling sind noch
drei weitere Beamte des BVT vorläufig suspendiert, zusätzlich ist ein
Vertragsbediensteter vom Dienst frei gestellt. Ein
Disziplinarverfahren wurde noch nicht in die Wege geleitet.
Das Dekret zur Weiterbestellung Gridlings als BVT-Leiter lag laut
Kickl bis zum Tag vor der erfolgten Übergabe beim Leiter der Sektion
I des Innenministeriums. Der nunmehrige provisorische Leiter des BVT
Dominik Fasching sei bereits von Gridling als dessen Stellvertreter
eingesetzt worden, ausgeschrieben werden soll die Stelle in den
nächsten Tagen. Der Vorwurf des Innenministeriums gegenüber Medien,
"Fake news" zu verbreiten, hat sich laut Kickl auf die falsche
mediale Darstellung der Rolle der EGS bei der Hausdurchsuchung und
deren Ausrüstung bezogen.
Amon: Justiz entscheidet über Korrektheit der Hausdurchsuchungen
Auch wenn manche der Meinung sein mögen, dass die durchgeführten
Hausdurchsuchungen überschießend waren und man das Ganze mit weniger
öffentlicher Aufmerksamkeit im Dienstweg erledigen hätte können,
letztendlich sei es die Justiz, die entscheide, ob die Vorgangsweise
gerechtfertigt war, sagte ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon.
Schließlich handle es sich bei einer Hausdurchsuchung um einen nicht
unwesentlichen Eingriff in Grundrechte. Dass es überhaupt dazu
gekommen ist, daran trägt seiner Ansicht nach auch "SPÖ-Parteianwalt"
Gabriel Lansky einen nicht unwesentlichen Anteil, habe dieser doch
eine Anzeige eingebracht. Lansky habe dafür gekämpft, dass Daten
gelöscht werden, die offenbar auch für die SPÖ heikel seien.
Vielleicht sei die SPÖ deshalb nervös, mutmaßt Amon.
Dem BVT gestand Amon zu, in den letzten Jahren eine hervorragende
Arbeit geleistet zu haben. Österreich sei eines der sichersten Länder
der Welt, warnte er davor, das Vertrauen in wichtige staatliche
Einrichtungen zu gefährden. Was den in Aussicht gestellten
Untersuchungsausschuss betrifft, meinte Amon, es sei der SPÖ
unbenommen, einen solchen einzusetzen. Für ihn ist die Frage
allerdings berechtigt, ob ein solcher zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll
ist. Zunächst seien einmal die Gerichte und die Justiz am Wort.
Rosenkranz: Anschuldigungen gegenüber Innenministerium sind haltlos
Eine "große Blase" und ein "Stürmchen im Wasserglas" nannte Walter
Rosenkranz (FPÖ) die Anschuldigungen gegen das Innenressort. Sowohl
die Hausdurchsuchung als auch die Beschlagnahme von Unterlagen seien
auf Initiative der Staatsanwaltschaft erfolgt, machte er geltend.
Zudem sei Kickl angesichts der Ermittlungen gegen Gridling nichts
anderes übrig geblieben, als diesen zu suspendieren.
Dass die SPÖ trotzdem den Innenminister attackiert, führt Rosenkranz
darauf zurück, dass dieser von Anfang an nicht das Vertrauen der
Sozialdemokraten gehabt habe. Zu Unrecht, wie er meint. Auch der
Vorwurf, dass das BVT gelähmt sei, geht für ihn angesichts des
Umstands, dass lediglich fünf Personen suspendiert sind, ins Leere.
Im Gegensatz zu Amon würde Rosenkranz einen Untersuchungsausschuss
begrüßen: Es werde dabei nichts herauskommen und die SPÖ "sich bis
auf die Knochen blamieren", prophezeite er.
Strolz ortet Machtkampf im Innenministerium
Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sprach sich auch
NEOS-Chef Matthias Strolz aus. Es gebe nach wie vor viele Fragen, die
nicht ausreichend geklärt seien, etwa was die Kriminalisierung des
BVT-Leiters betrifft. Außerdem sei es keine Kleinigkeit, wenn
Vizekanzler Heinz Christian Strache vermute, dass das BVT ein Staat
im Staat und durch und durch korrupt sei, betonte er. Dazu kämen
anonyme Anschuldigungen, die von sexuellen Übergriffen über
kriminelle Geschäfte und Erpressung bis hin zum Missbrauch von
Geheimdienstinformationen reichen. Letztlich gehe es um die Frage, ob
sich die Bevölkerung auf die Regierung und die Polizei verlassen
könne, so Strolz.
Strolz selbst ortet einen generellen Machtkampf im Innenministerium.
Es liefen dort Dinge, "die jenseits von Gut und Böse sind". Was
sichtbar sei, sei nur die Spitze eines Eisbergs. Es gehe nicht nur um
eine Umfärbung von schwarz auf blau, sondern auch um "einen schwarzen
Bruderkrieg". Auch die SPÖ, die laut Strolz ein "Stillhalteabkommen"
mit der ÖVP hatte, will der NEOS-Klubobmann nicht aus der
Verantwortung lassen.
Liste Pilz spricht Kickl das Misstrauen aus
Die bisherigen Antworten seien nicht ausreichend, hielt auch Peter
Kolba von der Liste Pilz fest. Die "überfallsartige Hausdurchsuchung"
werfe eine Reihe von dringlichen Fragen auf, die einer Aufklärung
harren, meinte er. Stattdessen würde die Öffentlichkeit aber bewusst
falsch informiert, "um die Dimension des Skandals zu vernebeln".
Kolba ist überzeugt, dass es im Grunde darum geht, das BVT
umzufärben. Durch das Vorgehen werde die Arbeit der
Verfassungsschützer aber massiv behindert, und das im Vorfeld der
österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, kritisierte er.
Innenminister Kickl habe dem BVT und dem Innenressort schweren
Schaden zugefügt. Mit diesem Argument begründete Kolba auch die
Einbringung des Misstrauensantrags.
Opposition sieht Vertrauen in den Rechtsstaat gebrochen
Auch der weitere Verlauf der Debatte stand im Zeichen heftiger Kritik
seitens der Opposition an der Vorgangsweise gegenüber dem BVT, wobei
die Wortmeldungen erkennen ließen, dass die Zeichen grundsätzlich auf
Untersuchungsausschuss stehen.
SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim erklärte die Art der
Untersuchungen für fragwürdig und übte überdies auch heftige Kritik
am EGS-Leiter Wolfgang Preiszler, dem er vorwarf, rassistische und
antisemitische Kommentare in den sozialen Medien gepostet zu haben.
Die Bevölkerung sei beunruhigt, das Vertrauen sei gebrochen, gehe es
doch um die Sicherheit des Staates und um die Zukunft einer Behörde,
die den Staat schützen soll, stellte seine Fraktionskollegin Angela
Lueger fest. Es bestehe Anlass zur Sorge, dass sensible Daten des
Rechtsextremismus-Büros in unbefugte Hände gekommen seien, meinte sie
ebenso wie Kai Jan Krainer (SPÖ), für den in Anbetracht der Umstände
der Suspendierung Gridlings der Verdacht der parteipolitischen
Umfärbung im Raum steht.
Seitens der NEOS sprach Stephanie Krisper von Machtübernahme im BVT
mit der Brechstange und bezeichnete die Hausdurchsuchung als nicht
gerechtfertigt. Vieles werde sich über den Rechtsweg klären lassen,
die politische Ebene bleibe dabei aber unbeleuchtet, gab sie zu
bedenken und plädierte für die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses. Auch nach Ansicht von Irmgard Griss (NEOS)
ist das Vertrauen in den Rechtsstaat durch die BVT-Affäre grundlegend
erschüttert worden. Kein Verständnis hat die ehemalige OGH-
Präsidentin für das Weisungsrecht des Justizministers über die
Staatsanwaltschaft, wobei sie unterstrich, erst wenn es in Österreich
einen unabhängigen Generalstaatsanwalt gebe, werde das Vertrauen in
die Justiz wieder hergestellt sein. Nicht durchsetzen konnte sich
Griss mit einem Entschließungsantrag, in dem sie standardisierte und
regelmäßige Kontrollen der Räumlichkeiten verfassungsmäßiger
Institutionen auf Abhörsicherheit einmahnte.
Die Regierung habe das Vertrauen in eine der wichtigsten
Sicherheitsbehörden erschüttert, schloss sich auch Alma Zadic (PILZ)
dem Chor der KritikerInnen an. Es herrsche nun europaweit die Sorge
vor, ob denn Österreich während der EU-Ratspräsidentschaft die
Sicherheit der ausländischen Staats- und Regierungschefs
gewährleisten könne. Auch Zadic forderte die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses, zumal ihrer Meinung nach eine Reihe offener
Fragen besteht. So sei nicht geklärt, welche Daten des
Rechtsextremismus-Büros sichergestellt wurden und wer nun darauf
Zugriff habe. Ihr Fraktionskollege Alfred Noll wiederum beleuchtete
die juristischen Aspekte und stellte fest, die Position des
Generalsekretärs im Innenministerium hätte ausgeschrieben werden
müssen, auch seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine
Suspendierung von BVT-Chef Gridling nicht vorgelegen. Man habe hier
offenbar eine unliebsame Person aus dem Amt entfernen wollen.
ÖVP setzt auf die Arbeit der unabhängigen Justiz
Die Regierungsparteien wiesen die Behauptungen der Opposition einmal
mehr mit Nachdruck zurück. So betonte ÖVP-Justizsprecherin Michaela
Steinacker, die Hausdurchsuchung sei auf Antrag der
Staatsanwaltschaft von einem unabhängigen Richter bewilligt worden.
Über die Rechtmäßigkeit werde nun ein unabhängiger Richtersenat
entscheiden. Einen Untersuchungsausschuss parallel zu den
Ermittlungen der Justiz hält Steinacker für nicht zielführend. Die
unabhängige Justiz werde die in der Dringlichen aufgeworfenen Fragen
klären, zeigte sich auch Karl Nehammer (ÖVP) überzeugt. Beleuchtet
sollten seiner Meinung nach aber auch die Rolle von Gabriel Lansky
bei der Sanierung der SPÖ-Parteifinanzen und die Betrauung des
Rechtsanwalts mit einem ÖBB-Vertrag werden.
FPÖ und Kickl weisen Behauptungen der Opposition scharf zurück
Die SPÖ produziere eine Agentenkomödie und wolle damit nur vom
Versagen ihres ehemaligen Bundeskanzlers Kern ablenken, verschärfte
Johann Gudenus (FPÖ) den Ton. Die Regierung bewege sich auf dem Boden
der Rechtsstaatlichkeit, schaffe mehr Sicherheit und sorge für mehr
Polizei. Nachdem gerade Kanzler Kern die Grenzen aufgemacht und den
Terror importiert habe, sei nun das BVT umso wichtiger, steht für
Gudenus fest. Die Opposition werfe mit unwahren Behauptungen um sich,
die schon mehrmals entkräftet worden sind, pflichtete ihm auch seine
Fraktionskollegin Marlene Svazek bei. Der Stoff, den die SPÖ vorlegt,
eigne sich höchstens für einen mittelmäßigen "Tatort", für das Hohe
Haus sei er aber entbehrlich. Eine "Märchenstunde" seien die
Anschuldigungen, bekräftige auch Hans Jörg Jenewein (FPÖ), der dazu
aufrief, mit parlamentarischen Instrumenten vorsichtiger umzugehen.
Wenn es schon einen Untersuchungsausschuss geben wird, dann sollte
dieser auch die Frage klären, wie es denn kommen konnte, dass in den
letzten Jahren immer wieder geheime Akten an die Medien
weitergeleitet wurden.
Von "Räubergeschichten" im Zusammenhang mit der Sicherung der Daten
des Rechtsextremismus-Büros sprach Innenminister Herbert Kickl. Als
Ressortleiter habe er selbstverständlich seit seinem Amtsantritt
jeden Zugriff zum Datenmaterial. Warum hätte er da "über zehn Ecken"
agieren sollen, wo doch ein Besuch bei der Behörde gereicht hätte,
erwiderte Kickl auf die Anschuldigungen der Opposition. (Schluss)
gs/hof
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