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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Montag, 19. März 2018, von Peter Nindler: "Heiliger Josef, schau oba"
Innsbruck (OTS) - So wie derzeit Schwarz-Grün beschäftigen sich
Koalitionsverhandler vor allem damit, wie sie ihre Interessen
durchbringen könnten. Und vergessen dabei gänzlich, was den Tirolern
tatsächlich unter den Nägeln brennt: nämlich leistbares Wohnen.
Koalitionsverhandlungen sind Rituale, schließlich soll ja nicht der
Eindruck entstehen, es sei ohnehin schon alles vor der Landtagswahl
ausgemauschelt worden. Aber unabhängig davon, welche
Zukunftsprogramme und neuen Gesichter schlussendlich mit dem
Koalitionspakt präsentiert werden: In den aktuellen schwarz-grünen
Regierungsgesprächen geht es insbesondere darum, dass sowohl ÖVP als
auch Grüne auf ihre eigene Klientel Rücksicht nehmen und für sie
verhandeln. Daraus entstehen dann die viel zitierten Knackpunkte, die
es immer noch auszuräumen gilt. Die Touristiker wollen ihre
Skigebiete, die Wirtschaftstreibenden schnellere Verfahren und die
Bauern weniger Naturschutz sowie gleichbleibende Förderungen. Die
Grünen positionieren sich wiederum als Umwelt-Fighter und fordern
mehr Schutzgebiete, kraftwerksfreie Zone am Inn inklusive.
Vielleicht verstauen Schwarze und Grüne am heutigen Josefitag
einmal ihre Partikularinteressen in den Schubladen ihrer
Parteizentralen und denken ausnahmsweise an die Interessen der
Gesamt-Bevölkerung. Was brennt den Tirolern am meisten unter den
Nägeln, zumal der heilige Josef nicht nur der Schutzpatron der
Arbeiter, sondern auch vom Land Tirol ist? Dabei wird es den
politischen Chefverhandlern wohl wie Schuppen von den Augen fallen,
was die wahren Herausforderungen für die Zukunft sind: Denn wer kann
sich das Land noch leisten, wann bringt die künftige Landesregierung
endlich einen gewichtigen und nachhaltigen Beitrag für leistbares
Wohnen in Tirol zustande?
Allein in Innsbruck sind die Mieten im Vorjahr wieder um 2,8
Prozent gestiegen, bis zu 16 Euro pro Quadratmeter werden
mittlerweile in der Landeshauptstadt verlangt. Andererseits wird der
Traum von den eigenen bzw. gemieteten vier Wänden für viele
Jungfamilien zum Albtraum. Weil vielerorts bereits die Hälfte des
Gehalts für das Grundbedürfnis Wohnen aufgewendet werden muss, reicht
das Einkommen zum Auskommen oft nicht mehr aus. Doch seit Jahren
nimmt die Politik achselzuckend Immobilienspekulation und
explodierende Grundstückskosten in Kauf. Die Baulandmobilisierung
gelingt mehr recht als schlecht, nach wie vor sind 3000 Hektar
gewidmetes Bauland unverbaut. Und obwohl die (illegalen)
Freizeitwohnsitze die Immobilienpreise weiter in die Höhe treiben,
hat der ÖVP-Bauernbund seinerzeit sogar Freizeitwohnsitze auf
Bauernhöfen durchgedrückt. Das ist Klientelpolitik in Reinkultur.
So gesehen kommt der heutige Josefitag während der
Regierungsgespräche gerade recht.
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