- 14.03.2018, 19:13:35
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Reformminister Moser will Österreich "neu bauen"
Aussprache über aktuelle Themen im Verfassungsausschuss des Nationalrats
Utl.: Aussprache über aktuelle Themen im Verfassungsausschuss des
Nationalrats =
Wien (PK) - Justizminister Josef Moser zeigte sich heute im
Verfassungsausschuss des Nationalrats zuversichtlich, dass es
gelingen kann, Österreich zumindest in Teilbereichen neu zu bauen.
Man müsse die zersplitterten Strukturen zusammenführen und die
Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Sinne eines "echten
Föderalismus" entflechten, sagte der in der Regierung auch für
Verfassung, Reformen und Deregulierung zuständige Minister bei einer
allgemeinem Aussprache über aktuelle Themen. Laut Moser sind die
Gespräche mit den Ländern über eine Beseitigung gegenseitiger
Blockademöglichkeiten und die Abschaffung des Artikels 12 der
Bundesverfassung bereits weit gediehen, nun soll eine Arbeitsgruppe
konkrete Umsetzungsschritte erarbeiten.
Neben Moser standen Bundeskanzler Sebastian Kurz und
Kanzleramtsminister Gernot Blümel den Mitgliedern des Ausschusses
Rede und Antwort, wobei die Themenpalette von den Schwerpunkten der
Regierungspolitik bis zur Mindestsicherung reichte. Laut Blümel gilt
es nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs nun ein
Mindestsicherungsmodell zu erarbeiten, dass den höchstgerichtlichen
Vorgaben entspricht, gleichzeitig aber auch dem seiner Meinung nach
zuletzt vernachlässigten Grundgedanken Rechnung trägt, dass die
Mindestsicherung eine Wiedereinstiegshilfe in den Arbeitsmarkt und
kein bedingungsloses Grundeinkommen sei. Das Budget für die
Volksgruppenförderung steht ihm zufolge noch nicht fest.
SPÖ hinterfragt Projekte zur Rechtsbereinigung und zur Beseitigung
von "Gold Plating"
Am meisten Raum in der Debatte nahmen die Reformprojekte von
Justizminister Josef Moser ein, insbesondere was die geplante
Rechtsbereinigung und die Neuordnung der Kompetenzen betrifft. Morgen
ist der Stichtag, bis zu dem die einzelnen MinisterInnen einmelden
müssen, welche Gesetze sie in ihrem Zuständigkeitsbereich für
überflüssig halten. Gleichzeitig hat der nunmehr im Justizministerium
angesiedelte Verfassungsdienst eine Liste erstellt, wie Moser
berichtete. Damit sei eine Doppelkontrolle gewährleistet. Es werde
außerdem in jedem Fall, so wie beim im Jahr 1999 verabschiedeten
Deregulierungsgesetz, eine "Positivliste" der abzuschaffenden Normen
geben, sicherte Moser SPÖ-Abgeordnetem Johannes Jarolim zu. Dieser
hatte zuvor die Befürchtung geäußert, dass weiter notwendige Gesetze
durchrutschen könnten, wenn man im Zuge der Beschlussfassung
ausschließlich darauf abstelle, welche Gesetze weiter Bestand haben
sollen.
Auch bezüglich der geplanten Beseitigung von "Gold Plating" ist laut
Moser ein partizipativer Prozess sichergestellt. In einem ersten
Schritt seien alle Akteure, darunter auch die Sozialpartner,
eingeladen worden, gesetzliche Bestimmungen zu melden, die über EU-
Vorgaben hinausgehen und weder aus volkswirtschaftlichen Überlegungen
noch im Interesse der Unternehmen bzw. ArbeiternehmerInnen notwendig
sind. Die Frist dafür läuft bis 15. Mai. Es solle nur das beseitigt
werden, was keinen Zweck habe, unterstrich Moser. Höhere
Umweltstandards, die es schon vor dem EU-Beitritt Österreichs gegeben
hat, seien in keinem Fall gefährdet.
Für SPÖ-Abgeordneten Andreas Schieder sind allerdings noch viele
Fragen offen. Er hoffe, dass es nicht die Umwelt und die
ArbeiternehmerInnen sind, die bei der Beseitigung von "Gold Plating"
draufzahlen, sagte er. Außerdem gab er zu bedenken, dass auch die
österreichischen Agrarförderungen, die über die Kofinanzierung von
EU-Förderungen hinausgehen, unter "Gold Plating" fallen. Eine
Einschätzung, die ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Berlakovich aber nicht
teilen wollte. Dass ÖPUL-Programm für eine ökologische Landwirtschaft
habe nichts mit "Gold Plating" zu tun.
Was die Kompetenzentflechtung betrifft, will Moser unter anderem das
Übergangsgesetz von 1920, das wechselseitige Zustimmungsrechte von
Bund und Ländern regelt, kippen. Dort ist unter anderem
festgeschrieben, dass der Bund bei der Bestellung von
LandesamtsdirektorInnen ein Wort mitzureden hat, während etwa die
Länder Einsprüche gegen die Änderung von Gerichtssprengeln einlegen
können. Für wenig zweckmäßig erachtet Moser außerdem jenen Artikel in
der Bundesverfassung, der für manche Bereiche die
Grundsatzgesetzgebung durch den Bund und die Ausführungsgesetzgebung
und die Vollziehung durch die Länder vorsieht. Österreich stehe
überall an der Spitze, wenn Geld ausgegeben werde, sagte Moser, bei
der Effizienz hinke man aber hinten nach.
FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan gab in diesem Zusammenhang zu
bedenken, dass die zersplitterten Kompetenzen ein wesentlicher
Hemmschuh für Reformen seien. Diese zu entflechten wird seiner
Meinung nach eine Herkulesaufgabe sein.
Moser will einheitliches Richterbild entwickeln
Forcieren will Moser auch die Entwicklung eines einheitlichen
Richterbilds. Da kommt es ihm zupass, dass das Justizministerium
nunmehr auch für das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist. Es gehe
nicht darum, die hervorragende Ausbildungsschiene für
VerwaltungsrichterInnen, die aufgebaut wurde, in Frage zu stellen,
sagte der Minister, man wolle aber einen Austausch fördern.
Wesentlich ist für ihn außerdem, weiterhin FachexpertInnen als
VerwaltungsrichterInnen zu gewinnen, um bei den Verwaltungsgerichten
nicht von GutachterInnen abhängig zu sein.
Im Bereich der Verwaltungsstrafen soll es laut Moser künftig möglich
sein, ersatzweise gemeinnützige Leistungen zu erbringen. Überdies
hält er im Sinne eines effizienten Strafverfahrens einen
einheitlichen Deliktskatalog für notwendig.
Keineswegs geplant sei, die Zuständigkeit für Strafrecht vom
Justizministerium ins Innenministerium zu transferieren, versicherte
Moser SPÖ-Abgeordnetem Jarolim. Dass die zur Verschärfung des
Sexualstrafrechts eingerichtete Taskforce von Innen-Staatssekretärin
Karoline Edtstadler geleitet wird, begründete er damit, dass es
innerhalb der Taskforce drei Arbeitsgruppen - eine für Strafrecht,
eine für Opferschutz und eine für Täterarbeit - gebe. Die
Arbeitsgruppe für Strafrecht werde vom Generalsekretär des
Justizministeriums Christian Pilnacek geleitet.
Rasch und klaglos ist Moser zufolge die Eingliederung des
Verfassungsdienstes in das Justizressort erfolgt. "Es war ein absolut
harmonischer Übergang."
Mindestsicherung: Blümel will neues Modell erarbeiten
Zum von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak angesprochenen Vfgh-Urteil
zur Mindestsicherung nahm Kanzleramtsminister Gernot Blümel Stellung.
Er erinnerte daran, dass die Mindestsicherung bei ihrer Einführung
als Wiedereinstiegshilfe in den Arbeitsmarkt gedacht war. Dieser
Grundgedanke sei beispielsweise in Wien aber verlorengegangen. Dort
habe sich die Mindestsicherung zu einem bedingungslosen
Grundeinkommen entwickelt, meinte Blümel. Da der
Verfassungsgerichtshof den eingeschlagenen Weg zur Reform der
Mindestsicherung nicht akzeptiert habe, müsse man nun einen anderen
Weg suchen. Scherak hatte dazu festgehalten, dass es mit dem
Vorarlberger Modell, das verstärkt auf Sachleistungen setzt, ein
verfassungskonformes Mindestsicherungsmodell gebe.
Gegenüber ÖVP-Abgeordnetem Berlakovich sicherte Blümel zu, dass die
Förderanträge der Volksgruppen künftig schneller abgewickelt werden.
Das Budget für die Volksgruppen steht ihm zufolge noch nicht fest.
Kurz: Regierung hat bereits etliche Meilensteine gesetzt
Auf die Schwerpunkte der Regierungspolitik ging Bundeskanzler
Sebastian Kurz ein. Man habe in den wenigen Monaten seit Amtsantritt
schon einige Meilensteine gesetzt und damit auch Wahlversprechen
eingelöst, sagte er und nannte als Beispiele etwa den Familienbonus,
die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für kleine
Einkommen, das Prinzip "Deutsch vor Schuleintritt" und die schnelle
Einigung bei der Universitätsfinanzierung. Der Regierung gehe es
darum, Österreich sicher zu machen, die Bevölkerung zu entlasten und
alles zu tun, um Österreich zukunftsfit zu machen.
Dem Einwand von Abgeordnetem Schieder (SPÖ) wonach massive Kürzungen
etwa bei Bahnprojekten und im Bildungsbereich drohen, hielt Kurz
entgegen, es sei das große Ziel der Regierung, dass arbeitenden
Menschen mehr Geld übrig bleibt. Um das zu gewährleisten, brauche es
einen schlanken Staat und einen sparsamen Umgang mit Steuergeld. ÖVP
und FPÖ seien außerdem für ihr Versprechen nach einer
Steuerentlastung gewählt worden.
Parallel dazu versuche die Regierung, ein ausgeglichenes Budget
zustande zu bringen, unterstrich Kurz. Internationale Beispiele
zeigten, dass eine ständige Überschuldung des Staates zu massiven
Sparprogrammen führe, die erst recht wieder die Ärmsten der Armen
treffen. Als Ziel der Arbeitsmarktpolitik nannte es Kurz, die
Menschen so schnell wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen
und sie nicht vom Staat abhängig zu machen.
Staatsziel Wachstum und Beschäftigung
Sowohl Kurz als auch Moser bekräftigten darüber hinaus das Vorhaben,
eine Staatszielbestimmung zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts in
der Verfassung zu verankern. Dieses Staatsziel werde den anderen
Staatszielen nicht übergeordnet, sondern diesen gleichrangig sein,
betonte Moser. Es gehe darum, Ökonomie, Ökologie und Soziales gleich
zu behandeln. Auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl machte
sich für eine entsprechende Verfassungsbestimmung stark. Susanne
Fürst (FPÖ) forderte darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Stärkung
des Wirtschaftsstandorts wie die Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Bürokratieabbau.
(Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs
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