• 22.02.2018, 22:00:01
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  • OTS0213

TIROLER TAGESZEITUNG: "Stimmungsmache-Demokratie", von Michael Sprenger

Ausgabe vom 23. Februar 2018

Utl.: Ausgabe vom 23. Februar 2018 =

Innsbruck (OTS) - Der Ausbau der direkten Demokratie soll ein Mehr an
Bürgerbeteiligung bringen. Doch der Preis dafür ist eine
Schwarz-Weiß-Demokratie, bei der sich Ja- und Neinsager austoben
können. Ein Plädoyer zum Innehalten.

Es mag stimmen, dass die Frage, ob es in Österreich ein generelles
Rauchverbot in der Gastronomie geben soll, geradezu ideal für eine
Volksentscheidung ist. Handelt es sich doch um ein typisches Bauch-
und Betroffenheitsthema, bei dem jede Bürgerin, jeder Bürger einen
persönlichen Zustand hat. Genau das ist das Problem. Nein, es geht
nicht darum, ob der Schatten auf der Lunge vom Rauchen kommt, es geht
nicht darum, ob es dem Personal zumutbar ist, in einem Lokal arbeiten
zu müssen, wo die Luft zum Scheiden ist. Das alles wissen wir.
Rauchen kann tödlich sein. Es geht darum, ob die so genannten Bauch-
und Betroffenheitsthemen wirklich so idealtypisch für die direkte
Demokratie geeignet sind.
Sie sind es eben nicht. Aufgrund der wissenschaftlichen Arbeiten
von Daniel Kahneman wissen wir ob des schnellen und langsamen Denkens
Bescheid. Jeder von uns beherrscht diese beiden Formen, weil ein Teil
des Hirns schnell, immer aktiv, emotional, stereotypisierend denkt,
der andere Teil hingegen anstrengend, logisch und bewusst. Über
schnelles und langsames Denken wissen auch Politiker Bescheid.
Deshalb versuchen sie, jedes noch so komplexe Thema zu einem
einfachen zu machen, um bei uns das schnelle Denken zu aktivieren.
Eine Methode, die der Boulevard so erfolgreich anwendet.
Der Ausbau der direkten Demokratie, so wie ihn Schwarz-Blau plant,
mag zwar auf ein Mehr an Mitbestimmung der Bürgerbeteiligung
abzielen, doch was wir damit bekommen, ist eine
Schwarz-Weiß-Demokratie.
Österreich hat sich nach dem Ersten Weltkrieg aus gutem Grunde für
die repräsentative Demokratie entschieden – und nach den dunklen
Ereignissen unserer Geschichte zu Recht daran festgehalten. Für Hans
Kelsen, den Vater der Verfassung, war es immer klar, dass Demokratie
niemals zur einer Diktatur der Mehrheit verkommen darf. Demokratie
heißt eben auch, die unterschiedlichen Interessen in einer
Gesellschaft durch das Schaffen von Kompromissen auszugleichen. Das
mag mühsam sein. Doch der Preis für den Ausbau der direkten
Demokratie ist ein viel höherer, weil damit die
Stimmungsmache-Demokratie und Kampagnendemokratie zum Prinzip erhoben
werden.
Übrigens: Das Parlament als Ort der repräsentativen Demokratie hat
das Anti-Rauch-Gesetz beschlossen, weil es schlichtweg vernünftig
ist. Am 1. Mai sollte es in Kraft treten.

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