Innsbruck (OTS) - Werden die Burschenschaften und ihr Einfluss in den
Kabinetten bei der geschichtlichen Aufarbeitung in Blau ausgespart,
kann sich die FPÖ die Historikerkommission sparen. Sie fällt dann
nämlich unter die Rubrik „Alibi-Aktion“.
Als Macher wollte Vizekanzler Heinz-Christian Strache in die Annalen
eingehen, den ersten schwarz-blauen Bund vergessen machen. Die
Vergangenheit hat ihn aber eingeholt – in Form der NS-Liedgut-Affäre
in der Burschenschaft Germania. Berichte darüber als Bösartigkeit
„linkslinker“ Medien abzutun, hat nicht funktioniert. Auch
ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz machte Druck, bedeutete Strache, dass
nicht zur Tagesordnung überzugehen sei. Kurz wusste: Derlei
„Einzelfälle“ beim Koalitionspartner schaden à la longue auch ihm.
Und so wurden die Regierenden betriebsam: Die Germania solle
aufgelöst werden; ein Verwaltungsverfahren werde eingeleitet. Eine
Historikerkommission werde installiert.
Nun haben die Freiheitlichen Genaueres dazu gesagt – begleitet von
vielen Beteuerungen. „Wissentlich nationalsozialistisches
Gedankengut“ habe „keinen Platz“ in der Partei; wer glaube, solches
„in der FPÖ einfließen lassen“ zu können, solle „nicht auf ein
Ausschlussverfahren warten, sondern gleich gehen“. Und: Die
Kommission könne unabhängig, also ohne Zuruf von Blauen, werken –
auch wenn ihr ein Parteifreund, der einstige Dritte
Nationalratspräsident und Uni-Professor Wilhelm Brauneder, vorsitzt.
Dabei gibt es bereits eine Vorgabe: Die Historie der Korporierten
werde nicht untersucht – weil sie nicht untersucht werden könne,
sagen Parteiobere. Burschenschaften seien schließlich keine
Vorfeldorganisationen der FPÖ, sondern private Vereine („Da haben wir
kein Weisungs- oder Durchgriffsrecht“). Formal mag das so sein. In
der Praxis ist die Sache anders. Noch nie sind so viele
Burschenschafter im Parlament vertreten gewesen wie seit der
vergangenen Wahl. Burschenschafter regieren mit, sitzen in
Ministerkabinetten. In der „Koordinierungsgruppe“ für die Kommission
sind großteils Verbindungsleut’.
Angesichts dessen wollen Blaue den Bürgern weismachen, keinen
Einfluss auf Germania und Co. zu haben? Um zu beleuchten, was in der
FPÖ und dem Dritten Lager vonstattenging, bedarf es keiner
Historikerkommission. Das ist umfassend dokumentiert. Spart die FPÖ
die Burschenschaften aus – und eine davon ist ja der Anlass für
Brauneders Engagement –, setzt sie sich dem Verdacht aus, eine
Alibi-Aktion zu setzen, dass Lippenbekenntnissen nicht Taten folgen.
Die Partei hat jetzt die Chance, Tabula rasa zu machen. Tut sie das
nicht, kommt sie nicht aus dem Eck, in das sie sich immer wieder
manövriert.
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