- 08.02.2018, 15:04:40
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Bundesrat: Kinderrechte in öffentlichen Einrichtungen brauchen politische Aufmerksamkeit
Sonderbericht der Volksanwaltschaft zu Kindern und ihren Rechten weist auf Mängel von Betreuungseinrichtungen hin
Utl.: Sonderbericht der Volksanwaltschaft zu Kindern und ihren
Rechten weist auf Mängel von Betreuungseinrichtungen hin =
Wien (PK) - Allgemeine Anerkennung zollten die Bundesrätinnen und
Bundesräte dem Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Thema Kinder
und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen (III-55 d.B. und III-
635-BR/2017 d.B.), der Ende 2017 dem Parlament vorgelegt wurde. Die
Volksanwaltschaft weist darin auf verschiedene Schwachpunkte des
Systems der öffentlichen Fürsorge hin. Einerseits ist die Zahl an
fremd untergebrachten Kindern und Jugendlichen weiter im Steigen
begriffen, andererseits gebe es Gesetzesmängel und in den
Einrichtungen zahlreiche Umsetzungsprobleme, Ausbildungs- und
Professionsdefizite bzw. Kommunikationsschwierigkeiten. Immer wieder
komme es in Heimen auch zu Gewalt und zu Fällen von sexuellem
Missbrauch, halten die VolksanwältInnen fest. Als besonders wichtig
wird von der Volksanwaltschaft der Kontakt zwischen den Kindern und
den Eltern bewertet. Dieser werde oft erschwert, wie etwa durch
Unterbringungen in anderen Bundesländern.
Seit 2012 ist die Volksanwaltschaft laut Verfassung als Nationaler
Präventionsmechanismus(NPM) mit dem Schutz der Menschenrechte in
Österreich beauftragt. Das umfasst auch die Frage der Einhaltung der
Kinderrechte, die 2017 den Schwerpunkt ihrer Arbeit bildete. In den
Bericht fließen daher die Erfahrungen ein, die bei unangekündigten
ExpertenInnenbesuchen im Laufe von fünf Jahre der Tätigkeit des NPM
gemacht wurden. Viele der festgestellten Fehler wären vermeidbar
gewesen, stellt das Prüforgan fest. Positiv festzuhalten sei aber,
dass in den Einrichtungen die Bereitschaft zur Problemeinsicht
steige.
Die Volksanwaltschaft befasste sich auch eingehend mit der
Verantwortung der Republik gegenüber Heimopfern. Das
Heimopferrentengesetz ist aus Sicht der Volksanwaltschaft jedenfalls
novellierungsbedürftig. Es sei nicht gelungen, die staatliche Geste
der Verantwortung auf alle bekannten Opfergruppen zu erstrecken. Das
derzeitige Verfahren lasse eine rasche Klärung nicht zu, heißt es im
Bericht.
BundesrätInnen sehen politischen Handlungsbedarf für einheitliche
Betreuungsstandards
Kinderrechte in öffentlichen Einrichtungen sind ein besonders
sensibles Thema, betonte Marianne Hackl (ÖVP/B). Leider fehlen bei
vielen Einrichtungen Konzepte für Sexualpädagogik und
Gewaltprävention. Diese müssten auf jeden Fall zur Voraussetzung für
die Anerkennung einer sozialpädagogischen Einrichtung sein. Was das
Burgendland betreffe, so würden auffällig oft Kinder in anderen
Bundesländern untergebracht, während viele Kinder aus anderen
Bundesländern in burgenländischen Einrichtungen betreut werden. Hackl
vermutete dahinter ein ökonomisches Motiv, da in diesen Fällen
Aufschläge gefordert werden können. Eine Unterbringung nahe dem
Wohnort sei jedenfalls zu bevorzugen. Hackl kritisierte auch die
erlaubte Größe von Gruppen in Wohneinrichtungen, die im Burgenland
bei 16 liegt. Kleingruppen wären hier besser. Mängel sieht Hackl
ferner bei den Angeboten der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Für
Kinder und Jugendliche mit Behinderung gebe es vielfach das Problem
mangelnder Fördermöglichkeiten gerade für Lernhilfe. Bei allen diesen
Fragen dürfe man nicht wegschauen und Problembewusstsein schaffen,
betonte die Bundesrätin. Die Volksanwaltschaft leiste hierzu einen
wichtigen Beitrag.
Auch Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W) unterstrich, dass sich der Bericht
der Volksanwaltschaft einer besonders verletzlichen Gruppe in der
Gesellschaft widmet - den Kindern und Jugendlichen in öffentlicher
Betreuung. Leider bestehe nach wie vor die Gefahr, dass sich gerade
in den damit beauftragten Einrichtungen institutionalisierte Gewalt
breitmacht. Eine wichtige Präventionsmaßnahme, die erst vereinzelt
erprobt werde, seien externe Vertrauenspersonen. Wichtig sei auch
eine angemessene Ausbildung des Personals und angemessene
Unterbringung. Das sei aber nicht zuletzt eine Ressourcenfrage,
ebenso wie die Ausweitung des ambulanten Angebots für die
psychiatrische Behandlung sowie die Versorgung für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge. Der Bericht zeige auf, dass es leider
immer noch nicht möglich ist, allen Kindern und Jugendlichen optimale
Bedingungen zu bieten. Der menschenrechtswidrige, da dem
Gleichheitsgrundsatz zuwiderlaufende Zustand unterschiedlicher
Standards der Kinder- und Jugendhilfe in den einzelnen Bundesländern
müsse beseitigt werden. Hier sei die Politik gefordert, sagte Gruber-
Pruner. Wichtig ist für sie auch mhr Mitbestimmung der Kinder und
Jugendlichen. Dazu müssten diese jedoch ihre Rechte kennen. Das
Hilfsangebot für junge Erwachsene von 18 bis 21 Jahren sei ebenfalls
auszubauen.
Manche Familien können ihren Kindern nicht das bieten, was sie
brauchen, weshalb die Gesellschaft einen Ausgleich schaffen müsse,
sagte Rosa Ecker (FPÖ/O). Bedenklich ist es für sie jedoch, wenn die
Zahl der Kinder, die in sozialpädagogischen Einrichtungen oder
Pflegefamilien untergebracht werden müssen, stetig ansteigt. Hier sei
zu fragen, was in der Gesellschaft falsch laufe und was man dagegen
tun könne. Kinder wüssten übrigens selbst sehr gut, was sie an Schutz
und Fürsorge brauchen. Wichtig sei für sie daher die Möglichkeiten zu
Teilhabe und Mitbestimmung. Der Kontakt mit den leiblichen Eltern ist
laut Ecker ebenso wichtig wie die Betreuung durch bestens
ausgebildete Personen, welche auf ihre ganz besonderen Bedürfnisse
eingehen können. Oberösterreich sei ein Vorbild mit dem Bemühen,
Kinder vorrangig bei Pflegeeltern unterzubringen, um ihnen möglichst
eine Familienstruktur zu bieten. Um Gewalt und sexuellen Missbrauch
zu verhindern, brauche man neben gut ausgebildetem Personal auch die
Einführung einer externen Vertrauensperson. Ecker hofft, dass hier
bundesweit einheitliche Standards umgesetzt werden können. Bedenklich
sei, dass immer mehr junge Menschen sehr früh Erfahrungen mit der
Justiz machen. Hier müsse mehr Augenmerk auf ihre Resozialisierung
gelegt werden. Auch das Angebot für psychologische Betreuung von
Kindern und Jugendlichen müsse ausgeweitet werden.
Der Bericht zeige einmal mehr, welch wichtige Rolle die
Volksanwaltschaft spielt, unterstrich David Stögmüller (GRÜNE/O). Der
Bundesrat dürfe stolz darauf sein, dass er einen eigenen Ausschuss
für Kinderrechte habe. Der Sonderbericht liefere diesem eine breite
Palette an Anregungen, in welchen Feldern die Politik aktiv werden
muss. Die Anzahl der Kinder, die in Fremdunterbringung erzogen
werden, steige leider. Stögmüller vermutet einerseits eine zunehmende
Überforderung vieler Menschen. Andererseits habe auch die
Sensibilität für Gewalt zugenommen, so dass nun öfter eingeschritten
werde als früher. Umso erschreckender sei es dann aber, wenn Kinder
in den Einrichtungen, in denen sie untergebracht sind, demütigende
und brutalen Bestrafungen erfahren, wofür der Bericht erschütternde
Beispiele biete. Auch Stögmüller setzt auf bundesweit einheitliche
Standards für SozialpädagogInnen. Leider erweise sich der
Föderalismus hier wieder einmal als hinderlich. Ein großes Anliegen
ist Stögmüller die Lage der "Care Leavers", also Jugendlichen, die
mit 18 die Fremdunterbringung verlassen müssen. Sie haben ein
erhöhtes Risiko, an den Hürden des Erwachsenwerdens zu scheitern,
doch fehle ein Rechtsanspruch auf Unterstützung. Auch hier haben die
Bundesländer keine einheitlichen Standards, wie der Bericht darlege.
Stögmüller brachte daher einen Entschließungsantrag ein, in dem die
Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Hilfe und Betreuung von
hilfsbedürftigen jungen Erwachsenen nach einheitlichen Kriterien
gefordert wird. Sein Antrag blieb jedoch in der Minderheit.
Volksanwältin Brinek: Unterbringung von Kindern braucht Gesamtkonzept
Volksanwältin Gertrude Brinek bedankte sich für das große Interesse
an dem Bericht und die differenzierte Auseinandersetzung damit. Jede
Einrichtung, in der Kinder untergebracht werden, sollte verpflichtend
eine Strategie für Gewaltprävention und sexualpädagogische Konzepte
haben, unterstrich sie. Leider sei das allgemeine gesellschaftliche
Bewusstsein noch dort, wo man wolle, denn eíne "leichte Watsche"
werde von vielen immer noch als legitimes Erziehungsmittel gewertet.
Weiterhin werde auch über Kinder mit verschiedenen Beeinträchtigungen
entschieden, ohne diese selbst über ihre Bedürfnisse zu befragen, die
sie selbst sehr wohl kennen. Die Unterbringung von Kindern und
Jugendlichen müsse nach einem Konzept erfolgen, das die Fragen der
körperlichen und psychischen Gesundheit gesamthaft betrachtet.
Keinesfalls dürften ökonomische Kriterien ausschlaggebend sein, wo
sie betreut werden. Brinek wies auf die Notwendigkeit hin, mehr
Möglichkeiten zu temporärer Unterbringung bei Krisensituationen zu
schaffen. Sie unterstrich auch, dass das Heimopferrentengesetz zwar
"sicher gut gemeint" sei, aber in seiner derzeitigen Form noch nicht
ausreiche, um alle Fälle zu erfassen. Sie hoffe daher auf gesetzliche
Anpassungen, um weiteren Betroffenen eine Antragstellung zu
ermöglichen.
Volksanwalt Fichtenbauer: Niemals wegsehen bei Gewalt gegen Kinder
und Jugendliche
Nichts sei so schlimm wie Gewalt gegen Kinder, sagte Volksanwalt
Peter Fichtenbauer. Leider zeige der Bericht auf, dass Kinder immer
wieder in Gewalt von Sadisten geraten, die sich in allen
Gesellschaftsschichten finden. Niemand, der gesellschaftliche
Verantwortung trage, dürfe daher wegsehen, wenn Gewalt gegen Kinder
und Jugendliche geübt wird. Wichtig sei es auch, immer wieder auf
gesetzliche Verbesserungen zu drängen, selbst wenn es nur kleine
Schritte sind. Ein erfolgreiches Beispiel ist für Fichtenbauer die
Änderung der Bestimmungen über die Amtshaftung, wodurch LehrerInnen
nun keine Befürchtungen wegen Haftungsansprüchen haben müssen, wenn
sie einfache medizinische Hilfeleistungen für chronisch kranke Kinder
in der Klasse leisten.
Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Thema Kinder und ihre
Rechte in öffentlichen Einrichtungen wurde einstimmig zur Kenntnis
genommen. (Fortsetzung Bundesrat) sox
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