• 08.02.2018, 12:20:57
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  • OTS0105

Sexualstrafrecht: Bundeskanzler Kurz will "Schieflage" im Strafrecht beseitigen

Grundsatzdebatte im Bundesrat zur geplanten Strafrechtsverschärfung bei Sexualdelikten

Utl.: Grundsatzdebatte im Bundesrat zur geplanten
Strafrechtsverschärfung bei Sexualdelikten =

Wien (PK) - Bundeskanzler Sebastian Kurz nutzte heute die Sitzung des
Bundesrats, das Regierungsvorhaben zur Verschärfung der Strafen bei
Sexualdelikten zu verteidigen. Aufgrund der Gesetzeslage bestehe
derzeit eine Schieflage beim Strafmaß von Vermögens- und jenem von
Gewaltdelikten, so Kurz. Diese solle der Gesetzgeber ausgleichen.
Eingedenk des Titels der Aktuellen Stunde mit dem Kanzler - "Null
Toleranz bei Gewalt gegen Frauen" - verdeutlichten alle Parteien im
Plenum, Gewalt gegen Frauen und Kinder sei keinesfalls akzeptabel und
müsse besser geahndet werden. Während ÖVP und FPÖ in diesem
Zusammenhang die Vorbereitungsarbeiten zur Reform in der Task Force
von Staatssekretärin Karoline Edtstadler begrüßten, meldeten SPÖ und
Grüne große Zweifel an, dass höhere Strafen zielführend sind.

Kurz: Gewaltschutz als aktive Frauenpolitik

"Eine aktive Frauenpolitik zu betreiben", habe sich seine Regierung
auf die Fahnen geheftet, erläuterte Bundeskanzler Sebastian Kurz den
Hintergrund der angekündigten Reform im Sexualstrafrecht. Österreich
müsse mehr Sicherheit für Frauen bieten, immerhin seien im Vorjahr
rund 50.000 Frauen Opfer von Gewaltdelikten geworden. Dennoch gebe es
bei Vermögensdelikten häufig höhere Strafen als bei
Missbrauchsfällen, machte Kurz eine Ungerechtigkeit aufgrund der
Gesetzeslage aus. Der Richterschaft sei kein Vorwurf zu machen,
betonte der Kanzler, wenn sie aufgrund unzureichender Gesetze Urteile
fällt, die auf Unverständnis stoßen.

Die Arbeit an der Strafrechtsnovelle umriss Bundeskanzler Kurz als
Kooperationsprojekt. Im Rahmen der Task Force unter Leitung von
Staatssekretärin Edtstadler aus dem Innenministerium, einer
ausgewiesenen Strafrechtsexpertin, würden Schnittstellen zwischen
Polizei und Justiz geschaffen. Kurz lud auch die Opposition ein, sich
an der Reform zu beteiligen, denn es gehe darum, mit den
entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen "mehr Gerechtigkeit
herzustellen". Der Opferschutz sei dabei ebenfalls auszubauen,
würdigte Kurz das Vorhaben von Frauenministerin Juliane Bogner-
Strauß, in den nächsten vier Jahren die Zahl an Frauenhäusern
auszuweiten.

ÖVP und FPÖ: Strafen müssen wirken

Die Salzburger ÖVP-Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler würdigte den
"Schwerpunkt bei Frauenthemen", den die neue Regierung unter
Bundeskanzler Kurz mit ihrem Vorhaben setzt. Zentral bei der
Strafrechtsreform seien das Anheben der Mindeststrafen und der
Opferschutz, um sowohl die Abschreckung der Täter als auch die
Situation der Opfer zu verbessern. "Damit das Strafrecht Wirkung
zeigt, müssen Strafen und Taten im richtigen Verhältnis zueinander
stehen", ortete sie wie schon der Kanzler ein Ungleichgewicht bei den
geltenden Strafdrohungen für Vermögensdelikte und für Vergehen gegen
körperliche Unversehrtheit. Staatssekretärin Edtstadler werde mit
ExpertInnen aus Justizministerium, Innenministerium, VertreterInnen
der Wissenschaft und von Opferschutzverbänden die Weichen für die
nötigen Gesetzesänderungen stellen, ist Eder-Gitschthaler überzeugt.

Ihre Wiener Kollegin von der FPÖ, Monika Mühlwerth, bekräftigte, die
aktuelle Situation sei nicht zufriedenstellend, immer noch würden zu
viele Frauen in Österreich Opfer von Gewalt. Nicht nur
österreichische Straftäter hat die Freiheitliche dabei im Fokus: im
Rahmen der Flüchtlingsbewegung seien viele Personen aus
Kulturkreisen, in denen Gewalt gegen Frauen akzeptiert werde, nach
Österreich gekommen, monierte sie. Hier braucht es der Mandatarin
zufolge besonderes Augenmerk, damit physische und psychische Gewalt
nicht hingenommen wird, weil der Täter unter dem Schutz eines
Flüchtlingsstatus steht. 50.000 Opfer der Genitalverstümmelung habe
eine Studie in Deutschland erhoben. "Das sind Dinge, die wir immer
noch nicht im Griff haben", so Mühlwerth, die auch mehr
Präventionsarbeit in den Schulen verlangte.

SPÖ und Grüne: Höhere Strafen kein Gewaltschutz

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ/B) betonte, die SPÖ sei schon
immer eine Vorreiterin beim Gewaltschutz von Frauen gewesen. Das sehe
man an der Einrichtung von Frauenhäusern, auch gegen politischen
Gegenwind aus Kreisen der Volkspartei. Die Anhebung der
Strafdrohungen bei Sexualdelikten 2016 würdigte Posch-Gruska als
"eine der größten Strafrechtsreformen" der Zweiten Republik, wobei
sie der ÖVP vorhielt, die Straferhöhung bei Vergehen gegen die
sexuelle Selbstbestimmung der Frau lange nicht gutgeheißen zu haben.
Bei der Strafrechtsreform vor zwei Jahren wurden die Strafrahmen für
Vergewaltigungen und Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung
ausgeweitet. Die Sozialdemokratin kritisierte vor diesem Hintergrund
scharf, dass noch vor einer Evaluierung der bestehenden Gesetze eine
neuerliche Reform in diesem Bereich des Strafrechts angestoßen werden
soll. Zumal die Initiative mit Task-Force dazu vom Innen- und nicht
dem Justizministerium ausgehe - das sei eine Herabwürdigung der
Justiz.

"Zynismus und Populismus" , ortete die Wiener Mandatarin Ewa Dziedzic
zusammen bei dem Reformprojekt von ÖVP und FPÖ, obwohl das Thema
"sehr ernst" sei. Tatsächlich sehe sich jede fünfte Frau in
Österreich von Gewalt betroffen, die leider immer wieder auch mit
Mord ende. Die Verurteilungsrate bei häuslicher Gewalt sei dagegen
niedrig, unter 5%, da die Ermittlungen oft ergebnislos eingestellt
würden und es eine hohe Dunkelziffer gebe. "Gerichte und Behörden
müssen Sexualdelikte ernst nehmen", appellierte Dziedzic. Statt der
angekündigten neuerlichen Erhöhung des Strafrahmens brauche das Land
einen bundesweiten Ausbau von Beratungsstellen, die Intensivierung
der Kooperation zwischen Behörden und Gerichten sowie
Präventionsarbeit wir Anti-Gewalttrainings bei Gefährdern. Härtere
Strafen seien keine Maßnahmen, die Sicherheit von Frauen zu
gewährleisten. Die Anschuldigung von Dziedzic, die Regierung lüge bei
ihrer Ankündigung, Frauen durch höhere Strafen für Gewalttäter besser
zu schützen, wies ÖVP-Mandatar Edgar Mayer entschieden zurück.

Grundkonsens beim Opferschutz

Mehr Öffentlichkeit für Frauen und Kinder, die Gewaltopfer werden,
sei nötig befand Doris Schulz (V/O), die in diesem Zusammenhang neben
einem höheren Strafmaß den Ausbau der Beratungsstellen bis 2022
begrüßte. Von Mobbing, Freiheitsentzug, Zwangsheirat bis hin zur
Gewalt gebe es viele Formen der Unterdrückung von Frauen, die zu
unterbinden sei, bekräftigte Bernhard Rösch (F/W) den Nutzen von
härteren Strafen und ausgeweitetem Opferschutz.

"Populismus" warfen hingegen Ana Blatnik (S/K) und Nicole Schreyer
(G/T) der Regierung vor, da höhere Strafen keinen Täter von seiner
Straftat abhalte. Vielmehr müsse die Regierung mehr Geld in die Hand
nehmen, um eine größeres Maß an Therapien für Täter und Opfer zu
ermöglichen. Aufklärungsarbeit und Prävention nannte Schreyer
überdies als wichtige Faktoren, gerade auch bei Straftätern aus
anderen Kulturkreisen, wie sie der FPÖ ausrichtete.

Für den fraktionslosen Gerald Zelina, ehemals Team Stronach, aus
Niederösterreich sind "männliche Machtansprüche", wodurch die Frau
als Eigentum des Mannes betrachtet werde, das Grundproblem von
Sexualtätern. Seine Wortmeldung war gleichzeitig seine Abschiedsrede
vom Bundesrat, in der er allen Kolleginnen und Kollegen Dank für die
Zusammenarbeit aussprach. (Fortsetzung Bundesrat) rei

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