- 25.01.2018, 19:54:20
- /
- OTS0224
NR-Präsident Sobotka: Ehrliche und aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte ist Verpflichtung
Zeitzeugengespräch zum Internationalen Holocaust-Gedenktag im Parlament
Utl.: Zeitzeugengespräch zum Internationalen Holocaust-Gedenktag im
 Parlament =
Wien (PK) - "Gedenken erschöpft sich nicht allein im Blick zurück.
 Gedenken formuliert einen Anspruch an das hier und jetzt - in der
 Sprache, die wir sprechen, und in den Handlungen, die wir setzen",
 betonte heute Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im Rahmen der
 diesjährigen Gedenkveranstaltung des Parlaments an die Opfer des
 Holocaust.
Der 27. Jänner, an dem 1945 das Konzentrations- und Vernichtungslager
 Auschwitz-Birkenau befreit wurde, ist aufgrund des Beschlusses der
 UNO Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Auf
 Initiative der damaligen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer
 begeht auch das österreichische Parlament seit 2012 diesen Gedenktag.
 In Fortführung dieser Tradition hat Nationalratspräsident Wolfgang
 Sobotka heute zu einer Gedenkveranstaltung ins Palais Epstein
 eingeladen. Ein von der Direktorin des Jüdischen Museums Wien,
 Danielle Spera, moderiertes Zeitzeugengespräch mit Victor Klein,
 Herbert Löwy, Fritz Rubin-Bittmann und Alfred Schreier bildete den
 Mittelpunkt des Abends. Das jüdische Gebet zum Totengedenken "El Male
 Rachamim" wurde von Rabbiner Mordechai Fiksler gesungen.
Die musikalische Umrahmung der Veranstaltung erfolgte durch junge
 Musikerinnen der Universität für Musik und angewandte Kunst Wien. Sie
 spielten Werke von Bruno Walter, Walter Arlen und Ernst Toch, alle
 drei vertriebene jüdische Komponisten.
Sobotka: Wer sich seiner Vergangenheit nicht stellt, wird immer von
 ihr eingeholt werden
"Wenn Gedenken einen Sinn haben soll, dann den, aus der Erinnerung an
 die unzähligen Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns
 Konsequenzen für Gegenwart und Zukunft zu ziehen - in der Art, wie
 wir als Menschen in unserer Vielfalt und in Respekt und Toleranz
 miteinander umgehen", sagte Nationalratspräsident Sobotka in seiner
 Rede.
Der Nationalratspräsident erteilte allen Versuchen eine klare Absage,
 die österreichische Geschichte umzuschreiben, umzudeuten oder zu
 relativieren. Dazu gehört für Sobotka vor allem auch, bei jedwedem
 Ausdruck des Rassismus und des Antisemitismus sowie bei
 nationalsozialistischer Wiederbetätigung politisch wie strafrechtlich
 Rechenschaft einzufordern.
In diesem Zusammenhang richtete er einen Appell an die Politikerinnen
 und Politiker: "Jeder, der heute in der Politik Verantwortung trägt,
 ist aufgefordert, sich mit der österreichischen Geschichte und der
 seiner Partei aktiv auseinanderzusetzen, sich ihr ehrlich, aufrichtig
 und vorbehaltlos zu stellen, den Beiträgen der Zeitzeugen zuzuhören,
 nachzudenken und über unsere heutige und zukünftige Verantwortung zu
 reflektieren". Aus dieser Pflicht wolle und dürfe er niemanden
 entlassen. "Denn, wer sich seiner Vergangenheit nicht stellt, wird
 immer wieder von ihr eingeholt werden".
Einmal mehr erinnerte der Nationalratspräsident daran, dass
 Österreich nicht nur Opfer war. "Österreich war Täter, Österreich hat
 sich schuldig gemacht, in Untat und Untätigsein".
Das Fernbleiben der IKG zeigt, wie tief die Wunden noch immer sind
Explizit bedauerte der Nationalratspräsident das Fernbleiben des
 Präsidenten der IKG Wien, Oskar Deutsch. Das zeige, so Sobotka, wie
 tief die Wunden noch immer sind. "Präsident Deutsch sowie andere
 VertreterInnen der IKG sind und bleiben eingeladen". Die Plätze
 würden für sie freigehalten, und sollten sie weiter frei bleiben,
 würde er das auch als einen Beitrag zum Gedenkjahr verstehen.
Unter den Gästen begrüßte Sobotka seine Kolleginnen im Präsidium,
 Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und Dritte
 Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller sowie den Präsidenten
 des Bundesrats, Reinhard Todt. Von Seiten der Bundesregierung nahmen
 Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache,
 Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sowie Staatssekretärin
 Karoline Edtstadler und Staatssekretär Hubert Fuchs teil.
Als RepräsentantInnen des offiziellen Österreich hieß Sobotka weiters
 den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Eckhart Ratz, den
 Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Rudolf Thienel sowie die
 Präsidentin des Rechnungshofs Margit Kraker willkommen. Unter den
 Anwesenden befanden sich auch aktive und ehemalige Mitglieder des
 Nationalrats und des Bundesrats, unter ihnen die Klubobleute Andreas
 Schieder, Walter Rosenkranz und Matthias Strolz. Auch zahlreiche
 VertreterInnen des Diplomatischen Corps - unter anderen die
 Vertreterin der Israelischen Botschaft - sind gekommen. Zu den Gästen
 zählten zudem Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften,
 ehemalige Mitglieder der Bundesregierung und Volksanwaltschaft und
 VertreterInnen von österreichischen Gedenkinitiativen. Ein besonderer
 Dank des Nationalratspräsidenten galt der Generalsekretärin des
 Nationalfonds, Hannah Lessing.
Zeitzeugen erinnern sich an die dunklen Jahre
Direktorin Danielle Spera stellte Victor Klein, Herbert Löwy, Fritz
 Rubin-Bittmann und Alfred Schreier als Mitglieder einer besonderen
 Herrenrunde vor, die sich seit Jahren jeden Mittwoch in einem Wiener
 Café trifft, um über Themen der Vergangenheit wie über die Gegenwart
 zu diskutieren. Die "Mittwochsrunde" versammelt einige der letzten
 Vertreter des jüdischen Bürgertums, das vor 1938 Wien und Österreich
 maßgeblich geprägt hat. Allen gemeinsam ist allen trotz der
 unterschiedlichen Lebenswege und Weltanschauungen ihre Liebe zu Wien
 und der Glaube an die österreichische Demokratie.
Die Zeitzeugen berichteten über Erfahrungen, die sie als Verfolgte
 des NS-Regimes gemacht hatten. So war Herbert Löwy, geboren 1929 in
 Wien, als Jugendlicher, der den gelben Stern tragen musste, der
 Zugang zur Schulbildung verwehrt. Er bildete sich autodidaktisch,
 überlebte als "U-Boot" in Wien und war 1945 einer der (Wieder-
 )Gründer des Sportklubs Hakoah. Der Arzt Fritz Rubin-Bittmann wurde
 1944 als Kind jüdischer Eltern in einem Keller in der Leopoldstadt in
 Wien geboren, von einer nichtjüdischen Familie aufgenommen und so
 gerettet. Der 1929 in Wien geborene Alfred Schreier überlebte den
 Krieg mit seinen Eltern in Italien. 1945 wanderte er in die USA aus
 und kehrte erst vor einigen Jahren nach Wien zurück. Victor Klein
 wurde 1927 in Munkács (Mukatschewo), das damals zur Tschechoslowakei
 gehörte, geboren. Er wurde mit seiner Familie nach Auschwitz
 deportiert, seine Befreiung erlebt er im Konzentrationslager Ebensee.
 In den 1950er Jahren übersiedelte er von Budapest nach Wien.
 (Schluss) sox
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website
 des Parlaments unter www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA






