- 20.12.2017, 17:03:51
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Sobotka als NR-Präsident gewählt, Kitzmüller wird Dritte Nationalratspräsidentin
Scharfe Kritik der Opposition am Umgang mit dem Parlamentarismus
Utl.: Scharfe Kritik der Opposition am Umgang mit dem
Parlamentarismus =
Wien (PK) - Mit 106 von 173 gültigen Stimmen wurde heute Wolfgang
Sobotka zum Nationalratspräsidenten ernannt. Diese Wahl war notwendig
geworden, da seine Vorgängerin Elisabeth Köstinger, die nur wenige
Wochen dieses Amt inne hatte, zur Bundesministerin für Nachhaltigkeit
und Tourismus angelobt wurde. In der Sitzung wurden auch die Weichen
für die Nachfolge des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer
gestellt; die dafür von der FPÖ nominierte Abgeordnete Anneliese
Kitzmüller erhielt 102 Stimmen.
Während die VertreterInnen der Regierungsparteien voll des Lobes für
ihre KandidatInnen waren und die Vorgangsweise verteidigten, übten
die Oppositionsparteien scharfe Kritik. Dabei fielen Worte wie
Rangierbahnhof, Machtspiele, Postenschacherei oder Missachtung des
Parlaments. Zum Ausdruck gebracht wurde das Missfallen u.a. dadurch,
dass im ersten Wahlgang für den nicht nominierten Karlheinz Kopf 65
Stimmen abgegeben wurden. Bei der Bestellung von Anneliese Kitzmüller
wählten 34 Abgeordnete ungültig.
Die Regierungsbildung brachte es auch mit sich, dass neue Abgeordnete
angelobt werden mussten. Neu im Hohen Haus sind nunmehr Johann
Gudenus, Ricarda Berger, Alois Kainz und Christian Ries (alle FPÖ).
Kein guter Einstand für die Regierung aus Sicht der Opposition
Vor Eingang in die Tagesordnung entzündete sich noch eine kurze und
heftige Geschäftsordnungsdebatte. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder
hielt es für inakzeptabel, dass das Bundesministeriengesetz mit
Fristsetzungen durchgepeitscht wurde und sogar heute noch ein
weiterer Abänderungsantrag vorgelegt wurde. Es sei kein guter
Einstand für die Regierung, die neue Legislaturperiode mit
parlamentarischen Tricks zu beginnen, beklagte auch Abgeordneter
Peter Wittmann (SPÖ). Wenn man als Vorsitzender des
Verfassungsausschusses daran gehindert werde, eine Sitzung
zeitgerecht einzuberufen, dann könne man seinen gesetzlichen
Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, sagte er. Dies stelle einen
vollkommenen Bruch mit allen bisher üblichen Usancen dar. Ähnlich
urteilten Nikolaus Scherak (NEOS) und Peter Kolba (PILZ). Wenn man
ein paar Stunden vor dem Ausschuss einen umfassenden
Abänderungsantrag bekommt, sei ein seriöses Arbeiten nicht möglich.
Man habe das ganze Wochenende über intensiv gearbeitet und sich sehr
bemüht, die Anträge rechtzeitig vorzulegen, entgegnete August
Wöginger (ÖVP). Es handle sich bei den Wortmeldungen um reinen
Theaterdonner, meinte Walter Rosenkranz (FPÖ).
Opposition: Unfreundlicher Empfang für Sobotka und Kitzmüller
Wenig Gefallen fand die Opposition dann auch daran, dass nach nur
wenigen Wochen zwei Mitglieder des Nationalratspräsidiums neu gewählt
werden mussten. Die ÖVP betrachte das so wichtige Amt des ersten
Nationalratspräsidenten offenbar als einen "Parkplatz oder
Rangierbahnhof für politische Funktionen", übte Andreas Schieder
(SPÖ) scharfe Kritik. Es sei klar sichtbar geworden, dass
innerparteiliche Notwendigkeiten wichtiger sind als das Ansehen des
Hohen Hauses. In dasselbe Horn stieß auch sein Fraktionskollege Peter
Wittmann, der sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass ein
verdienstvoller Parlamentarier nur aus "eventpolitischen
Überlegungen" ausgetauscht wurde. Außerdem sei bei der Wahl von
Elisabeth Köstinger von vornherein klar gewesen, dass sie diese
Funktion nicht lange ausüben würde. Die SPÖ akzeptiere natürlich die
Usance, dass den einzelnen Fraktionen Nominierungsrechte für das NR-
Präsidium zustehen, hege aber - aus unterschiedlichen Gründen - eine
große Skepsis gegenüber den zwei vorgeschlagenen Personen,
konstatierte Schieder. Dies konkretisierte Wittmann, der Sobotka als
einen Politiker bezeichnete, der in all seinen politischen Ämtern nur
durch Polarisierung und Spaltung aufgefallen sei. Seiner Meinung nach
sei er mitverantwortlich dafür gewesen, dass die Koalition zwischen
SPÖ und ÖVP in die Luft gesprengt wurde. Und nur weil er bei dem
"Minister-Rodeo" übrig geblieben sei, habe man ihn als neuen
Nationalratspräsidenten vorgeschlagen. "Ich will kein Überbleibsel
als Präsident", schloss Wittmann.
Nikolaus Scherak (NEOS) zeigte sich enttäuscht darüber, dass
Elisabeth Köstinger entgegen ihren Zusagen vor sechs Wochen nun doch
aus dem Amt scheidet. Sie habe es damit geschafft, die kürzest
dienende Nationalratspräsidentin seit 1920 zu werden und habe
letztendlich das "Amt beschädigt". Was den Respekt gegenüber dem
Parlament betrifft, sei man damit auf einem Tiefpunkt angekommen.
"Wir sind nicht die Anhängsel" oder die "verlängerte Werkbank der
Bundesregierung", sondern die Gesetzgebung, unterstrich Scherak mit
Nachdruck. Da die NEOS dieses "unwürdige Schauspiel" nicht mittragen
wollen, werde man auch heute wieder Karlheinz Kopf wählen, der zudem
der Bestqualifizierteste für das Amt sei, kündigte Scherak an.
Der Klubobmann der Liste Pilz, Peter Kolba, will den früheren
Innenminister Wolfgang Sobotka als neuen Nationalratspräsidenten
akzeptieren - allerdings mit einem "Misstrauensvorschuss". Man habe
ihn nämlich in der Vergangenheit als jemanden erlebt, der für "law
and order" sowie für eine Polarisierung der Gesellschaft steht.
Andererseits müsse man anerkennen, dass Sobotka im Vorfeld der Wahl
Gespräche mit allen Parteien gesucht habe. Er bestehe daher die
Hoffnung, dass er bei der Ausübung seines Amtes eine Äquidistanz zu
allen Fraktionen an den Tag legen und die Opposition nicht
benachteiligen werde. Kritischer äußerte sich Kolba zu Anneliese
Kitzmüller. Er kenne sie zwar persönlich nicht, aber Medienberichten
sei zu entnehmen, dass sie in deutschnationalen Mädelschaften aktiv
sei und altgermanisches Brauchtum hoch halte. Aufgrund dieser
mangelnden Abgrenzung zu rechts-rechten Gruppen ist sie für ihn
unwählbar.
RegierungsvertreterInnen appellieren an Einhaltung von Usancen
Seine Partei habe Wolfgang Sobotka vorgeschlagen, der "ein
erfahrener, kompetenter und engagierter Politiker mit einem äußerst
breiten Fachwissen ist", erläuterte der neue ÖVP-Klubobmann August
Wöginger. Seine beachtliche politische Laufbahn begann 1982 im
Gemeinderat von Waidhofen an der Ybbs, führte ihn dann in die
niederösterreichische Landesregierung und schließlich ins
Innenressort. Eindrucksvoll sei aber auch Sobotkas Bildungsweg, denn
er habe nicht nur Geschichte studiert, sondern auch Musik und
Dirigieren am Brucknerkonversatorium. Schließlich habe sich nicht nur
bei den Regierungsverhandlungen gezeigt, dass er ein Verbinder
zwischen den einzelnen Interessen ist. Wolfgang Sobotka habe zudem
immer wieder bewiesen, dass er bereit ist, zu lernen und sich neue
Kompetenzen anzueignen, erinnerte Abgeordnete Gabriela Schwarz.
Gerade in Krisenzeiten sei er ein Fels in der Brandung, der aber nie
auf Alleingang setze; er habe daher ihr vollstes Vertrauen. Wöginger
warb auch um Unterstützung für Anneliese Kitzmüller, die er als eine
erfahrene Politikerin und geeignet für das Amt der Dritten
Nationalratspräsidentin bezeichnete.
Wenig Verständnis für die Wortmeldungen der Oppositionsparteien
zeigte FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz. Sowohl Wolfgang Sobotka als
auch Anneliese Kitzmüller konnten vor einigen Wochen noch nicht
wissen, ob sie Mitglieder einer Bundesregierung werden oder nicht. Es
war weder absehbar, ob es zu einem positiven Abschluss der
Koalitionsverhandlungen kommt, noch wie die einzelnen Ministerien
aufgeteilt werden, argumentierte er. Was den Kandidaten der ÖVP
betrifft, so verdiene es sich Sobotka, der auf sämtlichen Ebenen
politisch tätig war und sein Handwerk wirklich versteht, das
zweithöchste Amt im Staat einzunehmen. Ebenso hervorragend geeignet
sei die oberösterreichische Familienpolitikerin Anneliese Kitzmüller,
die seine Fraktion als Dritte NR-Präsidentin vorschlägt.
Die genauen Ergebnisse der beiden Wahlvorgänge:
Auf Wolfgang Sobotka entfielen 106 Stimmen; von den insgesamt 177
abgegebenen Stimmen waren 173 gültig. In diesem Wahlgang entfielen
auch 65 Stimmen auf Karheinz Kopf sowie auf zwei andere Personen.
Vier Stimmen weniger - nämlich 102 - erhielt Anneliese Kitzmüller.
Von den 176 abgegebenen waren jedoch nur 142 gültig. 7 Stimmen
erhielt Robert Lugar, 33 entfielen auf andere Abgeordnete.
(Fortsetzung Nationalrat (sue)
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