• 25.10.2017, 12:54:36
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  • OTS0116

Bundesrat: Mehrheit für Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten

ÖVP beklagt Rechtsunsicherheit und vermisst einheitlichen Arbeitnehmerbegriff

Utl.: ÖVP beklagt Rechtsunsicherheit und vermisst einheitlichen
Arbeitnehmerbegriff =

Wien (PK) - Mit Stimmenmehrheit machte nun auch die Länderkammer den
Weg frei für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Große
Unterschiede gab es zwar nicht mehr, Verbesserungsbedarf sah man
jedoch noch beim Kündigungsschutz für ArbeiterInnen und bei der
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dieser Beschluss wurde im
Rahmen einer namentlichen Abstimmung (36 Ja-Stimmen, 18 Nein-Stimmen)
von allen anwesenden BundesrätInnen der SPÖ, der FPÖ, der Grünen
sowie der fraktionslosen Jutta Arztmann mitgetragen.

Die vorgesehenen längeren Kündigungsfristen für ArbeiterInnen werden
aber erst ab dem Jahr 2021 gelten. Außerdem dürfen Branchen, in denen
Saisonbetriebe überwiegen (z.B. Bausektor oder Tourismus), über das
Jahr 2021 hinaus abweichende Regelungen durch Kollektivvertrag
festlegen.

Gegen das Gesetzespaket stimmte die ÖVP. Bundesrätin Sonja Zwazl
(V/N) sprach von einer "Hauruck-Aktion". Ihrer Ansicht nach wären
noch ausführlichere Beratungen notwendig gewesen; außerdem fehle ein
einheitlicher Arbeitnehmerbegriff.

SPÖ froh über Abschaffung einer jahrzehntelangen Diskriminierung

Gegen den Vorwurf des "Husch-Pfusch" verwahrten sich die
BundesrätInnen der SPÖ. In der Vergangenheit sei die Angleichung von
arbeitsrechtlichen Bestimmungen von Arbeitern und Angestellten immer
wieder am Widerstand der Wirtschaft und der ÖVP gescheitert,
erinnerte René Pfister (S/N). Es sei daher sehr erfreulich, dass es
nach jahrzehntelangen Verhandlungen endlich gelungen ist, noch
bestehende Diskriminierungen zwischen zwei Gruppen von Beschäftigten
zu beseitigen, unterstrich Bundesrätin Renate Anderl (S/W). Im 21.
Jahrhundert gebe es keine Rechtfertigung mehr dafür, dass manche
ArbeiterInnen von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt
werden können, während bei Angestellten Kündigungsfristen zwischen
sechs Wochen und fünf Monaten vorgesehen sind. Außerdem haben
ExpertInnen bestätigt, dass etwa die Änderungen bei der
Entgeltfortzahlung kostenneutral sind. Das Verschieben des
Inkrafttretens von 2018 auf 2021 soll es den Betrieben zudem
ermöglichen, sich auf die verlängerten Kündigungsfristen
einzustellen.

ÖVP: Zahlreiche offene Fragen führen zu Rechtsunsicherheit

Kritik an der Vorgehensweise kam von Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N),
die vor allem die mangelnde Einbindung der Sozialpartner beklagte.
Auch die Volkspartei strebe einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff
an, dieses Ziel müsse jedoch schrittweise und mit entsprechenden
Übergangsfristen verfolgt werden. In einer Hauruck-Aktion sei nun
bedauerlicherweise ein Gesetzesantrag vorgelegt worden, der sehr
unbestimmt ist und wohl auch verfassungswidrige Bestimmungen enthält,
urteilte Zwazl. So wies sie etwa darauf hin, dass kurzfristig in
tausende Dienstverträge eingegriffen wird, zumal geringfügig
beschäftigte Angestellte derzeit von langen Kündigungsfristen
ausgenommen sind. Außerdem finde man keine Definition darüber, was
genau unter Saisonbetrieben zu verstehen ist. Als fahrlässig
bezeichnete sie zudem die Regelung, wonach es einen Anspruch auf
Entgeltfortzahlung auch dann gibt, wenn eine einvernehmliche Lösung
im Hinblick auf die Dienstverhinderung erfolgt. Aus all diesen
Gründen plädierte sie für einen Beharrungsbeschluss von Seiten des
Bundesrates. Dieser Forderung schloss sich auch Bundesrat Andreas
Köll (V/T) an. Bei dem seiner Meinung nach nicht ausgereiftem Entwurf
handle es sich um einen Wahlkampfgag, der offensichtlich nicht sehr
erfolgreich war.

FPÖ und Grüne begrüßen Gleichstellung

Bundesrat Bernhard Rösch (F/W) sprach im Zusammenhang mit der
Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten von einem sozialen
Meilenstein, für den sich die FPÖ immer stark eingesetzt habe. Gerade
vor dem Hintergrund der Digitalisierung, die schon seit langem
Realität sei, brauche es Gleichberechtigung in der Arbeit. Gefordert
seien dabei auch die Sozialpartner, die sich auf die neuen
Bedingungen einstellen müssen.

Es sei eigentlich unfassbar, dass sich die angesprochenen
Minimalkündigungsfristen in manchen Bereichen so lange gehalten habe,
konstatierte auch Bundesrat David Stögmüller (G/O). Besonders positiv
beurteilte er, dass es für die Lehrlinge zu Verbesserungen kommt. Im
Nationalrat angenommen wurde auch ein Entschließungsantrag der
Grünen, der auf einen besseren arbeits- und sozialrechtlichen Schutz
für atypisch beschäftigte Personen sowie freie DienstnehmerInnen und
neue Selbständige sowie die Überführung der arbeitsrechtlichen
Bestimmungen der Gewerbeordnung in ein modernes Arbeitsrecht abzielt.

Stöger: Guter Tag für österreichische ArbeitnehmerInnen

Von einem guten Tag für die österreichischen Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen sprach Sozialminister Alois Stöger. Endlich komme
es zu einer Gleichstellung in Bezug auf die Kündigungs- und
Entgeltfortzahlungsrechte. Der nun auf dem Tisch liegende Vorschlag
sei zudem nicht neu, sondern sei in zahlreichen Sitzungen zwischen
den Sozialpartnern ausverhandelt worden. Im Sinne der Gerechtigkeit
ersuche er daher um Zustimmung zu dem Gesetz.

Paket bringt Gleichstellung bei Kündigungsschutz und
Entgeltfortzahlung

Gemäß dem Gesetzesbeschluss wird auch für ArbeiterInnen künftig eine
zumindest sechswöchige Kündigungsfrist gelten, wobei das
Dienstverhältnis nur mit Ablauf jedes Kalendervierteljahres gelöst
werden kann. Danach steigt die Kündigungsfrist stufenweise an - bis
zu einer Dauer von fünf Monaten nach dem vollendeten 25. Dienstjahr.
Für Angestellte ist neu, dass die Kündigungsregelungen auch für
Beschäftigte mit nur wenigen Wochenstunden (weniger als ein Fünftel
der kollektivvertraglichen Normarbeitszeit) gelten.

Vereinheitlicht wird auch die Systematik für die Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall oder nach einem Unfall, bei gleichzeitiger
Verankerung einzelner Verbesserungen. So ist das Gehalt bzw. der Lohn
künftig bereits nach einem Dienstjahr - statt wie derzeit erst nach
fünf - acht Wochen lang weiterzuzahlen. An der Grundstufe (sechs
Wochen) und den weiteren Steigerungsstufen (zehn Wochen nach fünfzehn
Dienstjahren, zwölf Wochen nach fünfundzwanzig Dienstjahren) ändert
sich hingegen nichts. Bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines
Arbeitsjahres ist eine Zusammenrechnung der Anspruchszeiten
vorgesehen, außer es handelt sich um einen Arbeitsunfall oder eine
Berufskrankheit. Günstigere Regelungen in Kollektivverträgen sollen
beibehalten werden.

Nicht mehr möglich sein wird es, den grundsätzlichen Anspruch auf
Entgeltfortzahlung bei unverschuldeten kurzzeitigen
Dienstverhinderungen aufgrund wichtiger persönlicher Gründe
kollektivvertraglich einzuschränken. Bei Arbeitern ist das derzeit
zulässig. Lehrlinge werden künftig im Krankheitsfall acht - statt
bisher vier - Wochen lang die volle Lehrlingsentschädigung und
weitere vier Wochen (statt zwei) ein Teilentgelt erhalten.

In Kraft treten werden die Änderungen im Entgeltfortzahlungsrecht mit
1. Juli 2018, der verbesserte Kündigungsschutz für ArbeiterInnen wird
ab 2021 gelten. Zur Umsetzung der Gleichstellung müssen nicht nur das
Angestelltengesetz, das ABGB und das Entgeltfortzahlungsgesetz
geändert werden, sondern auch das Gutangestelltengesetz, das
Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz und das Landarbeitsgesetz.
(Fortsetzung Bundesrat) sue

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