- 12.10.2017, 15:13:38
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CETA: Regierungsparteien wollen mit Ratifikation noch zuwarten
Keine Mehrheit im Nationalrat für Oppositionsanträge auf Volksbefragung über Handelsabkommen
Utl.: Keine Mehrheit im Nationalrat für Oppositionsanträge auf
Volksbefragung über Handelsabkommen =
Wien (PK) - Der Nationalrat zog heute einen Schlussstrich unter das
Volksbegehren "Gegen TTIP/CETA", die lebhafte Debatte ließ allerdings
erkennen, dass das Freihandelsabkommen mit Kanada noch weiter auf der
Agenda der österreichischen Innenpolitik bleiben wird. Die Fraktionen
steckten einmal mehr ihre Standpunkte ab, wobei FPÖ und Grüne die
kritische Linie des Volksbegehrens unterstützten und vor allem
schwere Bedenken gegen die Investitionsschutzgerichtsbarkeit und die
Klagerechte von Konzernen vorbrachten. Nicht durchsetzen konnten sich
die beiden Oppositionsparteien dabei mit ihrer Forderung nach einer
Volksbefragung über CETA.
Die SPÖ sieht wiederum eine Reihe von Verbesserungen als Folge der
auf österreichisches Betreiben beigefügten Klarstellungen, will aber
ebenfalls wie die ÖVP und Wirtschaftsminister Harald Mahrer vor einer
Weiterleitung des Abkommens an das Parlament noch entsprechende
Klarstellungen auf EU-Ebene, so etwa die nähere Ausgestaltung der
Investitionsgerichtsbarkeit, abwarten. Klar machten die
Sozialdemokraten allerdings, dass für sie ein Inkrafttreten von CETA
nicht in Frage kommt, solange das Abkommen Sonderklagerechte für
Konzerne enthält. Ein entsprechender Entschließungsantrag verfehlte
bei der Abstimmung knapp die Mehrheit. Ein klares Bekenntnis zu CETA
legten die Volkspartei und die NEOS ab, die insbesondere auf die
Bedeutung des Freihandels für Österreich als exportorientierte
Volkswirtschaft hinwiesen und den KritikerInnen "Angstmacherei" und
Populismus vorwarfen.
SPÖ: Inkrafttreten von CETA nur ohne Sonderklagerechte von Konzernen
Peter Wittmann sprach als Vorsitzender des Verfassungsausschusses von
einer umfassenden Behandlung des Volksbegehrens und dankte den
InitiatorInnen für deren Engagement. Auf Initiative Österreichs sei
es gelungen, noch vor dem vorläufigen Inkrafttreten eine Reihe von
interpretativen Erklärungen in den Vertrag einzufügen. Klar sei damit
nun, dass CETA als gemischtes Abkommen der Ratifikation durch die
nationalen Parlamente bedarf. Auch stehe fest, dass das
Vorsorgeprinzip nicht angetastet werden dürfe. Die Erklärung sieht,
wie Wittmann betonte, überdies eine Präzisierung hinsichtlich der
vorläufigen Anwendung vor. Diese gelte nur für jene Teile, die
unmittelbar in die Zuständigkeit der EU fallen, nicht aber für die
umstrittene Investitionsgerichtsbarkeit. CETA könne derzeit noch
nicht dem Parlament vorgelegt werden, da zunächst noch Entscheidungen
auf EU-Ebene, insbesondere aber die von der Kommission angekündigten
Verbesserungen bei der Investitionsgerichtsbarkeit, abzuwarten seien,
unterstrich Wittmann. Sein Fraktionskollege Christoph Matznetter
bestätigte dies und rief in einem Entschließungsantrag der SPÖ die
Bundesregierung auf, ein endgültiges Inkrafttreten von CETA zu
verhindern, solange das Abkommen Bestimmungen über Sonderklagerechte
für Konzerne enthält. Außerdem solle die Regierung, geht es nach der
SPÖ, sicherstellen, dass Handelsabkommen effektive Maßnahmen gegen
Lohn- und Sozialdumping sowie zur Verteidigung der hohen
österreichischen Standards enthalten. Der Bereich der öffentlichen
Dienstleistungen sei, so die Forderung Matznetters, jedenfalls
umfassend von zukünftigen Handelsabkommen auszunehmen. Dieser
Entschließungsantrag blieb bei der Abstimmung allerdings in der
Minderheit.
ÖVP: CETA eröffnet große Chancen für Österreichs exportorientierte
Wirtschaft
Österreich als Exportland braucht Handelsabkommen wie CETA, steht für
Peter Haubner fest. Man sollte diese strategische Chance nützen und
der heimischen Wirtschaft keine Steine in den Weg legen, mahnte der
Wirtschaftssprecher der Volkspartei und plädierte für eine
Ratifikation des Vertrags mit Kanada durch das österreichische
Parlament. Freihandel sei unerlässlich für eine exportorientierte
Wirtschaft, pflichtete ihm Michaela Steinacker bei. Zahlen, Daten und
Fakten sprechen für CETA und machten deutlich, dass das Abkommen für
alle Vertragspartner eine Win-Win-Situation darstelle. Steinacker
appellierte in diesem Sinn an die Politik, der Wirtschaft ihre
Chancen zu öffnen. Auch Johann Schmuckenschlager sah viele Vorteile
für Österreich durch das Freihandelsabkommen mit Kanada, wobei er vor
allem die Interessen der Landwirtschaft ins Blickfeld rückte. CETA
sichere Nachhaltigkeit und biete zudem auch die Möglichkeit einer
entsprechenden Kennzeichnung der österreichischen
landwirtschaftlichen Produkte. Dieser positiven Einschätzung schloss
sich Hermann Schultes an, der in seiner letzten Rede vor dem Hohen
Haus die Abgeordneten zu mehr Mut und Zuversicht aufrief. Mit CETA
zeige Europa gerade in schwierigen Zeiten von Brexit und Mercosur
Handlungsfähigkeit, der Vertrag sei vorbildlich für andere Abkommen.
FPÖ: CETA schränkt demokratisches Selbstbestimmungsrecht ein
Harald Stefan rechnet bloß mit minimalen wirtschaftlichen Effekten
als Folge von CETA, warnte hingegen, im Zuge der
Investitionsschutzverfahren würden die Staaten gegenüber großen
Konzernen unter Druck geraten. Dies könnte zu einer Art von
vorauseilendem Gehorsam etwa bei der Gesetzgebung im Umweltschutz
führen. Axel Kassegger dankte den InitiatorInnen des Volksbegehrens
und meinte, ohne den Druck aus der Zivilgesellschaft wären viele
Dinge im Vertrag nicht geändert worden. Nach wie vor problematisch
sind für den FPÖ-Wirtschaftssprecher aber die Konzernklagerechte,
wobei Kassegger von einer Disparität zulasten der Staaten sprach.
Insgesamt schränke CETA das demokratische Selbstbestimmungsrecht ein,
lautete sein Hauptkritikpunkt. Er befürchtet zudem, dass einmal
getätigte Privatisierungen nicht mehr rückgängig gemacht werden
können. Ein von Stefan und Kassegger eingebrachter Antrag auf
Abhaltung einer Volksbefragung über CETA blieb bei der Abstimmung in
der Minderheit.
Grüne: CETA ist ein Trojanisches Pferd
Es gelte, dem Abkommen die Giftzähne zu ziehen, forderte Werner
Kogler und brachte ebenfalls schwere Bedenken gegen die Klagerechte
von Konzernen vor. Fest steht für den grünen Mandatar auch, dass das
Vorsorgeprinzip durch CETA durchbrochen wird. Der Regierung warf
Kogler vor, durch ihre Weigerung, das Abkommen den Abgeordneten
vorzulegen, das Parlament an der Nase herumzuführen. CETA sei ein
trojanisches Pferd, in dessen Bauch Lobbyisten sitzen, stellte
Grünen-Landwirtschaftssprecher Wolfgang Pirklhuber fest. Durch die
Deregulierungspolitik würden demokratische Rechte ausgehöhlt,
beklagte er und appellierte angesichts seines bevorstehenden
Ausscheidens aus dem Parlament an die Abgeordneten, sich die Politik
nicht kleinreden zu lassen. Gemeinsam mit Kogler brachte er einen
Antrag auf Volksbefragung zu CETA ein, der ebenfalls wie die
Initiative der FPÖ abgelehnt wurde.
NEOS gegen Angstmache
CETA sei ein gutes Abkommen und bringe viele Vorteile für Österreich,
befand Claudia Gamon, die die Grünen des Populismus und der
Angstmache bezichtigte. Angesichts der vielfach geäußerten Einwände
gegen das Abkommen stellte sie fest, Österreich sei in Europa ein
"gallisches Dorf der Unvernunft". Auch ihr Fraktionskollege Josef
Schellhorn wandte sich gegen Angstszenarien und Warnungen vor den
"bösen Konzernen" und rief zu mehr Mut und Zuversicht auf. CETA
sollte als das gesehen werden, was es ist: eine große Chance für
Österreichs exportorientierte Wirtschaft.
Mahrer: Klarstellungen bei Investitionsgerichtsbarkeit noch offen
Auch Wirtschaftsminister Harald Mahrer bedankte sich bei den
InitiatorInnen des Volksbegehrens und betonte, ohne eine breit
getragene Bürgerbewegung wäre es nicht gelungen, zahlreiche
qualitative Fortschritte zu bewirken. So gebe es jetzt unabhängige
Investitionsgerichte, wobei an eine Weiterentwicklung in Richtung
eines multilateralen Investitionsgerichts gedacht wird. Mahrer zeigte
sich zuversichtlich, dass sich das österreichische Parlament auch in
Zukunft in Fragen des Gemeinwohls nicht beeinflussen lassen wird, und
sah keinen Grund für entsprechende Befürchtungen von FPÖ und Grünen.
Vor der endgültigen Ratifikation sollten seiner Meinung nach noch die
angekündigten Präzisierungen bei der Investitionsgerichtsbarkeit
abgewartet werden. Ausständig sei darüber hinaus auch noch eine
Klärung der Auswirkungen des Pariser Klimavertrags auf CETA.
Fraktionslose Abgeordnete gegen CETA
Eine klare Ablehnung von CETA kam von den fraktionslosen
Abgeordneten. Daniela Holzinger-Vogtenhuber sprach ebenso wie Peter
Pilz von einer schrittweisen Aushöhlung der Demokratie, konnte sich
aber mit ihrem Antrag auf ehestmögliche Vorlage des Abkommens zur
parlamentarischen Entscheidung nicht durchsetzen. CETA öffne Tür und
Tor für Großkonzerne und Lobbyisten, steht für Ruper Doppler fest,
während Leopold Steinbichler massive Vorbehalte hinsichtlich von
Einbußen bei der Qualität und Kennzeichnung der Lebensmittel im
Gefolge von Freihandelsabkommen wie CETA anmeldete. Barbara
Rosenkranz, Marcus Franz und Christoph Hagen schlugen in dieselbe
kritische Kerbe und forderten eine Volksabstimmung über CETA. Ein
entsprechender Antrag blieb allerdings in der Minderheit.
(Fortsetzung Nationalrat) hof
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