- 09.10.2017, 18:10:08
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Verfassungsausschuss hat Beratungen über Volksbegehren gegen CETA abgeschlossen
Keine Mehrheit für Antrag der Grünen auf Abhaltung einer Volksbefragung
Utl.: Keine Mehrheit für Antrag der Grünen auf Abhaltung einer
Volksbefragung =
Wien (PK) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat seine
Beratungen über das Volksbegehren gegen CETA und TTIP abgeschlossen.
Diskutiert wurde heute nochmals über die Themenbereiche
Nachhaltigkeit, öffentliche Dienstleistungen und Investitionsschutz,
konkrete Beschlüsse haben die Abgeordneten allerdings nicht gefasst.
Nun wird sich der Nationalrat am Donnerstag mit dem abschließenden
Bericht des Verfassungsausschusses befassen.
Wann die Abgeordneten über CETA selbst abstimmen werden, ist noch
offen. Die Regierung will das EU-Abkommen mit Kanada dem Nationalrat
erst dann zur Ratifikation vorlegen, wenn alle Fragen geklärt sind.
Das hat Wirtschaftsminister Harald Mahrer heute bestätigt. Er sieht
wie Bundeskanzler Christian Kern noch einige Punkte ungelöst, etwa
was den geplanten Investitionsgerichtshof betrifft. Die Grünen wollen
den "gordischen Knoten" mit einer Volksbefragung lösen, ein
entsprechender Antrag von Werner Kogler wurde allerdings nur von den
Freiheitlichen mit unterstützt und blieb damit in der Minderheit.
Insgesamt hat der Verfassungsausschuss vier Expertenhearings zum
Volksbegehren abgehalten. Weitere geplante Anhörungen fielen den
Neuwahlen zum Opfer. Der Traiskirchner Bürgermeister Herbert
Thumpser, einer der InitiatorInnen des Volksbegehrens, zeigte sich
dennoch grundsätzlich zufrieden. Es sei ein großer Fortschritt, dass
das österreichische Parlament intensiv über CETA diskutiert habe,
nachdem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angesichts des
breiten Widerstands gegen CETA letztes Jahr noch gemeint hatte, "der
österreichische Klamauk" solle aufhören, sagte er. Thumpser
appellierte an die Abgeordneten, bei ihren künftigen Entscheidungen
die 562.000 UnterzeichnerInnen des Volksbegehrens zu berücksichtigen.
Das Volksbegehren (1608 d.B.), das sich nicht nur gegen TTIP und
CETA, sondern auch gegen das Dienstleistungsabkommen TiSA richtet,
wurde von 562.379 Personen bzw. 8,87% der stimmberechtigten
ÖsterreicherInnen unterzeichnet. Sie haben die Sorge, dass durch
diese und ähnliche Abkommen die Macht internationaler Konzerne
gegenüber der Politik weiter gestärkt wird, zum Nachteil der
BürgerInnen. Als besonders problematisch werden dabei
Sonderklagsrechte von Unternehmen gegen Staaten vor internationalen
Schiedsgerichten gesehen. Auch eine Absenkung von Sozial- und
Umweltstandards sowie eine Aushöhlung des Vorsorgeprinzips wird von
den UnterzeichnerInnen befürchtet. CETA ist in weiten Teilen bereits
vorläufig in Kraft getreten, das gesamte Abkommen wird allerdings
erst bei einer Ratifizierung durch alle 28 EU-Staaten wirksam.
Abgeordnete sehen noch viele Fragen offen
Das Volksbegehren habe dem Parlament die Gelegenheit gegeben, sich
intensiv mit Handelsverträgen und Investitionsschutz
auseinanderzusetzen, hob Kai Jan Krainer (S) in der abschließenden
Debatte hervor. Für ihn sind trotz der eingehenden Diskussion aber
eine Reihe von Fragen offen geblieben, vor allem was die
Schiedsgerichte betrifft. Er sieht daher seitens der SPÖ im Moment
keine Möglichkeit, die Ratifikation von CETA positiv abzuschließen.
Auch Harald Stefan (F) und Werner Kogler (G) sind weiter skeptisch.
Nicht alles an CETA sei schlecht, hielt Kogler fest, im Abkommen
seien aber - auch über die Schiedsgerichte hinaus - noch etliche
Giftzähne drinnen. Stefan ortet nach wie vor einige Unklarkeiten und
offene Fragen. Ausdrücklich bedankten sich Stefan und Kogler bei
jenen, die sich gegen CETA und TTIP engagiert haben: Ohne
öffentlichen Druck wäre es nicht zu Nachverhandlungen bei CETA und zu
einer intensiven parlamentarischen Diskussion gekommen, ist Stefan
überzeugt.
Empört zeigte sich Kogler darüber, dass die Regierung dem Parlament
CETA bis auf weiteres nicht zur Ratifikation vorlegen will. Dadurch
würde der Nationalrat daran gehindert, im Interesse der Mehrheit der
Bevölkerung gegen das Abkommen zu stimmen. Eine Entscheidung noch in
dieser Legislaturperiode wäre möglich gewesen, betonte Kogler, dabei
hätte es eine "satte und glatte Mehrheit" gegen CETA gegeben. Um den
"gordischen Knoten" zu lösen, schlug Kogler eine Volksbefragung vor,
ein entsprechender Antrag fand jedoch nur die Unterstützung der
Grünen und der FPÖ und blieb damit in der Minderheit.
Handel und Investitionen bräuchten gemeinsame Spielregeln, betonte
ÖVP-Abgeordneter Hermann Schultes. Mit CETA habe man die
freundschaftlichen Beziehungen zwischen den europäischen Ländern und
Kanada in solche Regeln gegossen. Den KritikerInnen des Abkommens
hielt Schultes entgegen, würde auch beim Brexit-Vertrag über "den
sechsten Beistrich von hinten" so intensiv diskutiert wie bei CETA,
werde ein solcher nie ratifiziert werden.
Eine Allianz von Recht- und Linkspopulisten ortet Nikolaus Scherak
(N) in Sachen CETA. Er wisse nicht, was die Grünen mit einer
Volksbefragung bezwecken wollen, meinte er. Schließlich sei selbst
vielen Abgeordneten nach den intensiven Beratungen im
Verfassungsausschuss noch nicht klar, was genau in CETA drinnen
steht. Es wäre ihm lieber gewesen, das Parlament hätte die Debatte
weitergeführt.
Vor der abschließenden Generaldebatte hatten sich die Abgeordneten
mit den Aspekten Nachhaltigkeit, öffentliche Dienstleistungen und
Investitionsschutz beschäftigt. In einem Expertenhearing kamen dabei
Stefan Imhof (Bundeskanzleramt), Ursula Kriebaum (Universität Wien),
Alexandra Strickner (Attac) und August Reinisch (Universität Wien) zu
Wort, wobei das Abkommen unterschiedlich bewertet wurde.
Imhof: Neugestaltung der Schiedsgerichtsbarkeit als Folge der Kritik
an Investitionsschutzklauseln
Wie Stefan Imhof unterstrich, besteht Konsens darüber, dass Europa
die Globalisierung mitgestalten müsse, wobei der Union als größtem
Binnenmarkt der Welt große Verhandlungsmacht zukomme. CETA werde vor
allem auch als Vorbild für weitere Handelsabkommen gesehen. Die
Kritik an den Investitionsschutzklauseln habe zu einer Neugestaltung
des Streitbeilegungsmechanismus und zur Einigung auf eine
rechtsverbindliche interpretative Erklärung geführt. Darin werde
festgehalten, dass ausländische Investoren nicht besser gestellt
werden dürfen als inländische. Bei der Nachhaltigkeit wiederum
spreche sich die Europäische Union nunmehr für einen
Sanktionsmechanismus aus.
Kriebaum: Neue Investitionsgerichtsbarkeit mit hoher Transparenz
Einen Streitbelegungsmechanismus brauche man, weil man sich in Kanada
vor innerstaatlichen Gerichten und Behörden nicht auf
völkerrechtliche Verträge berufen könne, erklärte Ursula Kriebaum.
Zudem habe Kanada mit etlichen europäischen Ländern bilaterale
Investitionsschutzabkommen abgeschlossen und würde Abstriche beim
Rechtsschutz wohl nicht akzeptieren. Die Transparenz des geplanten
neuen Investitionsgerichtshofs übersteige jedenfalls das bei
Verfahren in den Nationalstaaten übliche Ausmaß. Die Befürchtung,
CETA könnte als Plattform für Klagen aus den USA genutzt werden,
hielt Kriebaum nicht für angebracht, zumal die Klagslegitimation eine
substanzielle wirtschaftliche Tätigkeit in Kanada voraussetze. In
Sachen Nachhaltigkeit nehme CETA ausdrücklich Bezug auf Gesundheits-,
Umwelt- und Sozialstandards, bekräftigte sie.
Strickner: CETA nützt nur den großen Konzernen
Nach Meinung von Alexandra Strickner geht es bei CETA nicht primär um
Handel. Der Kern des Abkommens sei vielmehr die Deregulierung und die
Öffnung der Märkte sowie die Schaffung von Sonderrechten für
ausländische Investoren und Konzerne. Sie beanstandete, dass es dabei
keine Durchsetzungsrechte in den Bereichen Arbeitnehmerrechte und
Umweltschutz gibt. Strickner befürchtet auch, dass die
Sonderklagsrechte de facto sehr tief in die innerstaatliche
Regulierungskompetenz eingreifen werden. Schwere Bedenken brachte sie
überdies gegen die Bestimmungen hinsichtlich der öffentlichen
Dienstleistungen vor, wo sie vor Liberalisierungen warnte, die ihrer
Meinung nach nur schwer wieder rückgängig gemacht werden könnten.
Reinisch: Investitionsgerichtshof bietet mehr Transparenz als
nationale Systeme
August Reinisch stellte klar, dass CETA keine Schiedsgerichte
beinhalte, sondern vielmehr einen internationalen
Investitionsgerichtshof vorsieht. Dessen Gerichtsbarkeit sei
wesentlich transparenter als innerstaatliche Systeme. So müssten
sämtliche Verfahrensschritte offengelegt werden. Ein Spill-over-
Effekt auf die Gerichtsbarkeit in den Nationalstaaten wäre hier
wünschenswert. Was die Anrufung der Schiedsgerichte grundsätzlich
betrifft, zeige die Erfahrung, dass nicht primär Großkonzerne klagen,
sondern eher kleine Unternehmen oder sogar Einzelpersonen. Konzerne
würden eher den direkten Kontakt zu den Staaten suchen.
Mahrer will mit Weiterleitung von CETA an das Parlament noch zuwarten
Wirtschaftsminister Harald Mahrer betonte mit Nachdruck, CETA gehe
bei der Nachhaltigkeit von extrem hohen Standards aus. Das
Vorsorgeprinzip sei EU-Primärrecht und gelte daher auch für den
Handelsvertrag mit Kanada. Überdies werde in CETA explizit
festgelegt, dass es Sache der Vertragsstaaten ist, selbst zu
entscheiden, ob sie Dienstleistungen privatisieren wollen. Sie müssen
dies jedenfalls nicht tun, unterstrich Mahrer und folgerte daraus,
die Leistungen der Daseinsvorsorge seien ausreichend gesichert.
Wichtig ist für den Minister auch, dass im Arbeitsrecht alle acht
Kernnormen der ILO nun auch von Kanada ratifiziert wurden.
Zur weiteren Vorgangsweise kündigte Mahrer an, vor einer
Weiterleitung von CETA an den Nationalrat werde man noch eine Reihe
von Gutachten und Entscheidungen auf EU-Ebene abwarten. Offen sei
etwa noch der Umweltteil im Lichte des Pariser Klimavertrags, wo es
allerdings bereits im Auslegungsinstrumentarium einen entsprechenden
Verweis gebe.
Thumpser: Daseinsvorsorge muss Allgemeingut bleiben
Herbert Thumpser stellte als Bevollmächtigter des Volksbegehrens
abschließend klar, er sei weder für Protektionismus noch für
uneingeschränkten Freihandel. Umwelt- und Sozialstandards sowie
demokratische Handlungsspielräume für die nationalen Parlamente
müssten bewahrt bleiben. Diese Voraussetzungen erfülle CETA nicht,
zumal der Handelsvertrag große Konzerne zulasten von
ArbeitnehmerInnen, landwirtschaftlichen ProduzentInnen und KMU
bevorzuge. Schwere Bedenken brachte Thumpser überdies hinsichtlich
der öffentlichen Dienstleistungen vor. Die bisherigen
Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen auf diesem Gebiet
hätten sich negativ auf die Interessen der Bevölkerung ausgewirkt. Es
gehe nicht an, dass die Daseinsvorsorge, die ja Allgemeingut sein
sollte, als Geschäftsfeld für den Wettbewerb geöffnet und Gegenstand
von Gewinninteressen werde. Konkret warnte Thumpser in diesem
Zusammenhang vor einer Privatisierung der Wasserversorgung. Auf
Ablehnung des Bevollmächtigten stößt zudem auch jegliche
Sondergerichtsbarkeit für Investoren, wobei er argumentierte, diese
würde nur den Großkonzernen nützen. (Schluss) gs/hof
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