Wien (OTS/RK) - Am Donnerstag, dem 28. September 2017, hat der Wiener
Gemeinderat zum 27. Mal in der laufenden Wahlperiode getagt. Begonnen
wurde um 9 Uhr mit der Fragestunde. Gesundheits- und Sozialstadträtin
Sandra Frauenberger (SPÖ) beantwortete Anfragen betreffend die
künftige Organisation des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) sowie
eine Anfrage betreffend Vorträge der Kulturwissenschaftlerin Mithu
Sanyal im Rahmen der Veranstaltungsreihe „16 Tage gegen Gewalt“ in
Wien; Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny beantwortete eine
Anfrage betreffend Kunst im öffentlichen Raum (KÖR);
Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin Maria Vassilakou
beantwortete eine Anfrage zum
Entscheidungsprozess für einen Mistplatz am Nordbahnhof-Gelände.
Aktuelle Stunde
Die ÖVP hatte das Thema der Aktuellen Stunde vorgegeben, es
lautete: „Es ist Zeit. Wien verdient mehr als diese rot-grüne
Stillstandspolitik! Standort stärken. Gerechtigkeit schaffen.
Sicherheit geben.“ Die Volkspartei kritisierte sämtliche Ressorts der
rot-grünen Stadtregierung: Angefangen beim Bürgermeister, der mit der
Nichtbeantwortung seiner Nachfolgeregelung die Regierungsgeschäfte
lähme, über steigende Schulden im Finanzressort, Spitals-Gangbetten
als „Normalität“ im Gesundheitswesen, steigenden Gebühren bei den
Wiener Stadtwerken bis hin zum „Kampf gegen die Autofahrer“ im grünen
Verkehrsressort.
Die NEOS sahen die Ursachen für die aufgezählten Problem im
„Rot-Grünen Koalitionszwist“. Die Koalitionspartner beschäftigten
sich lieber mit sich selbst, als dringende Reformen anzupacken. Die
Stadt ruhe sich auf Leistungen vergangener Jahrzehnte aus.
Die Grünen erwiderten mit ihrer Feststellung von Wien „als Stadt
der Chancen und Möglichkeiten, der Lebensqualität, Sicherheit und
Zukunft“. Wien erlebe starken Zuzug aus den Bundesländern - vor allem
von Frauen, die hier Jobs, Kinderbetreuung und Ausbildung suchten und
fänden; nicht zuletzt, weil die Geschlechter-Lohnschere nirgendwo in
Österreich so eng sei wie in Wien.
Die FPÖ warf der rot-grünen Stadtregierung „Realitätsverweigerung“
vor. Seit Jahren zeigten „alle Erfolgs-Indikatoren nach unten“;
stetig verliere Wien in Rankings zu Bildung, Standort oder Kaufkraft
an Plätzen. Nach dem angekündigten Rücktritt von Bürgermeister
Michael Häupl müsste es Neuwahlen auf Wiener Ebene geben.
Die SPÖ meinte Richtung Opposition, diese betreibe „Wien-Bashing
mit alternativen Fakten“ – was hauptsächlich dem Wahlkampf geschuldet
sei. Wien wachse als Wirtschaftsstandort, ebenso steige die
Brutto-Wertschöpfung. Außerdem feiere die Stadt regelmäßig Rekorde
bei internationalen Betriebsansiedelungen; mehr als 8.500 Unternehmen
seien insgesamt in den vergangenen zehn Jahren neu in Wien gegründet
worden. Auch weise Wien die bundesweit höchste Forschungsquote auf –
31 Prozent der österreichweiten Forschungsausgaben würden in Wien
getätigt.
Hauptdebatte: Subvention an die Wiener Volkshochschulen GmbH
(VHS)
Die NEOS sagten, die Stadt dürfe ihre Defizite im Bildungswesen
nicht den VHS „überstülpen“. Statt Bildungsangebote an externe
Vereine auszulagern sollte die Stadt finanzielle Mittel für
Bildungsaufgaben direkt den Schulen zukommen lassen.
Die ÖVP meinte, die VHS müssten sich als wichtiger
„Bildungsnahversorger“ finanziell selbst erhalten können, befänden
sich derzeit aber in einer finanziellen Krise. Daher brauche es ein
Finanzsanierungs-Konzept sowie eine strategische Neuausrichtung. Die
gratis-Nachhilfe „Förderung 2.0“ müsse in der Klasse passieren und
nicht ausgelagert in den VHS.
Die Grünen appellierten an die Oppositionsparteien, gemeinsam für
mehr Ressourcen vom Bund für Wiener Schulen und Bildungseinrichtungen
zu kämpfen. Sie zitierten aus dem Bildungs- und Chancenindex der
Arbeiterkammer (AK), der für Wien 2.700 zusätzliche Lehrerinnen und
Lehrer für die Pflichtschulen fordere.
Für die FPÖ sei die VHS „ein intransparentes Fass ohne Boden, dem
die Stadt hunderttausende Euro nachschießen“ müsse. Es sei die
rot-grüne Stadtregierung, welche für Defizite im Bildungswesen
verantwortlich zeichne, und nicht die Opposition. Sie forderte
Sprachtests und „Deutsch-Nachholklassen“ für Kinder mit
Sprachdefiziten.
Die SPÖ konterte, das Angebot der VHS werde laufend evaluiert und
an die Anforderungen angepasst. So gebe es zum Beispiel mehr Kurse
zur Berufsausbildung oder Angebote, die sich gezielt an Frauen
richteten. Die VHS sei ein guter Partner bei der „Förderung 2.0“ und
bei der Umsetzung der „Bildungsgrätzl“.
Dringliche Anfrage der FPÖ an den Bürgermeister
Die FPÖ hatte die Dringliche Anfrage eingebracht zum Thema
„Zunehmende Islamisierung Wiens durch Vereine, Kulturzentren oder
religiöse Einrichtungen und damit zusammenhängende
Sicherheitsprobleme“. Es sei „verdammte Pflicht“ des Bürgermeisters,
für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Infolge von „Willkommenskultur
und falsch verstandener Toleranz“ seien muslimische Gesellschaften
nach Wien eingewandert, die „unsere Kultur und Rechtsordnung
ablehnen“. Die Stadt müsse diese Islamisierung stoppen, etwa durch
ein Ende von Subventionen an islamistische Vereine.
Die NEOS bezichtigten die FPÖ der „Islamophobie“ und erinnerten
daran, dass der Islam seit dem Jahr 1912 in Österreich anerkannte
Religion sei. Im Bereich der Integration gebe es „große Probleme“,
man müsse aber differenzieren – und die FPÖ schere alle Moslems über
einen Kamm.
Die ÖVP kritisierte die FPÖ dafür, mit der Dringlichen Anfrage
eigentlich Integrationsminister Sebastian Kurz attackiert zu haben.
Auf Bundesebene habe man reagiert, so sehe das Islam-Gesetz
verpflichtende Werte und Deutschkurse vor. Auf Wiener Ebene habe die
Stadtregierung die „dynamische Entwicklung von
Parallelgesellschaften“ zu lange unterschätzt.
Die Grünen bezeichneten die freiheitliche „Diffamierung des
sozialen Zusammenhalts“ „schäbig“, die FPÖ setze Moslems bewusst mit
„Terror und Gefahr“ gleich. Die Grünen hingegen setzten sich ein für
„ein gutes demokratisches Zusammenleben und Partizipation“.
Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) antwortete auf die Dringliche
Anfrage: Ganz offensichtlich missbrauche die FPÖ den Gemeinderat für
den Wahlkampf. Unabhängig davon: Wer soziale Fragen beantworten und
Zukunftsängste nehmen wolle, müsse sich der wichtigen Fragen
annehmen: Ausbildung, Job, Wohnung und gerechtes Einkommen. Die Stadt
habe etwa mit der Novelle des Kindergartenbetreuungsgesetzes ein
richtiges Signal gesetzt. Auflagen für Betreiber seien deutlich
strenger, dazu gebe es intensivere Kontrollen. Ein Werteleitfaden
stelle überdies sicher, dass demokratische Grundsätze geachtet und
ideologische Indoktrinierung abgelehnt würden sowie Religion im
pädagogischen Unterricht nur eine untergeordnete Rolle spielen dürfe.
Weitere Debatten
Der Gemeinderat beschloss u.a. Subventionen an Kulturvereine sowie
Entwicklungshilfeprojekte, die Oberflächengestaltung der neuen Copa
Cagrana, Flächenwidmungen, Abschlüsse städtebaulicher Verträge sowie
die Erweiterung und Neubau von Schulgebäuden.
Im Zuge der Sitzung brachte die FPÖ einen Misstrauensantrag gegen
Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) ein. Dieser wurde mit
Stimmen von SPÖ, Grünen und NEOS abgelehnt, gegen die Stimmen von FPÖ
und ÖVP.
Die 27. Sitzung des Wiener Gemeinderates endete um 20.07 Uhr. Die
Termine der nächsten Sitzungen von Gemeinderat und Landtag sind unter
www.wien.gv.at/politik/gemeinderat/presse/termine.html zu finden.
In der Informationsdatenbank des Wiener Landtages und
Gemeinderates (INFODAT) unter www.wien.gv.at/infodat/ können Reden,
Debattenbeiträge, Beschlüsse, Anfragen, Anträge, Gesetzesentwürfe und
Landesgesetzblätter nach verschiedenen Kriterien abgerufen werden,
dabei wird Zugriff auf die zugehörigen Originaldokumente (sofern
elektronisch vorhanden) geboten.
(Schluss) ato/esl/sep/hie
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