• 04.07.2017, 10:00:01
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  • OTS0032

Und sie bewegen sich doch

ForscherInnen entdecken erstmals schwimmende Chlamydien im Meer

Utl.: ForscherInnen entdecken erstmals schwimmende Chlamydien im
Meer =

Wien (OTS) - Chlamydien sind als bakterielle Krankheitserreger
bekannt und verursachen jedes Jahr weltweit mehr als 100 Millionen
Infektionen. Für den Menschen harmlose Arten sind jedoch auch in der
Umwelt weit verbreitet. Bei der Untersuchung dieser Spezies haben
MikrobiologInnen der Universität Wien um Astrid Collingro und
Matthias Horn eine überraschende Entdeckung gemacht: Bestimmte marine
Arten können mithilfe eines molekularen "Motors" schwimmen. Alle
bislang bekannten Chlamydien galten als völlig unbeweglich.

Chlamydien sind ungewöhnliche Bakterien. Um sich zu vermehren, sind
sie auf die Infektion tierischer oder menschlicher Zellen,
beziehungsweise auf Einzeller (Protisten) angewiesen. Dieser
Lebensstil ist uralt und vermutlich bereits im Präkambrium
entstanden. Im Verlauf der Evolution haben Chlamydien dabei ihr
Erbgut stark verkleinert und an die ressourcenreiche Umgebung
angepasst. So haben sie eine Vielzahl an Genen verloren, die für
freilebende Bakterien lebensnotwendig sind.

Unbekannte Chlamydien im Meer

Die Evolution der Chlamydien lässt sich besonders gut anhand der
Umweltchlamydien studieren, die beispielsweise in Amöben leben. Am
Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung an der
Universität Wien werden diese seit über zehn Jahren erforscht.
Zuletzt mehrten sich die Hinweise auf eine Vielzahl unbekannter
Entwicklungslinien im Meer. Um mehr über sie zu erfahren, bediente
sich das internationale Team um Matthias Horn Methoden der
Einzelzellgenomik. Die ForscherInnen brachten zunächst einzelne
Bakterienzellen aus Meerwasserproben in winzige Reaktionsgefäße, in
denen sie anschließend weiter untersucht werden konnten.

Die Nadel im Heuhaufen

Zehntausende Bakterienzellen haben Collingro und ihre internationalen
Kooperationspartner sortiert, bevor sie fündig wurden; darunter
befanden sich am Ende drei Chlamydien, deren Genome vervielfältigt
und schließlich sequenziert werden konnten. Diese Einzelzellgenome
("single cell amplified genomes") erlaubten erstmals Einblicke in die
genetische Ausstattung und die Biologie mariner Chlamydien. Deren
Analyse ergab zunächst typische Eigenschaften bekannter Arten; dann
aber stießen die WissenschafterInnen auf ein völlig unerwartetes
Merkmal.

Flagellen

Während alle bekannten Chlamydien aufgrund ihrer reduzierten Genome
völlig unbeweglich sind, besitzen die untersuchten marinen Gene für
Flagellen. Das sind komplexe Strukturen, die aus einem molekularen
Motor bestehen, der eine Art Geißel so antreibt, dass die Zelle sich
fortbewegen kann. "Wir haben das zunächst nicht für möglich gehalten.
Erst nach einer Reihe weiterer Analysen waren wir uns sicher: Wir
haben wir es mit beweglichen Chlamydien zu tun", so Astrid Collingro,
Erstautorin der Studie.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass Flagellen tatsächlich eine
ursprüngliche Eigenschaft der Chlamydien sind, die allerdings im
Laufe der Evolution in den meisten Entwicklungslinien, so auch den
humanpathogenen Arten, verloren gegangen ist. Im Meer aber ist
Beweglichkeit möglicherweise eine Voraussetzung, um neue Wirtszellen
zu finden.

So bemerkenswert diese neuen Erkenntnisse zur Anpassungsfähigkeit von
Chlamydien sind, letztendlich wird es notwendig sein, marine
Chlamydien auch im Labor untersuchen zu können. Um das zu erreichen,
wollen sich die ForscherInnen demnächst auf die Suche nach deren
natürliche Wirte begeben. "Bisher konnten wir nur einen Bruchteil der
Chlamydien untersuchen. Ich denke, diese Bakterien sind noch für
einige Überraschungen gut", meint Matthias Horn, Professor am
Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung, und ergänzt:
"Die Untersuchung der Umweltchlamydien wird weiter dazu beitragen,
die Herkunft und Entwicklung bakterieller Krankheitserreger besser zu
verstehen".

Videodownload und Einbindungsdetails:
https://www.apa-ots-video.at/video/53423963773f4b7b823963773f0b7bb2

Publikation in "The ISME Journal":

Unexpected genomic features in widespread intracellular bacteria:
evidence for motility of marine chlamydiae.
Astrid Collingro, Stephan Köstlbacher, Marc Mussmann, Ramunas
Stepanauskas, Steven J. Hallam, Matthias Horn
DOI: 10.1038/ismej.2017.95

Wissenschaftlicher Kontakt
Dr. Astrid Collingro
Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung
Forschungsverbund Chemistry meets Microbiology
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
T +43-1-4277-766 21
collingro@microbial-ecology.net

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